Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Medioevo musicale


99-1/4-303
Medioevo musicale : bollettino bibliografico della musica medievale = Music in the middle ages / direttore: Clemente Terni. [Fondazione Ezio Franceschini, Sezione Musica Matilde Fiorini Aragone, Firenze]. - Tavarnuzze (Firenze) : SISMEL - Edizioni del Galluzzo. - 25 cm. - (SISMEL - Edizioni del Galluzzo, Via di Colleramole 11, I-50029 Tavarnuzze, FAX 0039 055 237 34 54)
[5516]
1. [1991/95] (1998). - XXXIV, 446 S. - ISBN 88-87027-23-4 : Lit. 190.000

Unter der Ägide der rührigen Società Internazionale per lo Studio del Medioevo Latino (SISMEL), die ihren Sitz in der imposanten Certosa del Galluzzo bei Florenz hat, tritt seit kurzem der Verlag SISMEL - Edizioni del Galluzzo mit einem rasch wachsenden Angebot von Monographien, Reihen und Zeitschriften zur mittelalterlichen Kultur- und Literaturgeschichte hervor. Als Keimzelle des Verlagsprogramms hat die nunmehr im zwanzigsten Jahr erscheinende, monumentale Jahresbibliographie Medioevo latino (s.o. IFB 99-1/4-224) zu gelten, die sich der altehrwürdigen Année philologique zu Seite stellen darf und mit jährlich über 10.000 Einträgen umfassend über die Erforschung des von der lingua franca Latein geprägten europäischen Mittelalters informiert. In enger Verbindung zur SISMEL stehen die Fondazione Ezio Franceschini und ihre Sezione Musica Matilde Fiorini Aragone, die mit Hilfe eigener und staatlicher Ressourcen das Wissenschaftsmanagement und die biobibliographischen Vorhaben der SISMEL unterstützen, darunter auch den hier anzuzeigenden ersten Band einer Bibliographie zur mediävistischen Musikwissenschaft.

Auf den reichen und wohlgeordneten bibliographischen Daten aufbauend, die für Medioevo latino in zwanzig Jahren gesammelt wurden, legt ein Team unter der Oberaufsicht von maestro Clemente Terni und unter der redaktionellen Leitung von Sofia Lannutti nunmehr eine Spezialbibliographie zu allen Aspekten der mittelalterlichen Musik vor: Medioevo musicale. Dabei reicht der Zeitrahmen, den sich die Bearbeiter gesetzt haben, vom frühen Christentum bis in die Zeit um 1500. Der Berichtszeitraum von Bd. 1 umfaßt die Jahre 1991 bis 1995 (verzeichnet sind jedoch auch Studien aus den achtziger Jahren, wenn sie im Berichtszeitraum rezensiert wurden); ab Bd. 2 sollen jeweils die aktuellen Veröffentlichungen bis zum Erscheinungsjahr verzeichnet werden. Die Mitarbeiter haben neben den für sie erreichbaren Monographien und Sammelbänden rund 100 einschlägige Zeitschriften ausgewertet und auf dieser Basis insgesamt 1642 Titel zusammengetragen; dazu kommt noch die Diskographie mit 313 Aufnahmen mittelalterlicher Kompositionen. Nicht wegen letzterer, sondern wegen der Berücksichtigung der Musik in den volkssprachlichen Bereichen bietet Medioevo musicale weit mehr Titel als in der Sektion Musik von Medioevo latino. Soweit die Bearbeiter von Medioevo musicale die angezeigten Aufsätze und Monographien direkt auswerten oder auf aussagekräftige Besprechungen zurückgreifen konnten, sind den bibliographischen Angaben mehr oder weniger ausführliche Inhaltsangaben (in italienischer, in geringerer Zahl in englischer Sprache) beigegeben, die für eine erste Orientierung sehr hilfreich sind.[1]

Im Mittelalter nahm die Musik als eine der sieben freien Künste (artes liberales) an der Seite der mathematisch ausgerichteten Disziplinen Arithmetik, Geometrie und Astronomie einen festen Platz im allgemein verbindlichen Bildungskanon ein und entfaltete in diesem Rahmen vor allem mit ihren Lehren von Harmonie, Proportion und Zahlensymbolik große Wirkung. Von größter praktischer Bedeutung waren Kenntnisse im Bereich der Musik für jede kirchliche Gemeinschaft, die eine Vielzahl unterschiedlichster liturgischer Feiern festlich zu gestalten hatte. Und schließlich ist an die seit dem 12. Jahrhundert rasch anschwellende weltliche und volkssprachliche Dichtung zu erinnern, die zum überwiegenden Teil zum Vortrag mit musikalischer Begleitung bestimmt war. Die vielfältigen Verbindungen der Musik zu den übrigen Künsten und Wissenschaften spiegelt sich im Aufbau der Bibliographie wider, die sich in sechs Hauptteile gliedert.

