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Gerhard Sauder

Bücherverbrennung
und Diskursgeschichte

  • Thomas Lischeid: Symbolische Politik. Das Ereignis der NS-Bücherverbrennung 1933 im Kontext seiner Diskursgeschichte (Diskursivitäten. Literatur. Kultur. Medien 4. Hg. v. Klaus-Michael Bogdal / Alexander Honold / Rolf Parr) Heidelberg: Synchron 2001. 277 S. Kart. EUR (D) 34,80.
    ISBN 3-935025-05-X.


Untersuchungen zur Bücherverbrennung 1933 sind nach dem Höhepunkt um 1983 nicht gerade zahlreich. Es lag schon länger in der Luft, die Fakten und Materialien, die bislang in mehreren Darstellungen gesammelt worden sind, auch in der Perspektive einer der neuesten Methoden zu untersuchen. Thomas Lischeid bekennt sich zwar direkt zu keinem akademischen Lehrer oder einer Schule und gehört damit zu den neuerdings zahlreichen jungen Wissenschaftlern, deren Dissertation gleichsam parthenogenetisch entstanden ist. Aber an den 14 Titeln von Jürgen Link im Literaturverzeichnis und den häufigen Rekursen auf seine Schriften läßt sich erraten, daß er in der Schule der >generativen Diskursanalyse< seine wissenschaftliche Prägung erfuhr. Den Gegenstand seiner Erkenntnis möchte er als eine Diskursform bestimmen, in der "elementar-literarische Anschauungsweisen" wirksam sind. Zentrale These ist in diesem Sinne die Behauptung, es habe sich bei der Bücherverbrennung um ein politisches >Symbol< oder, anders formuliert, ein Paradigma >symbolischer Politik< im Kontext der NS-Revolution von 1933 gehandelt.

Symbol und Parabel

Die Metaphern und Symbole, die 1933 in der Presse und in der Polemik verwandt wurden, sammelt Lischeid zunächst und unterzieht sie einer ersten Kritik. >Symbol< sei ein semantischer >Kern<, wodurch die Synonyma des Terminus quasi überstrukturiert würden. Für den Kenner von Walter Benjamins Positionen liegt die These von der >Ästhetisierung des politischen Lebens< nicht fern. Unter den Aspekten des >Symbols<, der erzählerischen Darstellung und Inszenierung des Ereignisses und seiner pragmatischen Dimension als Massensymbol oder auch als >pragmatisch inszenierte Parabel< wird die Untersuchung als "generative Diskursanalyse von Struktur und Funktion des pragmatischen Symbols >Bücherverbrennung 1933<" verstanden. Lischeid wendet sich der Narrativierung des Geschehens zu und spricht von einer >Parabel<. Im Hinblick auf die mediale Wirkung und Wirkungskraft des Ereignisses könne man von einer >theatralischen Symbolhandlung< sprechen.

Diskursanalyse – Diskursrealität

Die bisherige Forschung, die den größten Teil der Quellen bereitgestellt hat, wird sorgfältig beachtet. 1 Es bleibt allerdings – wie auch bei Verweyen 2 – ein Rätsel, warum der umfangreichste Band, der 1983 in der DDR zur Bücherverbrennung erschienen ist, nicht beachtet und zumindest kritisch rezipiert wurde. Wie es bei Dissertationen schlechte Übung ist, wird die Forschung natürlich ohne Ausnahme scharf kritisiert: Sowohl die politische Publizistik als auch die akademische Forschung hätten als ihre Hauptfrage angesehen, das Geschehen um die Bücherverbrennung einer >ethisch-moralischen Bewertung< zu unterziehen, die zu "einem >Nie-wieder< eines solchen Aktionismus motivieren soll" (S. 35). Der Erzähltyp der >Progreßallegorie<, die das Ereignis zu einem singulären Ereignis des Geschichtsprozesses degradiere, wie auch eine interaktionistische Erzählweise nach der Überzeugung, daß Menschen ihre Geschichte machen, und schließlich eine ideologiekritische Untersuchung werden als nicht weit genug reichende Beiträge von Historiographie, Soziologie und Philologie abgewertet. Die ideologiekritische Textanalyse lasse es an Unterscheidung zwischen eigener Metasprache und Objektsprache ihres Erkenntnisgegenstandes fehlen; so komme es zu keinem angemessenen Analyseverfahren. Nur in Ansätzen würden diese Forschungsrichtungen der Diskursivität des Phänomens gerecht.

