Gleichwohl bringt Barry B. Witham mit Theatre in the United States eine weitere umfassende Geschichte des Theaters der USA heraus, deren erster Band bereits 1996 erschienen ist, dessen abschließender zweiter Band aber immer noch nicht vorliegt, und er bringt mit ihr tatsächlich etwas Neues. Denn er versucht nicht, sich mit seinen Vorgängern zu messen; er bündelt das Werden der amerikanischen Theaterkultur nicht alphabetisch oder beschreibt deren Entwicklung chronologisch. Er läßt vielmehr Augenzeugen zu Wort kommen, die aus den verschiedensten Blickwinkeln die entscheidenden Momente des amerikanischen Theaters festhalten.

Den drei Teilen des Bandes - von den ersten englischen Komödianten, die den Auswanderern in die Kolonien folgten, über die erste Blüte der amerikanischen Theater und ihrer Truppen in einer sich rasant verändernden Gesellschaft bis zu den Generationen zwischen Bürgerkrieg und dem Ersten Weltkrieg, die sich weg von den fremden Vorbildern und hin zu einer eigenen Identität entwickeln - gehen jeweils eigene Einführungen zum behandelten Zeitraum voraus. Der Inhalt ist in gleichlautende Kapitel gegliedert: The Business of Theatre, Acting (and Directing), Theatre Buildings, Technical Production, Audiences, Drama. Eine ausführliche Bibliographie (S. 314 - 325) und ein allgemeines Register (Personen, Werke, Truppen, Theater) weisen den Interessierten einen Weg zu weiteren Studien und erleichtern die Benutzung des zunächst verwirrend vielfältigen Bandes.

Aus einer kaum überschaubaren Zahl von Dokumenten haben die drei Autoren des ersten Bandes 208 Text- und 41 Bilddokumente ausgewählt, um das zu zeigen, was die Kinderjahre des amerikanischen Theaters geformt hat: Der krasse Gegensatz von kommerziellen und künstlerischen Aspekten, das Gefälle zwischen dem großstädtischen Theater und dem der reisenden Truppen in der Provinz und die Kontroversen um das Engagement europäischer, vor allem englischer Schauspieler, die volle Häuser versprachen, was Walt Whitman 1847 zu der sarkastischen Äußerung veranlaßte, solange man abgesetzte Dramen und beschäftigungslose Schauspieler aus England importiere, böten die New Yorker Theater nur drittklassige Imitate der besten Londoner Bühnen (Dokument 133).

Den einzelnen Dokumenten gehen einige einleitende Sätze voraus, die diese Auszüge aus Geschäftsunterlagen, Verträgen, Briefen, Zeitungsartikeln, persönlichen Erinnerungen, Tagebüchern und Beschreibungen der Theaterarchitektur in die kulturhistorischen Zusammenhänge einordnen.

Zum Schluß bleibt die Frage, für welche Leser das Buch gedacht ist. Dem Wissenschaftler bietet es außer einem Zitatenschatz nicht viel. Dem interessierten Laien und jedem Freund des amerikanischen Theaters aber liefert es eine Fülle anregender Informationen, die sich nicht nur zu einer Art Theatergeschichte aneinanderreihen, sondern vor allem in einer lebendigen Folge von Farbtupfern das breite Spektrum der wilden Jahre des amerikanischen Theaterlebens ahnen lassen. Auf das Erscheinen des zweiten Bandes darf man gespannt sein.

Gernot Giertz