Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Bildwörterbuch der Architektur


99-1/4-232
Bildwörterbuch der Architektur / von Hans Koepf. - 3. Aufl. überarb. von Günther Binding. Mit englischem, französischem und italienischem Fachglossar. - Stuttgart : Kröner, 1999. - IX, 634 S. : Ill. ; 18 cm. - (Kröners Taschenausgabe ; 194). - ISBN 3-520-19403-1 : DM 49.00
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1968 erschien die 1. Aufl. und - wenn die Verbundkataloge nicht irren - bereits auch die 2. nebst einem Nachdruck. Weitere als 2. Aufl. oder unveränderter Nachdruck bezeichnete Ausgaben gab es in den Jahren 1974, 1982, 1985, 1991 und 1996. Aber erst die jetzt herausgekommene 3. Aufl. ist eine Überarbeitung, für die G. Binding als Nachfolger des 1994 verstorbenen H. Koepf gewonnen werden konnte.

Enthielt die 1. Aufl. auf ca. 450 Seiten 2400 Fachausdrücke und 1300 Abbildungen, so ist die 3. Aufl. auf knapp 650 Seiten mit rd. 3000 Begriffen bei etwa gleich gebliebener Anzahl an Abbildungen erweitert. Die neu aufgenommenen Fachbegriffe beziehen sich zum Teil auf den Festungsbau, der zuvor nicht berücksichtigt war, und auf weitere Fachbegriffe, die zunehmend in der Literatur benutzt werden. Inhaltlich blieb die europäische Architektur im Sinne der Baukunst Schwerpunkt, d.h. es werden weiterhin vor allem Begriffe und Benennungen der Bauformen und Bauteile aufgeführt, jedoch keine Begriffe aus den Ingenieurwissenschaften (Statik, Bautechnik) und auch keine stilgeschichtlichen Termini.

Der Aufbau ist gegenüber früher nur leicht modifiziert. Den Vorwörtern zur 1. und zur 3. Aufl. und dem Abkürzungsverzeichnis folgt der alphabetisch geordnete Hauptteil mit kleinen Veränderungen: die in einzelnen Artikeln als Beispiele erwähnten Bauwerke wurden gestrichen ebenso wie die jeweils direkt folgenden Hinweise auf weiterführende Fachliteratur. Stattdessen sind vielen Begriffen jetzt die Übersetzungen ins Englische, Französische und Italienische beigegeben. Unverändert blieb der Abbildungsteil von Prototypen der Baukunst (Tempel, Basilika, Kirchenbauten), neu sind ein zweites kleines Abkürzungsverzeichnis, das nach Sachgebieten geordnete Literaturverzeichnis und die fremdsprachigen Fachglossare englisch-deutsch, französisch-deutsch und italienisch-deutsch. Im Lexikonteil verweisen wie bisher vorangestellte Pfeile auf weitergehende Artikel, ein Pfeil mit Stern avisiert noch eine Abbildung. Sie könnten häufiger gesetzt werden, denn oft haben aufgeführte Synomyme oder verwandte Begriffe eigene Artikel, ohne daß dies gekennzeichnet wurde. So vermißt man z.B. den Hinweis auf Dienst in den Artikeln Alter Dienst und Junger Dienst, vorhanden ist nur ein Hinweis auf Bündelpfeiler; im Artikel Pontonbrücke, Schiffsbrücke führt der Pfeil nur zu Brücke, unter Schiffbrücke, Pontonbrücke finden sich jedoch mehr Informationen zum Begriff als unter Brücke. Hier stimmen die Definitionen in beiden Artikeln nicht überein.[1] Noch einige weitere Anmerkungen zum Inhalt: Ballon-Bauten ist als Ausdruck ungebräuchlich, die bevorzugten Begriffe sind Traglufthallen oder Pneumakonstruktionen.[2] Gleiches gilt für den Glasbetonstein: dieser Begriff und das beschriebene Element konnten nirgends nachgewiesen werden.[3] "Glasbausteine" gibt es nicht nur als hohle Gußglaskörper, sondern auch als massive und gepresste oder geblasene Glaskörper. Bei Azulejos wäre neben Spanien noch ein Hinweis auf Portugal angebracht, wo die bunten oder auch nur blau-weißen Kacheln ebenfalls verbreitet sind und auch in der zeitgenössischen Architektur noch als Schmuckelemente dienen.