Vor allem die ideologiekritische Textanalyse verkenne den spezifischen Realitätscharakter des Ereignisses: die >Diskursrealität<. Erstrebt wird eine "Steigerung von Beobachtungsmöglichkeiten" durch die Analyse von Struktur und Funktion symbolischer Redeweisen in verschiedenen Diskursfeldern. Während Ideologiekritik als Methode nach Luhmann die Position eines Beobachters erster Ordnung ermögliche, sei ein Beobachter zweiter Ordnung gefragt, der den "Modus der sekundären wissenschaftlichen Beschreibung der Gesetze und Regeln dieses Prozesses" (S. 37) beherrsche. Vor der konkreten Analyse stehen theoretische Überlegungen zum Verständnis von >Symbol< und >Diskurs<. Für das >Symbol< bedient er sich der "struktural-funktionalen Definition der Symbolkategorie", die Jürgen Link entwickelt hat. Diese Definition wird nicht weiter hinterfragt; Lischeid begnügt sich mit dem kurzen Hinweis auf Peter Kobbes Kritik im älteren Reallexikon (²1980). Der Diskursbegriff wird nach Foucault und Link bestimmt und im Sinne einer >generativen Diskursanalyse< appliziert.

Faschismus und Avantgarde

Der zweite Hauptteil skizziert die historische Genealogie und die Tradition der Bücherverbrennungen in der Vormoderne. Sie finde im 18. Jahrhundert ein Ende, als sich die Überzeugung von der >Diskulturalität< der Bücherverbrennungen in der Öffentlichkeit durchsetzte. Im Sinne von Jürgen Link wird die These vertreten: "Der epochalen >Konkulturalität< der Symbolhandlung in der Vormoderne – dem >Zeitalter des Autodafés< – machte eine tiefgehende >Diskulturalität< Platz."
(S. 45) Im 20. Jahrhundert ist dieses Ereignis als Rückfall in die Vormoderne oder als "kollektive psychohistorische Regression" (Hans Mayer) verstanden worden. Lischeid möchte mit einer neuen These einen anderen Aspekt in die Diskussion einführen: die >Symbolhandlung< sei auch im Zusammenhang mit der zeitgenössischen Avantgarde-Bewegung zu sehen; eines der wichtigsten Paradigmen stelle der faschistische Futurismus dar. In Marinettis Futurismus-Manifest von 1909 sei auch die Aufforderung zu lesen: "Legt Feuer an die Regale der Bibliotheken!" Jünger, Benn, Goebbels und die NS-Studentenverbände zwischen 1932 und 1934 hätten sich zu einer Koalition von Faschismus und Avantgarde bekannt. So lasse sich die Bücherverbrennung zu den frühen Symbolen einer politischen Ästhetik "futuristischer und (prä)faschistischer Avantgarde" (S. 85) rechnen.

So faszinierend der Gedanke sein mag, so dürftig sind hingegen die konkreten Belege einer futuristischen Motivation der Studenten und von Goebbels selbst. Bei ihm findet sich kein einziges Wort, das darauf hinwiese. Aus der Hypothese wird bei Lischeid im Handumdrehen eine scheinbar fundierte These. Allerdings sei diese NS-Avantgarde auf 1933 beschränkt. In seiner diskursanalytischen Metasprache heißt dies dann: "Der kurze Frühling des Autodafés war vorbei"
(S. 87).

Im dritten Hauptteil wird die Bücherverbrennung selbst unter dem Aspekt von >theatralischer Politik< dargestellt und das Ereignis in einem rechtlichen Rahmen im Sinne der "Semantik des großen Ausnahmezustands" gesehen. Immer wieder kommt Lischeid nun auf ein Schema der Linkschen Terminologie zurück, das den >Gegenstand< als >Pictura<, den >Sinn der Aktion< als >Subscriptio< versteht. Ich vermag nicht einzusehen, warum diese Bestandteile eines Emblems im Kontext der Kollektivsymbolik verwendet werden müssen. Von der emblematischen Form her, deren Dreiteiligkeit niemand ernsthaft anfechten wird, ergibt sich dabei nur eine fragwürdige und verkürzende Anleihe.

