Anna Leisner untersucht das Spannungsverhältnis zwischen dem grundgesetzlichen Gebot der Rechtskontinuität und der Dynamik einer volkssouveränen Demokratie. Sie exemplifiziert die Ergebnisse ihrer Untersuchung in ihren gewaltenspezifischen Ausprägungen an Rechtsfragen des Steuerrechts.
Gegenstand dieser Untersuchung sind die dogmatische Entfaltung und die praktische Wirkungsweise eines Gebots der Rechtskontinuität im Sinne einer Fortentwicklung des Rechts in jeweils schonenden Übergängen ohne abrupte „Brüche“. Anna Leisner erstellt zunächst eine wissenschaftstheoretische Begriffsbestimmung des Kontinuums und Kategorien für eine rechtliche Kontinuitätsdogmatik. Sodann untersucht sie den Forschungsstand zur Kontinuität aus Sicht von Rechtsanthropologie, -philosophie, -soziologie und –semiotik, sowie bisherige Überlegungen zu einem Schutz der Kontinuität im neueren öffentlich-rechtlichen Schrifttum und in der Rechtsprechung. Hierauf aufbauend wird eine Dogmatik der Rechtskontinuität als eines objektiv-rechtlichen Verfassungsprinzips entfaltet.
Seine zentrale Rechtsgrundlage hat dieser Grundsatz im Prinzip der Gleichheit in der Zeit, bereichsspezifische Ausprägungen erfährt er in den verfassungsrechtlichen Freiheitsrechten, institutionalisierte Verfestigungen finden sich in den grundrechtlichen Einrichtungsgarantien – vom Schutz der Staatsangehörigkeit über die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung bis zur Sicherung des Berufsbeamtentums. Die Dynamik der Demokratie steht zu einem derartigen Schutz in einem Spannungsverhältnis, das sich jedoch verfassungsrechtlich lösen läßt. Abschließend werden die Ergebnisse der Untersuchung an Rechtsfragen des Steuerrechts erprobt. Hier verdeutliche die Autorin die Wirkung des im Grunde mehr progressiven denn konservativen Grundsatzes der Rechtskontinuität als zeitgemäßer rechtlicher Kanalisierung fortlaufenden Wandels in Beständigkeit.