Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Companion to theatre in Australia


99-1/4-276
Companion to theatre in Australia / gen. ed. Philip Parsons. - 1. publ. - Sydney : Currency Press ; Cambridge : Cambridge University Press, 1995. - 704 S. : Ill. ; 26 cm. - ISBN 0-86819-357-7 (Currency Pr.) - ISBN 0-521-34528-6 (CUP) : œ 50.00, $ 69.95
[3828]

Daß Australien über ein lebendiges Drama und Theater verfügt, ist nicht überall bekannt. Der maßgeblich von dem 1993 verstorbenen Philip Parsons und danach von Katharine Brisbane unter Mitwirkung von mehr als 200 namhaften Theaterfachleuten gestaltete Companion ist das Standardwerk, das über nahezu alle Aspekte der Theatergeschichte des Landes informiert. Die etwa 1170 Einträge, die zwischen 100 und 10.000 Wörtern Länge variieren, sind alphabetisch geordnet und geben Auskunft zu drei Bereichen. Dramentitel werden mit Aktangabe, Datum und Ort der Uraufführung, Besetzung und Regie, Ort, Verlag und Jahr der Erstveröffentlichung sowie einer kurzen Bewertung vorgestellt. Die Personenartikel, denen Angaben zu Geburtsdatum und -ort, Beruf(en) sowie eine Beschreibung der theaterrelevanten Tätigkeit(en) und Sterbedatum vorangestellt sind, bieten eine Charakterisierung des dramatischen Oeuvres, eine Würdigung des Schaffens aus heutiger Sicht sowie eine Liste der veröffentlichten Titel samt weiterführender Literatur. Australischerseits qualifiziert für die Aufnahme in den Companion war, wer bzw. wessen Werk gleich bei seinem ersten Auftreten bzw. seiner Erstaufführung einen nachhaltigen Eindruck, ablesbar in Wiederholungen oder kritischen Debatten, hinterließ und längerfristige Impulse gab. Da Parsons und Brisbane den Companion dankenswerterweise nicht als Nachschlagewerk zum 'australischen' Theater, sondern zum Theater in Australien angelegt haben, zählen die Sachartikel zur interessantesten Lektüre. So erfährt der Leser nicht nur Wissenswertes und Wichtiges über die bedeutendsten Theaterbauten in den Großstädten, den Zuschauerrespons, die Theaterkritik des Landes, über Festivals, Förderungsprogramme für Autoren, bekannte Regisseure, den Wandel des Repertoires seit 1840, universitäre und anderweitige Forschungsmöglichkeiten zum Drama, auch die multikulturelle und internationale Verflechtung des Theaterlebens wird reichhaltig dokumentiert. Die Artikel zum Theater der Aborigines, die Erfassung der Einflüsse, die von Großbritannien und Irland, aber auch von Frankreich, Deutschland, Italien, Polen oder Rußland, den Vereinigten Staaten und den asiatischen Nachbarländern ausgegangen sind, verdienen einer gesonderten Erwähnung. Wer sich für Edwin Booths Tour durch den Kontinent 1854, diejenige Dion Boucicaults 1885, der Londoner Comedy Company 1879 -1880 oder der Shakespeare Memorial, später Royal Shakespeare Company in den Jahren 1949, 1953, 1970, 1973, 1975 und 1976, die Nachwirkungen W. S. Gilberts und Arthur Sullivans, die allgemeine Shakespeare- oder Brecht-Rezeption interessiert, wird hinreichend informiert. Die Beliebtheit des auch anderswo populären Musiktheaters wird mit einer Bibliographie von 312 Titeln dokumentiert. Die wichtigsten, aus Großbritannien übernommenen Formen wie Burleske, Extravaganza, Vaudeville, pantomime (im angelsächsischen Sinn des Wortes), Melodrama, aber auch eigenständige Entwicklungen wie z.B. die 1932 ins Leben gerufene radikale Bewegung des New Theatre oder neuere Experimentalformen werden konzise beschrieben. Der Companion wird seinem Ziel, jede theatergeschichtlich bedeutsame Persönlichkeit, jedes wichtige Ereignis bzw. jeden relevanten Sachverhalt darzustellen, vollauf gerecht. Ein 46seitiges Personen- und Stichwortregister erlaubt rasche Orientierung. Abgesehen von seinem Nutzen als informatives Nachschlagewerk erfüllt der Companion eine weitere wichtige Funktion. Er lenkt das Augenmerk auf theaterwissenschaftliche Forschungsdefizite. So fehlen, wie Brisbane in ihrer Einleitung bedauernd konstatiert, ausführlichere Untersuchungen zum Theater außerhalb Perths, Adelaides, Melbournes, Sydneys, Brisbanes und Canberras, zur Rolle der Amateurtheater, zur Rezeption überseeischer Entwicklungen, zur Aufbauarbeit jüdischer Künstler/innen oder zur australischen Reaktion auf Impulse aus Irland. Die bereits in Aussicht genommene Überarbeitung des Companion soll diesen Anliegen verstärkt Rechnung tragen. Aber auch jetzt schon ist der Band ein unverzichtbarer Führer durch die Geschichte des Dramas und Theaters auf dem Fünften Kontinent.

Horst Prießnitz


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