Ästhetisierung des Autodafés

Das Pragma-Symbol >Bücherverbrennung< wird im Rahmen des Diskursgenres >symbolischer Aktionismus< zwar nicht ausdrücklich als Kunstwerk verstanden, "obgleich es davon Züge annahm". (S. 87) Mit den Begriffen wie >Schock<, >Schrecken<, >plötzlicher Augenblick<, >Überraschung< und >Novum< werden Kategorien der modernen Ästhetik zitiert, die dazu beitragen, die ästhetisierende Sicht der Bücherverbrennung plausibel zu machen. In einer Reihe von Detailuntersuchungen wird die "Symbolik einer nationalen Kulturrevolution" in einzelnen Symbolen analysiert: >Buch< und >Feuer< werden besonders eingehend untersucht. Die Verwendung der Emblemterminologie führt Lischeid zu der Schlussfolgerung, "dass die Symbolik des Ereignisses von dessen Subscriptio aus produziert worden ist. Die Subscriptio der >Kultur-Revolution<, die kairologisch in der Luft lag, suchte sich gleichsam eine entsprechende Pictura und fand diese in der Bücherverbrennung als einer Kombination der aktuell explosiven Äquivalente von >Buch< ⇔ >Kultur< und >Feuer< ⇔ >Revolution<." (S. 112) Im Gefolge der unterstellten Massendynamik schenkt Lischeid den Berichten Glaube, die in vielen Städten von großem Zulauf zu den Bücherverbrennungen sprechen.

Bedenkt man jedoch, dass allein die Zahlenangaben für die Zuschauer für die Berliner Bücherverbrennung beträchtlich schwanken – je nach Bericht eines schon linientreuen Blattes oder je nach Beobachtung eines Augenzeugen wie Erich Kästner oder Golo Mann –, dann darf man solchen >Belegen< gegenüber Skepsis anmelden. Der Aspekt der Medienrevolution, in der nicht nur die Print-Medien, sondern auch Foto, Film und Radioübertragungen funktionalisiert wurden, wird hier natürlich mit Recht berücksichtigt. Lischeid meint, dass der Wille spürbar gewesen sei, "aus dem Geschehen ein Multimedia-Ereignis zu machen". (S. 142) Gelegentlich wird der Bücherverbrennung auch der "Charakter eines >Happenings< " (S. 169) zugesprochen. Die Multiplikation der Bücherverbrennung und ihrer Pictura und der entsprechenden Subscriptiones erscheint Lischeid als eine Art >Symbolmaschine< des NS-Interdiskurses über die >Kulturrevolution der Bücherverbrennung< (S. 164). Ich fürchte, dass jeder Augenzeuge, dessen Bücher ins Feuer geworfen wurden, das Ereignis nicht mit so heiter-ästhetischen Empfindungen betrachtete. Schließlich untersucht Lischeid die Bedeutung der Simulation eines kriegerischen Szenarios mit den häufig verwandten Metaphern von >Schlacht< und >Krieg<.

Noten für die Betroffenen

Ein umfangreiches letztes Kapitel ist den "Stimmen zeitgenössischer Diskurskritik" gewidmet, die mit den Kategorien >Ironie< oder >Gegenpathos< untersucht werden. Es handelt sich um die zahlreichen Stimmen der Betroffenen, der Autoren, Verleger, Journalisten, Wissenschaftler und Politiker, die sich in der ausländischen Presse, in Zeitschriften und Aufrufen gegen die Bücherverbrennungen wandten. Lischeid spricht hier von einer "Gegensymbolik" und fragt nach der Verwendung "diskursiver Tonarten" und lobt sich dabei selbst: "Dies ist ein vielversprechender Weg, um die Reaktionen der Betroffenen, die erstaunlicherweise bisher noch nicht zum Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung geworden sind, in Hinsicht auf ihre Verfahren der Diskursivierung und Symbolisierung des Ereignisses einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen." (S. 173) Natürlich weiß Thomas Lischeid, daß er nahezu ausschließlich Dokumente untersucht, die in den bislang vorliegenden Monographien und Quellensammlungen publiziert wurden.

Die dafür gewählten Kategorien betreffen zum einen die ironischen Aspekte der polemischen Texte, wobei die Ironie einmal der Inszenierungspraxis, zum andern den Symbolfunktionen von >Buch<, >Geist< und >Mensch< gilt. Sogar "Modulationen des Grotesken" sind zu entdecken. Im Kontrast zu diesen ironisierenden Texten stehen zum anderen diejenigen, die mit einem emphatischen Gegenpathos operieren. Dabei fällt häufiger unangenehm auf, in welchem Maße hier Lischeid glaubt, Noten verteilen zu müssen. Die Betroffenen hätten es oft an der kritischen Distanznahme fehlen lassen und sogar öfter die "symbolische Tiefendimension" (S. 179) der Bücherverbrennung vergessen. So käme es zu einem gefährlichen Ungleichgewicht "zwischen pikareskem Aktionismus und politischem Terror". (S. 192) Es darf auch gefragt werden, ob die kritischen Äußerungen von Betroffenen mit "Diskurs-Guerilla" (S. 215) angemessen bezeichnet werden.

