Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

The feminist encyclopedia of German literature


99-1/4-168
The feminist encyclopedia of German literature / ed. by Friederike Eigler and Susanne Kord. - 1. publ. - Westport, Conn. ; London : Greenwood Press, 1997. - XIII, 676 S. ; 24 cm. - ISBN 0-313-29313-9 : $ 99.50, œ 79.50 (Eurospan). - (Eurospan, 3 Henrietta Street, Covent Garden, London WC2E 8LU, United Kingdom)
[5212]

Über 500 Einträge enthält das einbändige Werk, dessen "'separatist' approach" die Herausgeberinnen schon in der Einführung zugeben und mit der Überzeugung rechtfertigen, "that the need for a feminist encyclopedia exists as long as standard literary and reference works continue to ignore or marginalize women's contributions to German literary history". Schon der Ansatz scheint unglücklich, denn Frauen, die, seitdem sie literarisch zu Wort kommen, immer wieder versuchen, ihrem Minoritäten-Ghetto zu entfliehen, werden hier absichtlich erneut in eine "Separierung" hineingezwängt, die ihnen nur schaden kann, wie man an der Oberflächlichkeit der "relatively few" Beiträge zu einzelnen Schriftstellerinnen sieht, die der Band unter vielem anderen auch enthält.

In dem Werk mischen sich nämlich die Kriterien eines Autorinnen-Lexikons mit denjenigen eines Sachwörterbuchs; neben ganz allgemeinen theoretischen Fragen (etwa zu feministischen Literaturtheorien Europas und Amerikas oder zur Ästhetik des Faschismus) und Gattungsbegriffen (vom Abenteuerroman bis zur soap opera) werden auch literaturhistorische Strömungen kurz dargestellt, allgemeine Themenkonstellationen - von der Beziehung Mutter-Tochter bis zum weiblichen Narzißmus - angeschnitten, geschichtliche Epochen und außerliterarische Kunst- und Wissenschaftsbereiche (wie etwa Film oder Anthropologie) berücksichtigt.

Das Resultat der hier gebotenen reinen Materialakkumulation ohne auf Methodik bzw. Methodologie gestützte Reflexion ist ein durchaus willkürliches Sammelsurium, das jeder äußeren wie inneren Notwendigkeit entbehrt. "Frauen schreiben anders" heißt der Titel eines Buchs von Ruth Klüger: die in solcher Äußerung enthaltene Behauptung läßt sich mit Hilfe dieses Lexikons weder bestätigen noch bestreiten, denn der Leser wird von den Artikeln - die alphabetisch geordnet, jeweils mit einer kurzen spezifischen Bibliographie versehen und namentlich gezeichnet sind -, entweder verwirrt oder irritiert.

Man nehme unter den vielen möglichen Beispielen den Beitrag von Almut Fink zu "Fragment / Fragmentary Writing", wo es u.a. heißt: "Many male writers, such as Friedrich Hölderlin, Franz Kafka and Rainer Maria Rilke, have won esteem not in spite of, but because of, the fragmentary nature of their work. Paradoxically, women's texts are often devalued for the very same reason. The long-standing prejudice against the writings of women as mere scarps and scribbles has not been reversed outside feminist criticism". Die Antwort auf ein womöglich berechtigtes Vorurteil klingt hier aber leider auch wieder nur wie eine aprioristische Stellungnahme, die nicht einmal versucht, den Gründen - etwa ästhetischer oder inhaltlicher Natur - nachzugehen, die zu derart unterschiedlichen Wertschätzungen geführt haben. Aus zu vielen Artikeln gewinnt man den Eindruck, sie basierten auf einer - gegen eine für androzentrisch und phallokratisch erklärte Welt - gerichteten bloßen Opposition, die im besten Fall genau so unkritisch anmutet wie die wegzuschaffenden Hindernisse einer festgelegten, männlich orientierten Mentalität.

Nur darin und in der graphischen Gestalt liegt die "relative coherence" des Bandes, in dem zahlreiche Eintragungen aus einer herkömmlichen, meist ("despite the inadequacy of the current system of periodization") chronologisch gehaltenen, knappen Einführung in ein Sujet oder eine Gattung bestehen, der eine bloße telephonbuchartige Auflistung von Namen und Titeln folgt. Vielleicht können sich "newcomer to the field" mit solchen vagen Angaben und Informationen begnügen; sicher ist jedoch die Enzyklopädie für den "more experienced student and scholar" durchaus unzulänglich und zu parteiisch, um sie zufriedenzustellen. Aber auch dem Laien, der z.B. über Marie von Ebner-Eschenbach etwas erfahren möchte, sind traditionellere Lexika eher zu empfehlen, welche ein umfassenderes Bild ihrer künstlerischen Tätigkeit bieten, ohne dabei ihr Engagement für die Frauenemanzipation zu verschweigen. Dasselbe gilt für charakteristische Frauentypen in der Literatur, wie etwa der Beitrag von Belinda Carstens-Wickham zum Süßen Mädel, die ihr Fazit wie folgt formuliert: "The 'sweet girls' fall victim to male selfishness, and their own clichéd notions of true love are perpetuated by the popular patriarchal culture." Sie merkt offensichtlich nicht, wie clichéhaft ihre Bemerkungen klingen, welche die problematische Ambivalenz dieses 'Topos' einfach annullieren, denn im Wechselspiel des Paars ist das süße Mädel oft Opfer und Henker zugleich.

Solche undialektischen Reduzierungen dienen einer Verschärfung der Gegensätze und nicht ihrem Ausgleich, der allein wünschenswert wäre, wenn und solange sich auch Literaturwissenschaft an einem wie immer vagen Wahrheitskriterium orientieren will.

Gabriella Rovagnati


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