Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Einführung in die slavischen Sprachen


99-1/4-149
Einführung in die slavischen Sprachen : (mit einer Einführung in die Balkanphilologie) / hrsg. von Peter Rehder. - 3., verb. und erw. Aufl. - Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1998. - 367 S. ; 22 cm. - ISBN 3-534-13647-0 : DM 36.00
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Im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Auflagen[1] der Einführung in die slavischen Sprachen ist der Umfang dieser 3. Auflage verdoppelt, d.h. die Zahl der Artikel von 13 auf 26 und die Seitenzahl von 192 auf 367 erhöht worden. Darin spiegelt sich nicht nur die rasante Entwicklung der Slavistik im letzten Jahrzehnt, sondern auch das in diesem Zeitraum gewachsene allgemeine Interesse an Informationen über die slavischen Sprachen wider, die aufgrund der spektakulären politischen Entwicklungen inzwischen wieder stärker ins öffentliche Bewußtsein bei uns rücken.

Das vorliegende Handbuch und Nachschlagewerk zu den slavischen Sprachen besteht aus insgesamt fünf Teilen. Im 1. Teil Urslavisch und Altkirchenslavisch (S. 17 - 48) behandelt Wolfgang Hock die sprachliche Vor- und Frühgeschichte der Slavia. Im 2. Teil (S. 49 - 144) werden die heutigen ostslavischen Standardsprachen, das Russische von Tilman Berger (S. 49 - 93), das Ukrainische von Ulrich Schweier (S. 94 - 109), das Weißrussische von Hermann Bieder (S. 110 - 125), ferner die Mikrosprachen[2] Russinisch von Aleksandr Dulicenko (S. 126 - 140) sowie Westpolessisch von Andrea Luft (S. 141 - 144) vorgestellt. Im 3. Teil wird die Übersicht mit den westslavischen Sprachen fortgeführt, und zwar haben Henrik Birnbaum und Jerzy Molas das Polnische (S. 145 - 164), Ewa Rzetelska-Feleszko das ausgestorbene Elb- und Ostseeslavische (S. 165 - 170), Edward Breza das Kaschubische (S. 171 - 177), Gerald Stone das Obersorbische (S. 178 - 187) und das Niedersorbische (S. 188 - 193), Josef Vintr das Tschechische (S. 194 - 213) und das Slovakische (S. 214 - 229) übernommen. Der 4. Teil umfaßt die südslavischen Sprachen und weist die meisten Neuerungen auf. Von Peter Rehder werden das Slovenische (S. 230 - 245), außerdem das Kroatische (S. 250 - 267), das Serbische (S. 279 - 295), das Bosnische (S. 296 - 299), das Serbokroatische (S. 300 - 309) sowie das Makedonische (S. 331 - 346) und von Peter Hill das Bulgarische (S. 310 - 325) beschrieben. Ferner gibt es noch die neuen Kapitel zu den südslavischen Mikrosprachen, zum Resianischen (S. 246 - 249) und zum Banater Bulgarischen (S. 326 - 330) von Aleksandr Dulicenko, zum Burgenländisch-Kroatischen (S. 268 - 273) von Gerhard Neweklowsky sowie zum Moliseslavischen (S. 274 - 278) von Walter Breu. Der 5., als Anhang deklarierte Teil enthält noch eine Einführung in die Balkanphilologie (S. 347 - 364) von Wilfried Fiedler. Man könnte gegen diesen ebenfalls neuen Artikel einwenden, daß er nicht unbedingt in ein Kompendium der slavischen Sprachen gehört. Allerdings bilden die südslavischen Sprachen einen wichtigen Bestandteil des Balkansprachbundes, so daß man seine Aufnahme in dieses Werk durchaus rechtfertigen kann. Den Abschluß des Bandes bilden ein kurzes Sachregister und ein Abkürzungsverzeichnis.

Die vorliegende Neuauflage zeichnet sich zunächst durch eine Aktualisierung und Erweiterung der früheren Artikel aus, die bis auf wenige Ausnahmen wieder von den bisherigen Autoren übernommen wurden. Der parallele Aufbau der Artikel (Einführung, Alphabet, Lautsystem, Flexionsmorphologie, Derivationsmorphologie, Syntax, Lexik, Dialekt, Sprachgeschichte, Literaturliste) bietet dem Leser einen kompakten Überblick. Erheblich verbessert wurde die Handhabung durch ein übersichtlicheres Layout. Eine wesentliche inhaltliche Erweiterung stellt ferner die erstmalige Berücksichtigung der slavischen Mikrosprachen dar, die in vergleichbaren in- und ausländischen Darstellungen immer noch fehlen. Allerdings zeigt der im Vergleich zu den "großen" Sprachen wesentlich geringere Umfang dieser Beiträge, daß sie von der Wissenschaft erst peripher wahrgenommen werden. Das wird sich sicherlich ändern müssen, zumal da sich weitere Entwicklungen abzeichnen, die hier noch nicht berücksichtigt wurden. In Nordgriechenland gibt es Versuche, eine pomakische Schriftsprache zu bilden, und in Montenegro wird die Frage einer eigenen, vom Serbischen unterschiedenen Standardsprache diskutiert.

Eine völlig neue Konzeption mußte der Herausgeber der Einführung aufgrund der seit dem Erscheinen der letzten Auflage in Südosteuropa eingetretenen dramatischen Veränderungen für das einstige Kapitel Serbokroatisch wählen. Der staatliche Zerfall Jugoslawiens hat zu einer Aufspaltung der ehemals gemeinsamen Standardsprache und der Etablierung neuer Einheiten an deren Stelle, des Serbischen, Kroatischen und Bosnischen geführt. Die von der politischen Räson geforderte separate Behandlung dieser Sprachen verdeckt freilich, wie gering die Unterschiede zwischen ihnen - abgesehen von der Lexik - in Wirklichkeit sind. Die Ausführungen über das Lautsystem, über die Flexionsmorphologie sowie über die Syntax sind, wie der Verfasser selbst anmerkt (S. 252), überwiegend identisch. Trotz dieser Änderung wurde das Stichwort Serbokroatisch (S. 300 - 309) noch keineswegs obsolet, sondern ist weiterhin für dialektologische und sprachgeschichtliche Darstellungen nützlich.

Diese Einführung ist sicherlich ein wichtiges Nachschlagewerk in deutscher Sprache für Studenten und auch für interessierte Laien zur schnellen und zuverlässigen Information über die Vielfalt die slavischen Sprachen. Vielleicht sollte man bei der nächsten Neuauflage, die wegen der steigenden Dynamik der Slavistik sicherlich in einigen Jahren wieder erforderlich sein wird, auch einige Sprachgebietskarten hinzufügen.

Klaus Steinke


[1]
1. Aufl. 1986. - 2., durchges. Aufl. 1991. (zurück)
[2]
Dieser von Aleksandr Dulicenko in seiner Arbeit Slavjanskie literaturnye mikrojazyki (Tallin, 1981) eingeführte Terminus wird für kleinere slavische Regionalsprachen verwendet, die Sprachinseln bilden und meist nur in rudimentärer Form Schriftsprachen entwickelt haben. (zurück)

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