Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Internet für Germanisten


99-1/4-160
Internet für Germanisten : eine praxisorientierte Einführung / Hartmut Schönherr ; Paul Tiedemann. - Darmstadt : Primus-Verlag, 1999. - XIII, 166 S. : Ill., graph. Darst. ; 24 cm. - ISBN 3-89678-133-2 : DM 34.00, DM 24.80 für Mitgl. der Wiss. Buchges. Darmstadt
[5742]

Der Primus-Verlag in Darmstadt - der kommerzielle Ableger der altehrwürdigen Wissenschaftlichen Buchgesellschaft - hat den Markt der Interneteinführungen für eine geisteswissenschaftlich orientierte Klientel entdeckt und geht daran, dieses Themenspektrum zu "besetzen". Das Konzept, das man dieser neu ins Leben gerufenen Buchreihe zugrunde legt, ist ebenso einfach wie problematisch. Bereits 1997 veröffentlichte der Frankfurter Verwaltungsjurist Paul Tiedemann bei Primus ein Bändchen mit dem Titel Internet für Philosophen.[1] In dieser Zeitschrift kritisierte der Rezensent die fragwürdige Konzeption des Bändchens, bei dem sich der umfangreichere allgemeine Teil an jeden wendet, der ein wenig ratlos vor dem Medium Internet sitzt. Nur der kleinere fachspezifische Teil richtet sich in diesem Fall wirklich an Surfer mit ausgeprägten Fachinteressen. Nicht ahnend, daß die Entwicklung genau in diese Richtung gehen würde, schrieb der Rezensent damals, daß der allgemeine Teil "beliebig auswechselbar" sei.[2] Diesen Weg hat der Primus-Verlag jetzt beschritten, indem er eine ganze Reihe konzipiert hat, bei der jeder Band sozusagen als Grundausstattung die allgemeine Einführung von Tiedemann enthält. Nur für die "Extras" hat man jeweils einen Spezialisten gewonnen. Von Internet für Althistoriker und Altphilologen bis Internet für Theologen gibt es momentan insgesamt 12 Bändchen, bei den jeweils Herr Tiedemann als Co-Autor auftritt.[3] Diese Konsequenz verschlägt einem zunächst die Sprache. In 12 Büchern bringt der Primus-Verlag also jeweils etwa 65 Seiten, die mehr oder weniger textidentisch sind. Nur ein Mittelteil von gleichfalls etwa 65 Seiten ist tatsächlich in jedem Bändchen anders. Hinzu kommt dann noch ein Anhang, der ebenfalls teils allgemeinen, teils speziellen Charakter hat.

Die inhaltliche Verteilung von Internet für Germanisten ist ähnlich wie bei dem 1997 erschienenen Bändchen von Tiedemann, nur daß der neue Band dem Fachspezifischen mehr Platz einräumt und dieser Teil, der aus der Feder von Hartmut Schönherr stammt, insgesamt von mehr Sachverstand zeugt als die entsprechenden Seiten des Vorgängers. Unterteilt in 16 Kategorien, präsentiert das Bändchen auf 70 Seiten etwa 160 fachrelevante Adressen. Erfreulich an der Zusammenstellung ist, daß Schönherr sich bemüht hat, eine Art "kommentierter Linkliste" zu erstellen. Daß dies kein ganz einfaches Geschäft ist, merkt der Leser an der Wahl der Adjektive. So heißt es, einzelne Seiten seien "intelligent", "gehaltvoll" oder "informativ", manchmal auch nur "brauchbar" oder "nützlich", mitunter sogar "liebenswert" oder "liebevoll gemacht". In der Wortwahl zeigt sich deutlich, daß es noch kaum Kriterien gibt, um Internet-Seiten zu beurteilen. Eher gewagt erscheinen aufgrund der Dynamik von Internetseiten Beschreibungen wie: "Auf der Seitenmitte rechts kommen Sie über den Pfeil zur Hauptseite des GBV mit ausgezeichneten Buchrecherche- und Bestellmöglichkeiten" (S. 60).