Die Erläuterungen sollten so formuliert sein, daß man sie ohne weiteres Nachschlagen versteht; ein Text wie im folgenden Beispiel ist wenig hilfreich: "Tenaillon (frz.), ein Ravelin mit zwei halben Contregarden (vor jeder Face eine), die einen eingehenden Winkel bilden und durch einen Redan oder ein anderes Außenwerk gedeckt sind, ähnl. den großen Lünetten". Erklärungen ebensolcher Art auch bei Brille, Ravelin, Redan und Contregarde, die unverständlich bleiben, wenn man nicht zufällig auf die verdeutlichende Abbildung auf S. 176 (Grundriß einer Festung) stößt, auf die aber bei keinem der Begriffe hingewiesen wird. Die Elemente der modernen Architektur werden nur am Rande behandelt, was wohl daran liegt, daß sie häufig zugleich Begriffe aus der Bautechnik sind, die lt. Vorwort unberücksichtigt bleiben (z.B. transparente Wärmedämmung oder Solarzellen). Vermißt wird auch ein Artikel über die unerwünschten, aber nicht zu übersehenden Graffiti.

Das Literaturverzeichnis gliedert sich in: 1. Nachschlagewerke; 2. Fachwörterbücher, Glossare; 3. Überblicksdarstellungen mit den Untergruppen a) Allgemeines, b) Epochen, Gebäudeformen, Bauformen; 4. Einzelthemen mit a) Architekturtheorie, Baubetrieb, b) Gebäudeformen, c) Baumaterial und Bauformen, wobei 4a) bis c) noch weitere Unterteilungen haben. Innerhalb der einzelnen Sachgruppen ist chronologisch nach Erscheinungsjahr geordnet. Die bibliographischen Angaben sind knapp, aber ausreichend. Benutzerfreundlicher wäre es, sinntragende Wörter in Titeln nicht abzukürzen[4] und die beiden Abkürzungsverzeichnisse[5] an einer Stelle zu vereinigen. Die Literaturlisten wurden wohl aus Platzersparnis als fortlaufender Text geschrieben und sind daher unübersichtlich. In einigen Gruppen mit viel Literaturhinweisen gibt es zwar Absätze, die aber nicht dem angenehmeren Lesen dienen, sondern ohne besondere Kennzeichnung wohl eine sachliche Untergliederung bilden sollen, so z.B. unter Zentralbau sechs unterschiedlich lange Absätze, deren Gruppenbildung der Leser nicht immer nachvollziehen kann.[6] Insgesamt werden ca. 650 Titel angeführt, jedoch darunter eine größere Anzahl Mehrfachnennungen: so sind z.B. unter der Überschrift Epochen, Gebäudeformen, Bauformen Titel wie Handbuch der Treppenkunde, Das Dachwerk auf Kirchen ... oder Farbigkeit der Architektur genannt, die ein zweites Mal unter Treppe bzw. Dach bzw. Farbe erscheinen. Das Lexikon der Kunst in 7 Bd. ist sowohl unter den Nachschlagewerken als auch 13mal unter Einzelbegriffen aufgeführt. Das wäre nicht mehr nötig gewesen, zumal das Lexikon der Kunst alphabetisch nach Sachbegriffen geordnet ist. So fragt man sich, warum der Hinweis bei den anderen Begriffen wie Zentralbau, Vierung, Krypta usw. fehlt, denn sie haben im Lexikon der Kunst ebenfalls z.T. längere Eintragungen. Die Gliederung des Literaturverzeichnisses könnte verbessert werden und vor allem die Zuordnung der Literatur zu den einzelnen Sachgruppen wäre noch überarbeitungsbedürftig.

