Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Internet für Althistoriker und Altphilologen


99-1/4-412
Internet für Althistoriker und Altphilologen : eine praxisorientierte Einführung / Dieter Kaufmann ; Paul Tiedemann. - Darmstadt : Primus-Verlag, 1999. - XII, 186 S. : Ill. ; 24 cm. - ISBN 3-89678-110-3 : DM 34.00
[5529]

Von den Internet-Führern aus dem Primus-Verlag ist inzwischen rund ein Dutzend erschienen, von denen auch einige bereits in IFB rezensiert wurden.[1] Wie die anderen Internet-Ratgeber - übrigens alle mit dem kryptischen Zusatz eine praxisorientierte Einführung versehen - besteht auch dieser Band aus 3 Teilen: 1. Einführung in das Internet, 2. Wichtige Internet-Adressen für Althistoriker und Altphilologen, 3. Publizieren im Internet. Da die Teile 1 und 3 in den Internet-Führern aus diesem Verlag beliebig austauschbar sind und bereits besprochen sind (sie machen im vorliegenden Fall fast die Hälfte des Bandes aus), braucht darauf nicht näher eingegangen zu werden. Bemerkt sei nur, daß es bekanntermaßen allgemeine Einführungen zum Internet sowie zum Gestalten von Web-Sites in kaum überschaubarer Menge gibt.

Der Internet-Führer wendet sich an eine Klientel, die erfahrungsgemäß nur schwer für die EDV zu gewinnen ist,[2] worauf auch im Vorwort (S. XII) hingewiesen wird. Der Vorteil des Internet für text- und quellenorientierte Fächer wie Alte Geschichte und Klassische Philologie liegt auf der Hand: Lateinische oder griechische Texte, die (vom heimischen) PC eingesehen werden können, stellen eine erhebliche Arbeitserleichterung dar, wenn es gerade darum geht, ein Zitat zu verifizieren oder eine Textstelle nachzulesen. Der Gang in die Bibliothek entfällt. Fürs Zitieren können die Online-Texte übernommen, bzw. bearbeitet werden. Auch sonst kann man sich irgendwie über fast alles, was die Antike betrifft informieren.

Die Auswahl - Vollständigkeit wurde und konnte auch nicht angestrebt werden - der Internet-Adressen orientierte sich an "Qualitätsmerkmalen" sowie "fachrelevanten Gesichtspunkten" (S. XI), die nicht näher erläutert werden, obwohl doch hier das eigentliche Problem liegt. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit man eine Web-Seite weiterempfehlen oder anbieten kann, sei es in einem Internet-Führer oder sei es, daß eine Bibliothek ein Link dorthin legt. Meines Wissens gibt es einen derartigen Qualitätskatalog noch nicht. Die systematische Adressen-Sammlung im zweiten Teil des Bandes ist teils annotiert, teils nicht. Stichproben ergaben, daß die meisten Adressen noch aktuell sind. Die Annotationen sind eher dürftig und geben bisweilen nur das wieder, was auch schon auf den Web-Seiten zu lesen ist: "Eine wirklich riesige Bibliographie zum Thema Homosexualität ..." (S. 78, zu 6.12), "Hier findet man alles zu den Olympischen Spielen von der Antike bis heute ..." (S. 77, zu 6.10), "Unter den mehr als 3000 Links dieser Adresse finden sich sowohl für Althistoriker, aber auch für Archäologen interessanten Seiten" (S. 72, zu 6.2). Nicht nur einen Wissenschaftler würde noch interessieren, wieviele Titel eine Bibliographie enthält, seit wann es sie gibt, von wem sie erstellt wurde, wann sie aktualisiert wird, wie das Verhältnis zu anderen Spezialbibliographien ist, etc. Bei den Volltextsammlung ist es wichtig, zu erfahren, von wem sie wie erstellt wurden und auf welcher Textgrundlage etc. Natürlich ist es sehr arbeitsaufwendig, solche Informationen zu eruieren und auch noch in einem kritischen Kommentar zu verarbeiten, der über die obigen Zitate hinausgeht. Aber erst dann ist ein Internet-Führer sinnvoll. Über thematischen Seiten bzw. über ein bis zwei einschlägige Seiten zu den Altertumswissenschaften, kann heute jeder einige Dutzend Links zusammentragen. Die Kunst liegt in der kritischen Bewertung. Armselig wird es, wenn über mehrere Seiten Internet-Adressen einfach hintereinander aufgeführt werden, ohne irgendeine Annotation (z.B. S. 78 - 81 und S. 107 - 110). Halbseitige Screenshots und die teilwiese sehr ausführliche, jedoch wiederum unkommentierte Wiedergabe von Inhaltsverzeichnissen der Web-Seiten erwecken den Eindruck, als habe man Material benötigt, um die Seiten zu füllen.

Die Formulierungen auf S. 119 - 120 (Kapitel 13. Bibliotheken und Verlage) zeigen, daß den Verfassern[3] das System der Sondersammelgebietsbibliotheken fremd geblieben ist. Über die unterschiedlichen Formen der Dokumentbeschaffung, die das Internet bietet, wissen sie gleichfalls nichts zu sagen.

Fazit: Wissenschaftliche Bibliotheken brauchen dieses Buch nicht. Es gehört zu der Sorte, die sich an alle Interessierten wendet: "Ein nützlicher Leitfaden für jeden, der im Cyberspace zum Thema Altertum unterwegs ist" (Hinterer Umschlag).

Kai Heßling


[1]
Internet für Philosophen. - Rez.: IFB 98-1/2-070. (zurück)
[2]
Leider findet sich im Kapitel 1.3 (Der Zugang zum Internet) kein Hinweis darauf, daß Bibliotheken ihren Benutzern in der Regel einen kostenlosen Zugang zum Netz gewähren und vielfach sogar Hilfestellung bzw. Linksammlungen anbieten können. (zurück)
[3]
Ersterer ist Lehrer für Latein und Biologie, letzterer amtiert als Richter. (zurück)

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