Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Repertorium territorialer Amtskalender und Amtshandbücher


99-1/4-385
Repertorium territorialer Amtskalender und Amtshandbücher im Alten Reich : Adreß-, Hof-, Staatskalender und Staatshandbücher des 18. Jahrhunderts / Volker Bauer. - Frankfurt am Main : Klostermann. - 25 cm. - (Ius commune : Sonderh. ; ...)
[4456]
Bd. 1. Nord- und Mitteldeutschland. - 1997. - VI, 733 S. - (... ; 103). - ISBN 3-465-02957-7 : DM 228.00, DM 205.20 (Reihen-Pr.)
Bd. 2. Heutiges Bayern und Österreich, Liechtenstein. - 1999. - VI, 609 S. - (... ; 123). - ISBN 3-465-03038-9 : DM 188.00, DM 169.20 (Reihen-Pr.)

Innerhalb der Gattung der Amtsdruckschriften kommt den Amtskalendern und -handbüchern eine besondere Bedeutung zu. Das Standardwerk von Martin Haß aus dem Jahre 1907 hebt hervor: "...in den Bibliotheken und Archiven werden sie als wertvolle Besitzstände mit besonderer Sorgfalt gehütet und bewahrt, von den Antiquaren nur zu hohen Ladenpreisen abgegeben."[1]

Zwar waren die meisten der Amtskalender als traditionelle Kalender konzipiert gewesen, mit Kalendarium, astronomischen, teilweise auch astrologischen Daten und Wetterregeln versehen, jedoch überwog in der Blütezeit der Amtskalender im 18. Jahrhundert, der nicht-kalendarische Teil in Umfang und Bedeutung, gelegentlich wurde auch auf den Kalenderteil ganz verzichtet. Gemeinsam ist jedoch allen Amtskalendern ein Verzeichnis öffentlicher Amtsinhaber, das zumindest die wichtigsten Staats- und Hofbeamte wie Militärangehörige umfaßt, meist noch Angaben zur Genealogie des regierenden Fürstenhauses macht und im übrigen eine Vielzahl von Angaben zur Staatsstatistik und Demographie, zur Verwaltungsgliederung und zur kirchlichen Administration, zu den Bildungseinrichtungen und Universitäten enthalten kann und häufig noch durch eine Reihe von amtlichen oder halbamtlichen Mitteilungen wie Postkursen, Messeterminen oder Torschlußzeiten ergänzt wird. Neben dem traditionellen Kalendergebrauch stand von Anfang an der höfisch-zeremonielle Gebrauch der Staatskalender wie auch ihre Nutzung als staats-statistisches Handbuch. Die Vielzahl der deutschen Territorien im 18. Jahrhundert dürfte die Verbreitung der Staatskalender in Deutschland gefördert haben, sahen doch deren Herausgeber, die fast immer zum administrativen Apparat gehörten und meist auf Veranlassung des Souveräns tätig wurden, in dem Staatskalender ein Abbild der staatlichen Souveränität. Für den historisch Tätigen haben die Amtskalender in vielerlei Sicht einen besonderen Nutzen: Zum einen - das wird meist auch besonders hervorgehoben - für die biographisch-prosopographische Einzelrecherche, dann jedoch als Quelle für die Territorialgeschichte ebenso wie für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte und schließlich als wichtiges Hilfsmittel für den Genealogen.

Indes zählen die Amtskalender und -handbücher zu der bibliothekarisch nicht einfach zu bearbeitenden Literatur. Die Frage, ob es sich dabei um Archiv- oder Bibliotheksmaterial handelt, ist letztendlich müßig, als gedruckte und publizierte - wenn auch meist unter Umgehung des Buchhandels verbreitete - Werke fallen sie zweifelsohne unter den Sammelauftrag einer wissenschaftlichen Bibliothek. Dennoch dürfte das Zitat eines Archivars aus dem Jahr 1955 auch heute die Wirklichkeit nicht allzu sehr verzerren: "Mit amtlichen Druckschriften beschäftigen sich die Archive selten oder nie aus Pflicht und nur gelegentlich aus Neigung, die Bibliotheken fast nur aus Pflicht, kaum jedenfalls aus Neigung..."[2]

Der Grund dafür dürfte unter anderem in der nur unzureichenden Verzeichnung dieser überdies nicht einfach zu katalogisierenden Gattung zu suchen sein. Diesem Mangel will das Repertorium von Volker Bauer abhelfen, das auf ein von der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel gefördertes Projekt zurückgeht. Die nun vorliegenden ersten beiden Bände bieten eine auf Autopsie beruhende Beschreibung der im Alten Reich, also bis 1806, erschienenen Amtskalender und Amtshandbücher deutscher Territorien, wobei Bd. 1 die Staatskalender 27 nord- und mitteldeutscher Staaten, Bd. 2 die von 21 auf dem Gebiet des heutigen Bayerns, Österreichs und Liechtensteins liegender Territorien beschreibt. Die Erschließung der vom Bearbeiter bereits ermittelten Amtskalenderserien Süddwestdeutschlands und der rheinischen Territorien wird einem weiterem Band vorbehalten bleiben.[3] Die Beschreibung ist ungewöhnlich ausführlich und beschränkt sich nicht auf die Verzeichnung der Serien, sondern beschreibt jeden einzelnen, durch eine Kennziffer identifizierbaren Band. Der Autor legt ein zehn Kategorien umfassendes Schema zur Formalerschließung zugrunde, das sich an den Grundsätzen bibliothekarischer Formalkatalogisierung orientiert. Besitznachweise mit den entsprechenden Signaturen werden ebenfalls aufgeführt, jedoch hat der Bearbeiter darauf verzichtet, "das Vorhandensein jeder bibliographischen Einheit in sämtlichen besuchten Institutionen zu vermerken" (Bd. 1, S. 134 - 135). Darüber hinaus bietet das Repertorium eine inhaltliche Klassifizierung, die sich 11 übergeordneter[4] und 65 einzelner Kategorien bedient.