Anstelle des Hinweises auf Lamprechts Beton-Lexikon, das sich auf den modernen Betonbau bezieht und an den Bauingenieur richtet, sollte sein vorzügliches Werk über den Römerbeton[7] zitiert werden. Für einen mehr bau- und kunstgeschichtlich interessierten Personenkreis, und das ist ja die erklärte Zielgruppe, wäre dieser Literaturhinweis wertvoller. Ältere Literatur wurde vielfach durch jüngere Werke ersetzt, auch Zeitschriftenaufsätze sind jetzt genannt, beides vorteilhaft für den Benutzer, da moderne Literatur und Aufsatzkopien leichter zu beschaffen sind als wertvolle Altbestände. Dafür sind manche doch wichtigen Titel im neuen Gesamtverzeichnis leider weggefallen. So gab es z.B. in der 1. Aufl. unter dem Begriff Glasmalerei eine Literaturliste mit 22 Titeln, in der 3. Aufl. gibt es keinen einzigen Literaturhinweis mehr auf Glasmalerei, auch nicht auf Glas allgemein. Der Bibliotheksbau, der mit 3 Begriffen vertreten ist (Armarium, Bibliothek, Magazin), wird im Literaturverzeichnis mit 5 Titeln bedacht, die 1. Aufl. verzeichnete zwar nur den Begriff Bibliothek, diesen aber mit 11 Titeln. Wer bereits eine frühere Ausgabe besitzt, sollte sie unbedingt neben der Neuauflage behalten, einmal hinsichtlich der Literaturhinweise, aber auch die früher beispielhaft genannten und jetzt nicht mehr angeführten Bauwerke wird ein fachlich weniger versierter Leser als zusätzliche Information zu schätzen wissen.

Das Kernstück des Bildwörterbuchs ist die Sammlung anerkannter Begriffe der europäischen Architektur, die hier erläutert, veranschaulicht und in ihren Beziehungen dargestellt werden; das mehrsprachige Glossarium ist eine gelungene Erweiterung. Die Anschaffung kann uneingeschränkt empfohlen werden, erfreulich der günstige Preis, der es auch für Privatpersonen erschwinglich macht, und Besitzer der früheren Ausgabe sollten ebenfalls zugreifen, da beide Ausgaben einander ergänzen.

Angelika Weber


[1]
Pontons werden einmal (richtig) als Schwimmkörper und einmal als Boote definiert. (zurück)
[2]
In der Datenbank RSWB (Raumordnung Städtebau Wohnungswesen Bauwesen), CD-ROM-Segment 1987/99 erhält man für den Begriff Ballon-Bauten 0 und für Ballonarchitektur 1, für Traglufthalle(n) 44 und für Pneumakonstruktion(en) 76 Treffer. (zurück)
[3]
In der 1. Aufl. ist unter Glasbetonstein eine Literaturstelle angeführt, die eingesehen wurde (Neuzeitliche freitragende Dacheindeckungen / Luz David. - Berlin, 1927). Dort ist aber nirgends ein Glasbetonstein beschrieben, sondern nur Glasbeton und Glaseisenbeton. Gemeint ist damit die Konstruktion, die heute als Glasstahlbeton bezeichnet wird. Dieselbe Definition findet sich auch in Wasmuths Lexikon der Baukunst (Berlin, 1929 - 1937, Bd. 1 - 5). Es wurde also bereits von H. Koepf in die 1. Aufl. ein nirgends belegter Begriff eingebracht, der sich auch in seinem Werk Baukunst in fünf Jahrtausenden bis in die kürzlich ersch. 11. Aufl. (Stuttgart, 1997) gehalten hat. (zurück)
[4]
Z.B. "K. Schwager: Kg.? In: Attempto 59/60 (1977), 64-69". (zurück)
[5]
Eines auf einer nicht paginierten Seite nach S. IX und nicht wie angegeben auf Seite X, und eines auf S. 536. (zurück)
[6]
Einen Absatz auf S. 543 möchte man mit Brunnenhaus überschreiben, wäre nicht neben den zwei Hinweisen zu Brunnenhäusern noch ein dritter zum "chapter house" (Kapitelhaus) aufgeführt. Eine weitere Literaturstelle zu Brunnenhäusern findet sich noch im Abschnitt Klosterbau (S. 545). (zurück)
[7]
Opus caementitium : Bautechnik der Römer / Heinz-Otto Lamprecht. - 5. verb. Aufl. - Düsseldorf : Beton-Verlag, 1996. - 264 S. : zahlr. Ill., graph. Darst., Kt. - ISBN 3-7640-0350-2 : DM 72.00. (zurück)

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