Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Duden, Praxiswörterbuch zur neuen Rechtschreibung


99-1/4-495
Duden, Praxiswörterbuch zur neuen Rechtschreibung / hrsg. und bearb. von der Dudenredaktion. [Red.: Werner Scholze-Stubenrecht (Projektleitung). Beratende Mitarb.: Gesellschaft für Deutsche Sprache, Wiesbaden]. - Mannheim [u.a.] : Dudenverlag, 1998. - 431 S. ; 23 cm. - ISBN 3-411-70611-2 : DM 24.90
[5290]

Offensichtlich um die Umstellung der deutschen Presse zu beschleunigen und dadurch die Umsetzung der Reform endgültig zu besiegeln, brachte der Dudenverlag im November 1998 ein Praxiswörterbuch heraus, das einzige nahezu rein orthographische Wörterbuch unter den hier besprochenen. Es enthält 40.000 Einträge und beansprucht ausdrücklich, zwar nicht amtlich zu sein, sich aber im Rahmen der amtlichen Regelung zu halten, so daß, wer sich danach richtet, "korrekt" im Sinne der amtlichen Regelung schreibe. Seine Besonderheit liegt darin, daß es von den möglichen Varianten jeweils nur eine einzige auswählt und "empfiehlt". Daß es noch andere zulässige Schreibweisen geben mag, braucht in der Tat nur den korrigierenden Lehrer zu interessieren. Für den Praktiker in Zeitungsredaktionen usw. ist die "Einheitlichkeit" wichtiger. Mit derselben Begründung hatte zu Beginn des Jahrhunderts das Druckgewerbe eine stärker eingeschränkte Orthographie verlangt und erhalten - den sogenannten Buchdruckerduden. Freilich galt es damals nicht, offenkundige Grammatikfehler der amtlichen Rechtschreibung zu vertuschen, wie es heute der Fall ist.

Im Vorwort wird behauptet: "Alle im DUDEN-Praxiswörterbuch angegebenen Schreibungen entsprechen dem neuen amtlichen Regelwerk." Diese Behauptung ist falsch. Das Praxiswörterbuch geht in der eigenmächtigen Wiederherstellung von reformbedingt aufgegebenen Schreibweisen und Zusammensetzungen noch viel weiter als der Rechtschreib-Duden. War dort bereits der Schwerbehinderte eine bewußte Abweichung von den neuen Vorschriften, so kommt nun das wiederhergestellte Adjektiv schwerbehindert hinzu, und zwar mit der nachgeschobenen Begründung, es sei "fachsprachlich" und somit von der Neuregelung nicht betroffen. Mit derselben Begründung wird blindschreiben gerettet, nachdem der Rechtschreib-Duden die Neuschreibung blind schreiben mit Rotdruck als einzig zulässig "einzubläuen" versucht hatte. Auf diese Weise hätten Hunderte von weiteren Wörtern wie eisenverarbeitend, fleischfressend usw. wiederherstellt werden können, wozu sich aber die Redaktion bisher noch nicht entschließen konnte. Immerhin, der Weg ist vorgezeichnet: Von notleidenden Krediten im Gegensatz zur Not leidenden Bevölkerung weiß der Rechtschreib-Duden so wenig wie die amtliche Regelung; das Praxiswörterbuch hat dies unter dem Eindruck der Kritik eigenmächtig hinzuerfunden.

Die Bearbeiter von Duden, Bertelsmann und Wahrig hatten sich in den letzten Monaten immer wieder zusammengesetzt, um - zum Teil gemeinsam mit der Zwischenstaatlichen Kommission - ein halbwegs einheitliches Erscheinungsbild der Wörterbücher auszuarbeiten, weil die zahllosen Abweichungen nicht eben verkaufsförderlich waren. Angesichts dieser gemeinsamen Interessen wirkte der Alleingang des Dudenverlags als Provokation. Bertelsmann wehrte sich mit einem Rundschreiben an die deutschen Buchhandlungen, worin empfohlen wurde, den Bertelsmann-Herausgeber Götze zu einem aufklärenden Vortrag einzuladen. Der Streit eskalierte nach der oben erwähnten Geschenk- bzw. Entsorgungsaktion von Bertelsmann/GEW in Schleswig-Holstein.[1]

Wahrig (Bertelsmann)


[1]
Zum weiteren Fortgang vgl.: Wa(h)re Rechtschreibung : Wörterbuchstreit dauert an. // In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. - 166 (1999),14, S. 12 - 13. (zurück)

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