Erfreulich ist u.a. die Rubrik mit den Linkverzeichnissen. Neben der "Erlanger Liste" finden sich auch die "Düsseldorfer Virtuelle Bibliothek" und die Germanistik-Seiten der UB Konstanz. Daneben wird aber auch auf die Seiten von Literaturenthusiasten wie Markus Kolbeck und Oliver Gassner verwiesen. In der Rubrik Bibliographien herrscht die übliche (Begriffs-)Verwirrung zwischen "Bibliographien und "Katalogen". Im Großen und Ganzen hilfreich ist auch die Rubrik Fachzeitschriften - auch wenn Hinweise auf große internationale Projekte wie Muse[4] oder auf interessante neue Initiativen wie die Online-Zeitschrift literaturkritik.de[5] fehlen. Bei den Autorenseiten werden - zurecht - die Seiten zu Hölderlin, Kleist und Karl May hervorgehoben. Zum Internetauftritt der "Karl-May-Gesellschaft" heißt es ebenso knapp wie treffend: "Hier könnten sich die meisten Internet-Angebote zur sogenannten ernsten Literatur eine dicke Scheibe abschneiden!"[6] Ein wenig konfus wirkt der Inhalt der Rubrik Literaturwissenschaft. Hier findet sich zwar ein Hinweis auf das "Deutsche Literaturarchiv" in Marbach, Links zum "Goethe- und Schiller-Archiv" und zur "Herzogin Anna Amalia Bibliothek" in Weimar sucht man jedoch vergebens.[7]

Insgesamt sei das Büchlein von Schönherr und Tiedemann - auch wenn die Bedenken wegen der Konzeption fortbestehen - denjenigen Germanistik-Dozenten und -Studenten empfohlen, die über keinerlei Erfahrung im Umgang mit dem Medium Internet verfügen.[8] Von den Vorzügen des Bändchens kann man jedoch ebenso profitieren, wenn man sich an die WWW-Seite "Internet für Germanisten" von Hartmut Schönherr hält: <http://members.aol.com/artefact/germ-links.html>. Alle, die bereits erste Gehversuche in diesem Medium hinter sich haben, werden die allgemeinen Informationen als überflüssig und die fachspezifischen Informationen als nicht detailliert genug empfinden.

Frank Simon-Ritz


[1]
Internet für Philosophen : eine praxisorientierte Einführung / Paul Tiedemann. - Darmstadt : Primus-Verlag, 1997. - XII, 132 S. ; 24 cm. - ISBN 3-89678-058-1 : DM 26.80 [4465]. - Rez.: IFB 98-1/2-070. (zurück)
[2]
Der Rezensent hat mittlerweile als Herausgeber selbst einen Band zum Thema Germanistik im Internet (s.u. IFB 99-1/4-161) vorgelegt, der bewußt auf eine allgemeine Einführung verzichtet. (zurück)
[3]
Unter http://www.wbg-darmstadt.de/digitale_angebote/internet_reihe/ anhang.htm findet man eine Übersicht über die Bände dieser Reihe. (zurück)
[4]
<http://muse.jhu.edu/muse.html>. (zurück)
[5] <http://www.literaturkritik.de/home.html>. (zurück)
[6] Die so gerühmte Seite findet sich unter: <http://karlmay.uni-bielefeld.de>. (zurück)
[7] Unter <http://www.weimar-klassik.de> findet man die Homepage der "Stiftung Weimarer Klassik" zu der diese beiden Einrichtungen gehören. (zurück)
[8]
Eine Warnung an diesen Benutzerkreis ist gleichwohl nicht unangebracht, sieht man doch am Link-Teil dieses Bändchens, was das Medium Internet so alles bietet: Eben dies und das, sehr Hilfreiches und zuweilen sehr Abartiges, alles zufällig hineingekommen. Auch käuflich (!) zu erwerbende Magister- und Examensarbeiten werden im Internet angeboten (Diplomarbeiten-Agentur). Ein Schelm, wer dabei an praktisch unkontrollierbare Plagiat-Möglichkeiten denkt! Es ist ja das Problem des Internet überhaupt: Was aussieht wie ein Wegweiser durch die Informationsflut, ist tatsächlich ein Irrgarten, für den der Benutzer allererst einen Wegweiser braucht. Die gymnasiale Projektarbeit im Volltext äußerlich von gleichem Gewicht neben der nur bibliographisch nachgewiesenen Habilitationsschrift zum Thema. Man muß schon wissen, wo man was suchen kann und was man wo zu finden hoffen darf. Man muß eben auch wissen, daß die Bibliographie der deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft, auch wenn inzwischen nicht nur ihr Fundament, das DFG-Schwerpunktprogramm, sondern auch ihre Erarbeitung als Dienstaufgabe der StUB Frankfurt aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, in der Online-Version nur als CD-ROM des Verlags zugänglich ist, für welche die übliche Lizenz zu entrichten ist. Die Internet-Informationen führen den Benutzer nur zu einer Beschreibung des Projekts, nicht zu dessen Daten. Wer als Unwissender mehr erhofft hat, wird enttäuscht. [Hans-Albrecht Koch] (zurück)

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