Keiner der Kalender enthält alle Kategorien, andererseits ist das Kategorienschema so durchdacht, daß sich mit ihm die aufgenommenen Staatskalender fast vollständig inhaltlich klassifizieren lassen. Nur für die Beschreibung lokaler Besonderheiten - so z.B. der Gezeitenkalender der Hansestädte - muß auf eine zusätzliche verbale Beschreibung zurückgegriffen werden. Da viele insbesondere der älteren Amtskalender nur schwer zugänglich sind und daher die Arbeit mit ihnen fast immer eine Bibliotheksreise voraussetzt, ist in der inhaltlichen Klassifizierung, die eine Vorauswahl ermöglicht, der eigentliche und spezielle Wert dieses Verzeichnisses zu sehen. Zwar wird für den historisch arbeitenden Forscher das Personalverzeichnis, das wie die Klassifikation des Repertoriums deutlich zeigt, in nahezu allen Kalendern in weitgehender Vollständigkeit enthalten ist, der entscheidende Teil der Staatskalender bilden, doch auch hier kann das Repertorium über den Umfang des Personalteils Auskunft geben. Eine eigenständige Erschließungsfunktion wird das Repertorium jedoch besonders für die nur in einzelnen Amtskalendern enthaltenen Inhaltskategorien haben, wie z.B. die Höfische Informationen oder die für den Wirtschafts- und Sozialhistoriker besonders wichtige Kategorie Statistik. Gerade der Umfang der statistischen Angaben nahm im Laufe der Zeit deutlich zu und spiegelt damit auch zugleich einen Wandel vom Hof- zum Staatskalender wider.

Der ausführliche Einleitungsteil, den Bauer Bd. 1 des Repertoriums voranstellt, geht über eine eigentliche Einleitung weit hinaus und stellt als grundlegende gattungsgeschichtliche Einführung den Forschungsstand zu diesem speziellen Literaturtypus dar. Daneben nimmt Bauer eine - teilweise auch quantitative - Auswertung seiner Erschließungsarbeiten vor, dem sich eine sehr umfangreiche Bibliographie zum Amtskalenderwesen anschließt.

Das Repertorium stellt für alle, die im Bereich der Territorialgeschichte und der biographisch-prosopographischen Einzelrecherche forschen, ein wichtiges Nachschlagewerk dar. Aus bibliothekarischer Sicht ist lediglich der Wunsch nach dem vollständigen Aufführen aller Besitznachweise offen geblieben, die zweckmäßigerweise auch in der ZDB und in den Verbundkatalogen erfolgen sollte.[5]

Klaus-Rainer Brintzinger


[1]
Die preußischen Adreßkalender und Staatshandbücher als historisch-statistische Quellen / Martin Haß. // In: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte. - 20 (1907), S. 133 (zurück)
[2] Amtliche Drucksachen / Friedrich Facius. // In: Der Archivar. - 8 (1955), S. 209. (zurück)
[3] Insgesamt hat der Bearbeiter 90 Amtskalenderserien von 73 Territorien des Alten Reiches ermitteln können. Neben den südwestdeutschen und rheinischen Territorien fehlen in den ersten beiden Bänden auch noch die Amtskalender des Deutschen Ordens und der Johanniter. Vgl. Bd. 1, S. 16 - 17. (zurück)
[4]
Vorstücke, Kalendarium, Praktik und Prognostik, Personalverzeichnis, Genealogie, Höfische Information, Gelehrte Beiträge, Statistik, Literarische Beiträge, Amtliche Bekanntmachungen, Sonstiges. (zurück)
[5]
Bauer (S. 6 - 7) beklagt nicht zu Unrecht, daß viele Bibliotheken ihre älteren Bestände noch nicht an die ZDB gemeldet haben. Auch bereitet die Extraktion spezieller Textsorten (also etwa der Amtskalender) aus der ZDB Probleme, die sich nur durch eine spezielle Markierung lösen ließen, was aber die ZDB als allgemeine Zeitschriftendatenbank (die bereits lange existierte, bevor Bauer sich mit alten Amtskalendern beschäftigte) nicht leisten kann. Daraus den Schluß zu ziehen, daß sich die ZDB "als ein in der Handhabung extrem unkomfortables Instrument (erweist)", ist ebenso einseitig (nämlich aus dem engen Interessenspektrum von Bauer gesehen) wie unangemessen. Vielleicht hätte er auch statt der Mikrofiche-Ausgabe, die er offensichtlich benutzt hat, die seit Jahren verfügbare CD-ROM-Ausgabe benutzen sollen. [sh] (zurück)

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