Die Kritik an dem Widerstand des Berliner Theaterwissenschaftlers Max Hermann am Plakat, mit dem die "Aktion wider den undeutschen Geist" eröffnet wurde, mag zu immanent und "nationaldeutsch" klingen. Lischeids Bewertung entspricht allerdings wenig der existenziellen Bedrängnis, aus der heraus Hermann an das Preußische Kultusministerium schrieb: "Ich schreibe deutsch, ich denke deutsch, ich fühle deutsch und ich lüge nicht." 3 Ist es kein falscher Zungenschlag, wenn Lischeid "auch einer weiteren jüdischen Stimme" eine "ähnliche Verkennung wie bei Hermann" "bescheinigen" möchte? (S. 220) Immerhin darf man staunen, daß die Diskurskritik für "alternative Optionen" die Frage zuläßt, "ob nicht doch repräsentative symbolische Verbindungen hergestellt werden konnten zwischen dem Autodafé der Bücher von 1933 und entscheidenden Ereignissen der NS-Zeit wie Terror, Krieg und Holocaust." (S. 202) Vielleicht hätte Lischeid dann selbst bemerkt, wie peinlich seine Termini wie "Multimedia-Ereignis", "Happening" oder "Diskurs-Guerilla" bei diesem Thema gegen jedes >aptum< verstoßen.

Der Untersuchung ist scharfsinnige Analyse der seit langem zugänglichen Quellen und Dokumente zuzubilligen. Der knapp beschriebene Diskursbegriff und die Affirmation gegenüber Links Symboltheorie sollen hier nicht weiter in Frage gestellt werden. Das Reduktionsmodell der Emblematik bedürfte eigener Begründungen. Verglichen mit der Studie von Theodor Verweyen und seiner sinnvollen Applikation von W. Braungarts Ritualbegriff 4 hat sich Lischeid einer weiteren Möglichkeit begeben; gewiß wäre der Ritualbegriff in seine Methodologie zu integrieren gewesen.

Philologische Defizite

Ärgerlich ist der allzu häufige inkorrekte Umgang mit den Quellen: Sekundärzitate ohne entsprechende Markierung sind die Norm. Nicht selten wird dann auch noch fehlerhaft zitiert. Die Bibliographie versammelt Quellen und wissenschaftliche Literatur in einem Alphabet. Lischeid scheut sich nicht, die von ihm offenbar nicht selbst eingesehenen Aktenstücke und Zeitungsartikel etc. unter den bibliographischen Einheiten eigens zu nennen. Anständigerweise wäre jeweils ein "zit. n. [...]" anzufügen gewesen. Zum Beleg gebe ich nur ein Beispiel: In meiner Dokumentation zitiere ich auf S. 267 f. eine Rede von Goebbels, die am 16. Mai 1933 im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel erschien. Wenn es bei mir heißt, "[...] habe ich diesen Studenten in Berlin gesagt", so schreibt Lischeid: "habe ich den Studenten gesagt" (S. 131). Das Selbstzitat von Goebbels von "Wer den Mut hat zum Niederreißen" bis zum "Aufbauen" ist im Original kursiviert, bei Lischeid nicht. Nach "Die Wege bereit zu machen" steht im Original "(großer Beifall)" – bei Lischeid nur ein Schlußzeichen, ohne jede Funktion an dieser Stelle. Nach "was schädlich wurde" heißt es im Original "haben Sie Ihre Pflicht zu sehen" – bei Lischeid wird der Teilsatz ohne Kennzeichnung ausgelassen.

Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, alle Quellen, die sich in meiner Dokumentation finden, mit den Lischeidschen Sekundärzitaten zu vergleichen. Aber ein Beispiel dieser Art läßt einiges vermuten! Es ist fatal, daß Sünden gegen philologische Exaktheit, die normalerweise in Proseminaren gerügt werden, in einer Dissertation gang und gäbe sind, die mit hohem theoretischem Anspruch daherkommt. Die philologische Gipfelleistung besteht in dem vierfachen Fehlzitat der Heine-Zeilen aus Almansor: Jedes Mal heißt es gegen den Wortlaut Heines "verbrennt man am Ende auch Menschen" (S. 18, 19, 36, 61). Hätte Lischeid eine Ahnung vom Blankvers, wäre ihm wohl selbst aufgegangen, daß das "auch" an dieser Stelle nicht stehen kann. Richtig heißt die Zeile "verbrennt man auch am Ende Menschen". Zu einzelnen Fehlern nur einige Beispiele: Wer kennt einen "aristotelischen Punkt"? (S. 156); fand das Wartburgfest tatsächlich "in der Nähe Wittenbergs" statt? (S. 52) Die Stadt Eisenach liegt etwas näher! In welchem literaturwissenschaftlichen Sachwörterbuch findet sich der Terminus "Picarda-Figur" (S. 189, 191)? Lischeid hat sie neu geschaffen und meinte wohl eine >Picara-Figur<, die bekanntlich nicht aus der Picardie, sondern aus Spanien stammt. S. 44 ist die Jahreszahl vertauscht: Statt "Anno 1364" muß es natürlich "1634" heißen, S. 47 statt "habsburgerische" natürlich "habsburgische". Die Zeitschrift "Das Schwarze Korps" gab es vor 1933 noch nicht; sie wurde erst 1935 gegründet (S. 141); Stefan Zweig konnte 1944 nichts mehr "bekennen" (S. 67) – er schied 1942 aus dem Leben.

Der Diskurs
sucht seine Bücherverbrennung

So muß am Ende nach dem innovativen Wert dieser Studie gefragt werden. Die Futurismusthese ist reizvoll, entbehrt aber ganz einfach der überzeugenden Fundierung mit Texten. Weder von Goebbels noch aus seinem Ministerium oder von Seiten der Organisatoren aus der "Deutschen Studentenschaft" ist ein Sterbenswörtlein überliefert, das diesen schönen Einfall stützen würde. Der Anspruch auf eine Metasprache, die quasi in einer zweiten Ebene über den Diskursen der Dokumente schweben könne, wird nur partiell eingelöst. Peinlicherweise fällt sie in der wichtigen Zentralthese mit der von Goebbels und anderen Feuer-Rednern gewählten Metaphorik zusammen: Sie alle nannten die Bücherverbrennung eine "symbolische Handlung". Von hier bis zur "symbolischen Politik" von Thomas Lischeid ist der Weg über die Diskurse recht kurz. Konsequent gehört der >Diskursrealität< alles Interesse, so dass die Bücherverbrennungen selbst häufig nicht stattfinden, obwohl sie doch den "Charakter eines >Happenings< " zeigen konnten. Die >Subscriptiones< waren auf der Suche nach einer >Pictura< und fanden – fast zufällig – die Bücherverbrennungen. Aber im Sommer 1933 trat "der Tod des Pragmasymbols >Bücherverbrennung< ein, nachdem es erst kurz zuvor (wieder-) geboren war." (S. 134)


Prof. Dr. Gerhard Sauder
Universität des Saarlandes
FR 4.1 Germanistik
Postfach 15 11 50
D - 66041 Saarbrücken
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Ins Netz gestellt am 15.07.2003
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Diese Rezension wurde betreut von der Redaktion IASLonline. Sie finden den Text auch angezeigt im Portal Lirez – Literaturwissenschaftliche Rezensionen.

Redaktionell betreut wurde diese Rezension von Karoline Hornik.


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Anmerkungen

1 In jenen Tagen ... Schriftsteller zwischen Reichstagsbrand und Bücherverbrennung. Eine Dokumentation. [zusammengestellt von Friedemann Berger, Vera Hauschildt und Roland Links, unter Mitarbeit von Sigrid Bock. Mit einem Geleitwort von Jürgen Kuczynski]. Leipzig und Weimar 1983.   zurück

2 Theodor Verweyen: Bücherverbrennungen. Eine Vorlesung aus Anlass des 65. Jahrestages der "Aktion wider den undeutschen Geist". (Beihefte zum Euphorion 37) Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter 2000. Siehe hierzu auch die Rezension bei IASLonline von Prof. Dr. Gerhard Sauder.    zurück

3 Zit. n. Die Bücherverbrennung. Zum 10. Mai 1933. Hrsg. von Gerhard Sauder. München / Wien ²1983, S. 102.   zurück

4 Wolfgang Braungart: Ritual und Literatur. Tübingen 1996.   zurück