Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

The Oxford illustrated history of theatre


99-1/4-273
The Oxford illustrated history of theatre / ed. by John Russell Brown. - Oxford [u.a.] : Oxford University Press, 1995. - X, 582 S. : Ill. ; 26 cm. - ISBN 0-19-212997-X : œ 25.00
[3079]

"This book tells the story of theatre from its various beginnings to the present day, and provides a permanent celebration of theatre's greatest achievments" faßt der Herausgeber John Russel Brown die Zielsetzung der Oxford illustrated history of theatre am Beginn seiner Einführung (S. 1) zusammen. Theatergeschichte als Ideenpool für zukünftige Theaterproduktionen sowie die Rolle des Theaters als Denkmodell für Philosophie, Soziologie, Pädagogik und verwandte Wissenschaften sei der Auslöser für die Erstellung dieser neuen Theatergeschichte gewesen, der eine weit gefaßte Theaterdefinition zugrunde liegt: "Theatre is taken here to include any performance by actors for others persons, when what is performed is calculated to hold attention and give pleasure, as well as providing other benefits according to time, place and opportunity" (S. 4). Diese Definition suggeriert, abhängig von der Interpretation des Begriffes actor, entweder einen weiten Theaterbegriff, der von theatralen Handlungen des Alltagslebens über religiöse Riten bis zum breiten Formenspektrum professionellen und Laientheaters reicht, oder eine Beschränkung auf die Geschichte professionellen Theaters, präsentiert durch spezialisierte Schauspieler. Ausgeschlossen werden dabei alle Formen des Musiktheaters und des Tanzes, sowie die Medien Film, Fernsehen und Radio. Keines dieser Konzepte wurde im Rahmen dieser Theatergeschichte konsequent als Inhalts- oder Strukturkriterium gewählt. Der Versuch, mit Hilfe eines Autorenkollektivs, bestehend aus Wissenschaftlern des anglo-amerikanisch-kanadischen Raums (darunter Martin Esslin, Christopher Innes, Michael R. Booth, Oliver Taplin u.a.), einen multiperspektivischen Gesamtblick auf die Theatergeschichte der Welt zu konstruieren, muß als gescheitert angesehen werden: nicht das Zusammenspiel unterschiedlicher methodischer und inhaltlicher Ansätze zu einer Gesamtschau, sondern eine disparate Aufsatzsammlung zu einzelnen Epochen der Theatergeschichte wurde geschaffen, die wenig Neues zu bieten hat. Die Oxford illustrated history of theatre bleibt in jeder Hinsicht theaterhistorischen Konventionen der letzen Jahrzehnte verhaftet, z.B. im Aufbau: 1. Theater der griechischen und römischen Antike und des frühen Christentums, sowie in Afrika und Amerika, 2. Europäisches Theater von der Renaissance bis 1700 (Italien, Spanien, England, Frankreich), 3. Europäisches und westliches Theater von 1700 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, 4. Welttheater (Süd- und Ostasiatisches Theater). Den Abschluß bildet ein kurzes Kapitel zum Theater seit 1970. Ist die Berücksichtigung der Anfänge des Theaters in Afrika und Amerika im ersten Teil doch durchaus positiv zu vermerken, so bleibt das Werk insgesamt einem bedauerlichen Eurozentrismus verhaftet, der sowohl die nord- und osteuropäischen Länder größtenteils ignoriert als auch das außereuropäische Theater bedauerlich kurz abhandelt: ganze 52 Seiten des 582 S. starken Bandes werden dem "Welttheater" gewidmet. Die Exkurse zum außereuropäischen Theater in anderen Teilen des Bandes (z.B. zum chinesischen Theater während der Kulturrevolution) bleiben unsystematisch und zu knapp gefaßt. Die einzelnen Kapitel orientieren sich kritiklos an literarischen Epochen, deren sinnvolle Anwendbarkeit auf Theatergeschichte schon seit langem im Fokus wissenschaftlicher Diskussion steht und konzentrieren sich - bei den Abhandlungen, das europäische Theater betreffend - auf die Dramengeschichte als Folie einer Theatergeschichte der Highlights, ergänzt durch zahlreiche Abbildungen (meist schwarz-weiß) und graphisch abgesetzte Zitate zeitgenössischer Kritiker, Dramatiker etc.. Entwicklungen des Theaterbaus, der Bühnentechnik oder Theaterbetriebsformen, der sozialen Stellung von Schauspielern und anderen Berufsgruppen des Theaters, der Schauspielkunst sowie von verschiedenen Formen der theatralen Unterhaltung werden eher als Zusatzinformationen zur Dramengeschichte gesehen und präsentiert denn als zentrales Thema des Buches. Neueste Erkenntnisse der Theatergeschichtsforschung der letzten Jahre, besonders die Sozialgeschichte des Theaters, Kommunikations- und Produktionsprozesse betreffend, fanden keinen nennenswerten Eingang in das Werk. Wünschenswert wäre darüber hinaus eine einheitliche Struktur der Kapitel, die durchgängige Grundsatzinformationen zu verschiedenen Themenbereichen (wie Theaterbau, Schauspielkunst, Betriebsformen etc.) mit der subjektiven Interpretation des jeweiligen Autors und ausführlichen Literaturhinweisen kombiniert. In ihrer jetzigen Form bleibt die Oxford illustrated history of theatre für Studenten und Fachwissenschaftler nur bedingt von Nutzen.

Peter Schmitt


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