Entsprechend der Brisanz des Themas stehen vor dem lexikalischen Teil auf 46 Seiten mehrere Vorreden. Nach einer Einführung in die Benutzung des Lexikons und einer grundsätzlichen Bemerkung zur Erhebung der im Lexikon enthaltenen statistischen Zahlen, werden im Teil Definitionen die im lexikalischen Teil benutzten Begriffe Völkermord, Genozid, Ethnozid, Politizid und Demozid genauer umrissen; es folgen eine kleine Abhandlung zum Verhältnis von Ethik und Völkermord, eine Übersicht über die noch junge "Völkermordforschung" sowie zum Schluß tabellarische quantitative Gesamtübersichten.
Der lexikalische Hauptteil umfaßt 306 Seiten. Die Artikel, nach Opfern und Tätern gekennzeichnet, umfassen vor allem geographische, ethnische, historische und ideologische Begriffe. Daneben sind auch einzelne Personen aufgeführt, die sich beim Völkermord besonders hervorgetan haben, ebenso einzelne völker- und menschenrechtliche Begriffe, Chartas und Organisationen. Die Artikel sind stets durch Literaturhinweise ergänzt. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis von 97 S. schließt das Lexikon ab.
Die Artikel sind knapp, aber aussagekräftig mit Angaben zu Ort, Zeit, Ursache, Anlaß, Ablauf und zahlenmäßigem Umfang der Opfer. Der Inhalt deckt Geschichte und Gegenwart (geschilderte Vorfälle bis 1994, Literatur ausgewertet bis 1998) fast lückenlos ab; als Lücke fielen nur die Wikinger auf.
Die Erschließung des Lexikons ist trotz fehlendem Register dank der Verweisungen ausreichend, auch wenn man die eine oder andere Verweisung vermißt: Die Stichwörter sind nach dem deutschen Sprachgebrauch gewählt, was manchmal etwas schief klingt, und z.B. von Hottentotten die Rede ist, was für die fünfziger Jahre vielleicht so noch gestimmt hätte, wird heute dieser südwestafrikanische Stamm wohl eher unter dem Namen Nama gesucht; zumindest eine Verweisung wäre also angebracht gewesen.
Insgesamt ist das Lexikon der Völkermorde eine sinnvolle Anschaffung für öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken, da hier Sachverhalte erschlossen werden, die z.B. in Universallexika oder in fachspezifischen Nachschlagewerken (noch) nicht hinreichend berücksichtigt sind. Aber auch aus politischen Gründen ist eine breite Beschaffung wünschenswert.
Jürgen Plieninger