Burgen im Spiegel der historischen Überlieferung, hrsg. von Hermann Ehmer (=Oberrheinische Studien, Bd. 13). Sigmaringen: Jan Thorbecke Verlag 1998. 211 S.

Der Ergebnisband der gleichnamigen Tagung der Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein vom Oktober 1993 nimmt eine Reihe wichtiger Aspekte der modernen Burgenforschung in den Blick.

Aus der Arbeit an einem "Burgenbuch des Breisgaus" ist der Beitrag von Alfons Zettler (Burgenbau und Zähringerherrschaft, S. 9-35) hervorgegangen, der sich den Anfängen des Burgenbaus im 11. Jahrhundert widmet. Die derzeitige archäologische Burgenforschung stellt anhand von acht Beispielen neuerer Burgengrabungen im rechtsrheinischen Oberrheingebiet der Archäologe Dietrich Lutz vor (Burgen im Spiegel archäologischer Befunde, S. 45-76). Lutz warnt zurecht vor einer Überbewertung der Höhenburg im Vergleich zu Anlagen in und bei Ortschaften (S. 75).

Es schließen sich drei quellenkundlich orientierte Beiträge an. Um adelige Hausratsverzeichnisse geht es in dem sowohl für die Quellen- als auch für die Realienkunde wichtigen Aufsatz von Christofer Herrmann (Burginventare in Süddeutschland und Tirol vom 14. bis zum 17. Jahrhundert, S. 77-104), der sich auf die Auswertung von ca. 150 Inventaren stützt. Neben den edierten Quellen, wobei an erster Stelle die Ausgabe Tiroler Inventare durch Oswald von Zingerle 1909 steht, wurden Archivalien aus Speyerr, Karlsruhe und Bamberg herangezogen, wobei das Staatsarchiv Bamberg mit 58 Schadenslisten aus der Zeit des Bauernkrieges 1525 eine besonders ergiebige Quellengruppe beigesteuert hat. Der Herausgeber des Bandes ediert und bespricht zwei kurze "Schadensinventare fränkischer Burgen aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts (Schweinsberg 1437, Bartenstein 1443)" (S. 105-122), die ihre Enstehung einer Fehde des Würzburger Bischofs gegen Graf Michael von Wertheim einerseits und den Auseinandersetzungen der Horneck von Hornberg mit den Grafen von Hohenlohe andererseits verdanken. "Spätmittelalterliche Rechnungen als Quellen zur südwestdeutschen Burgengeschichte" (S. 123-162) sind das Thema von Mark Mersiowsky. Nach einleitenden Ausführungen zum territorialen Rechnungswesen, die auf der einschlägigen Dissertation des Autors fußen, wird die Aussagekraft dieser Unterlagen zu Fragen des Bauwesens, der Wirtschaft, der Kriegsführung und der Alltagsgeschichte verdeutlicht. Neben den gedruckten Hohenberger Quellen sowie Archivalien zu speyerischen und straßburgischen Festen lieferte insbesondere eine Rechnung über die an die Pfalz verpfändete Burg Hohengeroldseck (GLA 111/316) bedeutsame Aufschlüsse (vgl. auch Die Ortenau 1990, S. 105). In dem am Schluß des Bandes stehenden Beitrag von Karl-Heinz Spiess geht es ebenfalls um eine besondere Quellengattung, nämlich um die Vertragsurkunden der Teilhaber an Ganerbenburgen: Burgfrieden als Quellen für die politische und soziale Lage des spätmittelalterlichen Adels, S. 183-201.

Von einem um 1800 verfaßten Sagengedicht des badischen Husarenobersten Heinrich Medicus über die Burgruine Windeck geht Wolfgang Seidenspinner aus (Sagenhafte Burgwelten. Zur Quellenproblematik von Sagen/Volkssagen, S. 163-181), um sich jedoch rasch allgemein der Entstehung der Gattung "Sage" in jener Zeit zuzuwenden. So ertragreich dieser substantielle Beitrag für die Sagenforschung auch ist, ein stärkeres Eingehen auf burgenspezifische Erzählstoffe - etwa die Raubrittersagen (vgl. diese Zeitschrift 141, 1993, S. 136-141) - wäre wünschenswert gewesen. Nachzutragen ist die einschlägige Monographie von Gudrun Keindorf, Wege der Überlieferung. Zu Funktions- und Bedeutungswandel der "Sagen" von der Burg Plesse, 1995.

Leider nur in Form von Zusammenfassungen sind zwei auf der Tagung gehaltene Referate vertreten: Bernhard Metz, Die Burgen im Elsaß nach Schriftquellen, Baubefunden und Grabungen (S. 37-39); Werner Meyer, Abbild und Wirklichkeit. Zum Quellenwert mittelalterlicher und neuzeitlicher Burgendarstellungen (S. 41-43). Ein Register der Personen, Orte und Sachen beschließt den gelungenen Band.

Klaus Graf

Druckfassung erschienen in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 146 (1998), S. 656-657