Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Sprache & Sprachen


99-1/4-148
Sprache & Sprachen : Fachsystematik der Allgemeinen Sprachwissenschaft und Sprachensystematik ; mit ausführlichen Terminologie- und Namenregistern. / Clemens-Peter Herbermann ; Bernhard Gröschel ; Ulrich Hermann Waßner. Unter Mitw. von Hartwig Franke ... - Die vorliegende 1. Verlagsaufl. ist vollst. überarb. und erw. - Wiesbaden : Harrassowitz, 1997. - XVI, 630 S. ; 25 cm. - ISBN 3-447-03948-5 : DM 248.00
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Das vorliegende Werk hat sich die anspruchsvolle Aufgabe gestellt, die allgemeine Sprachwissenschaft mir ihren Teil- und Nachbardisziplinen so zu erfassen und zu systematisieren, daß es als Grundlage der Literaturerschließung für einen inhaltlich gegliederten Schlagwortkatalog dienen kann. Diese konkrete praktische Nutzanwendung bildet quasi den kategorischen Imperativ für die Gestaltung der einzelnen Systematiken und zeichnet verantwortlich für manch idiosynkratische Entscheidung der Autoren. Das Werk besteht aus zwei Systematiken - der Fachsystematik und der Sprachensystematik -, denen jeweils Register zugeordnet sind.

Die Fachsystematik beginnt mit dem der Allgemeinen Sprachwissenschaft als Ausgangsbasis dienenden Punkt (0.) Grammatikographie und Lexikographie zu Einzelsprachen und Sprachgruppen. Dem der Allgemeinen Sprachwissenschaft als institutionalisierter Disziplin gewidmeten Punkt (1.) und dem der Geschichte der Sprachwissenschaft insgesamt vorbehaltenen Punkt (2.) folgen mit der Semiotik (3.), der Logik (4.) und der Sprachphilosophie (5.) jene drei Forschungsdisziplinen, die seit der Antike immer wieder für die Allgemeine Sprachwissenschaft theoretisch grundlegend waren. Über die Schriftforschung (6.) gelangt die Systematik sodann zu den von der Phonetik (7.) über Morphologie (8.), Syntax (9.) und Semantik (10.) bis hin zur Pragmatik (11.) und Textlinguistik (12.) reichenden Teildisziplinen im engeren Sinne. Ihnen folgen die Forschungsrichtungen der Universalienforschung, Sprachtypologie und Kontrastiven Linguistik (13.). Daran schließen sich beginnend mit der Historisch-Vergleichenden Sprachwissenschaft (14.) alle seit dem 19. Jahrhundert entstandenen Teildisziplinen - Dialektologie (15.), Ethnolinguistik (16.), Soziolinguistik (17.), Psycholinguistik (18.), Bio- und Patholinguistik (19.), Sprachwissenschaft in Kooperation mit anderen Wissenschaften (20.), mathematische Linguistik (21.), Sprachdidaktik, Sprachlehrforschung und Übersetzungswissenschaft (22.) - der Allgemeinen Sprachwissenschaft an. Alle diese gefundenen Teildisziplinen werden detailliert (bis zu siebenstelligen Unterpunkten) aufgegliedert. Dabei wurde stets darauf geachtet, daß die Untergliederung je nach neuer Forschungslage erweiterbar bleibt. Die Tiefe der Untergliederung sowie die Entscheidung, in welcher Umgebung ein bestimmter Unterpunkt anzugliedern sei, ist sicherlich da und dort willkürlich jedoch nie ohne plausiblen Grund getroffen worden. Neben kleineren Unstimmigkeiten (3.1.3.3.4. Gustatorische Zeichen und 3.1.3.3.5. Olfaktorische Zeichen vs. 3.3.3.4. Olfaktorik, Gustatorik) und offensichtlichen Errata (9.4.14.2. Generative Semantik muß Generative Syntax) heißen, ist an der Fachsystematik nur schmerzlich zu bemängeln, daß englische Fachtermini oft nicht entsprechend übertragen wurden und so Verwirrung stiften könnten (9.1.1.1. Satz vs. Äußerung und 9.1.1.2. sentence vs. clause).

An die Fachsystematik schließen sich ein Terminologie- und ein Autorenregister an. Während das Terminologieregister eine geradezu einzigartige Leistung an Glossierung und Verschlagwortung darstellt, muß der Versuch, eine Liste bedeutender Autoren zu veröffentlichen - gerade bezüglich der Gegenwart - Widerspruch herausfordern und scheint stark von der Wahrnehmung der Autoren beeinflußt. Von den zentralen Figuren der gegenwärtigen Sprachwissenschaft fehlen geradezu schmerzlich Joan Bresnan und Hans Kamp.

Die Sprachsystematik ist genealogisch gegliedert - sie folgt im einzelnen der gängigen Lehrmeinung - und beginnt mit dem Punkt Sprachen der Welt und Sprachgruppen nach Kontinenten (0.). Darauf folgt die sehr detailliert dargestellte Familie der Indogermanischen Sprachen (1.) und der Uralischen, Altaischen und Dravidischen Sprachen (2.). Weiter werden aufgeführt die Paläosibirischen Sprachen (3.), Sinotibetanische und Thai-Sprachen (4.). Austroasiatische Sprachen (5.), Kaukasische Sprachen (6.), Mediterran-'Asiatische' Sprachen (7.) Afroasiatische Sprachen (8.), Nilosaharanische Sprachen (9.), Niger-Kordofanische Sprachen (10.), Khoi-San-Sprachen (11.), Pazifische und Australische Sprachen (12.), Indianersprachen (13.) und genealogisch isolierte Sprachen (14.). Die genealogische Systematik schließt mit den ergänzenden Abteilungen Kunstsprachen (15.) und Nonverbale Sprachen (16.).

Das daran anschließende Sprachenregister führt Einzelsprachen, Sprachgruppen und -familien alphabetisch auf. Dabei sind alle gängigen Schreibweisen und Benennungsformen einer einzigen Sprache aufgeführt, durch entsprechende Verweisungen gekennzeichnet und ihrer Sprachfamilie zugeordnet. Dieses Register ist gerade für Bibliothekare von unschätzbarem Wert.

Insgesamt haben die Autoren ein beeindruckendes Werk vorgelegt und jeder Linguist kann sich nur wünschen, daß künftig in der hier vorgestellten Ausführlichkeit verschlagwortet wird.

Suzan Hahnemann


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