In Teil 1 finden sich in alphabetischer Ordnung die Einträge zu einzelnen Autoren (Komponisten, Dichtern, Musiktheoretikern) und anonymen Texten, ferner zur vita musicale in größeren geographischen Einheiten und an einzelnen Orten (Bibliotheken, Klöster, Städte, Universitäten); außerdem finden hier Arbeiten zur Geschichte und Methodologie der Musikwissenschaft sowie einschlägige Schriftenverzeichnisse ihren Platz. Teil 2 ist ganz den Studien zur Liturgie gewidmet. Unter dem Stichwort der Monodie werden hier neben den Studien über die nach ihrer Funktion unterschiedenen handschriftlichen Quellen (Antiphonarien, Breviarien usw.) die Forschungen zum Stundengebet und zur Meßfeier sowie zu den unterschiedlichen regionalen Ausformungen der gottesdienstlichen Feiern verzeichnet. In ähnlicher Gliederung finden sich in einem zweiten Abschnitt Arbeiten zur mehrstimmigen liturgischen Musik. Der breit gefächerte Teil 3 ist in fünf Abschnitte untergliedert. Die hier aufgeführten Arbeiten befassen sich unter anderem 1. mit der Textüberlieferung und ihrer philologischen Erschließung sowie mit den Notenschriften; 2. mit der Musik zu nichtliturgischen Texten, mit Instrumentalmusik und Theater, mit Quellenkunde sowie mit etnomusicologia (z.B. mit Untersuchungen zur Musik der Juden); 3. mit dem Verhältnis von Musik und Sprache, mit Kompositionstechnik und Musiktheorie; 4. mit Ikonographie, Aufführungspraxis und Musikinstrumenten; und schließlich 5. mit den Zusammenhängen zwischen der Musik und den übrigen Künsten und Wissenschaften (Architektur, bildende Kunst, artes liberales, Tanz, Philosophie, Literatur, Rhetorik, Naturwissenschaft/Medizin, Theologie). Teil 4 umfaßt die Nachschlagewerke wie z.B. Bibliographien, Handschriftenkataloge, Diskographien, Wörterbücher und Lexika, Handbücher und Repertorien. In Teil 5 findet man alle Arten von Sammelwerken, gegliedert nach Tagungsbänden, Gesammelten Schriften, Festschriften und sonstigen Gemeinschaftspublikationen. Der abschließende Teil 6, bearbeitet von Angelo Rusconi, bietet die Diskographie, die sich im wesentlichen in die Abschnitte zu einzelnen Komponisten, zu sakraler bzw. profaner Monodie bzw. Polyphonie und zur Instrumentalmusik gliedert. Soweit wie möglich werden Angaben zur Art des Tonträgers, zur Aufnahmetechnik, zum Zeitpunkt der Aufnahme und zu den beteiligten Künstlern gemacht.

Die sehr fein gegliederte Bibliographie wird durch sechs Register sorgfältig erschlossen: Handschriften, Ortsnamen, Personen und Sachen, moderne Autoren und - im Hinblick auf die Diskographie - Kompositionen sowie Ensembles und Dirigenten.

Wenn es den Herausgebern gelänge, außer einem Beiträger in Stockholm weitere Mitarbeiter außerhalb Italiens zu gewinnen (wie dies seit langem für Medioevo latino geglückt ist), ließe sich gewiß noch ein höheres Maß an Vollständigkeit erreichen. Es ist zu wünschen, daß der vorliegende erste Band von Medioevo musicale bald eine Fortsetzung findet und die Bearbeiter mit ihrer benutzerfreundlichen Verzeichnung und Präsentation der mediävistischen Musikwissenschaft zügig vorankommen.

Christian Heitzmann


[1]
Dies leistet bislang für die Musikwissenschaft einzig die Jahresbibliographie Répertoire international de littérature musicale : RILM abstracts of music literature. - Zuletzt Bd. 29. 1995 (1998) mit 307 Einträgen in der Sektion To ca. 1400 (Middle Ages); ein Vergleich von Medioevo musicale mit den entsprechenden Bänden von RILM zeigt, daß sich die beiden Bibliographien durchaus ergänzen. (zurück)

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