Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Baedeker


99-1/4-106
Baedeker : ein Name wird zur Weltmarke ; [die Geschichte des Verlages] / [das Manuskript verfaßten Peter H. Baumgarten und Monika I. Baumgarten]. - 1. Aufl. - Ostfildern : Baedeker, 1998. - 136 S. : zahlr. Ill. ; 19 cm. - (Baedeker-Allianz-Reiseführer). - S. 93 - 132 Bibliographie der Erstausgaben. - ISBN 3-89525-830-X (Mairs Geographischer Verlag) : DM 20.00
[5048]

Vor zwanzig Jahren schrieb der Verleger Karl Friedrich Baedeker, daß er nach der Zerstörung des Archivs des Leipziger Verlagshauses im Jahre 1943 viel Zeit und Geld aufwenden mußte, um eine einigermaßen vollständige Sammlung aller seit 1832 erschienenen Reiseführer zusammenzutragen. Weiter schrieb er, daß sich bisher niemand in der Lage sah, die Verlagsgeschichte wegen der fehlenden Unterlagen im Einzelnen nachzuvollziehen. 1978 waren mehrere Listen und Aufsätze bekannt, die den Umfang aller Veröffentlichungen erahnen ließen, wie z.B. die Greenwood-Liste (1975) oder der Packard-Katalog. In der Zeitschrift The New Yorker veröffentlichte Herbert W. Wind am 22. Sept. 1975 eine ausführliche Reportage über den Verlag Karl Baedeker. Dazu verbrachte der Autor längere Zeit im Freiburger Büro von Karl Friedrich Baedeker. Bei diesen Berichten, die in vielen Teilen nicht auf Fakten, sondern auf Erinnerungen und Erzählungen beruhten, vermischten sich schnell Sage und Wirklichkeit.

Jetzt legt der Verlag Karl Baedeker, der zur Verlagsgruppe Mairs Geographischer Verlag gehört, erstmals seit 1927[1] wieder ein Bändchen zur Verlagsgeschichte unter dem Titel Baedeker : ein Name wird zur Weltmarke vor. Es ist bemerkenswert, daß sich Mairs Geographischer Verlag nun bewußt geworden ist, welchen hohen kulturellen Stellenwert die Verlagsgeschichte des Hauses Baedeker in der Reiseliteratur und -entwicklung hat, und daß ein Name zur allgemeingültigen Marke wurde, und zwar durch die Leistungen der Verlegerfamilie während mehrerer Generationen.

Chefredakteur Dr. Peter H. Baumgarten hat zusammen mit seiner Frau Monika I. Baumgarten das Manuskript in wesentlichen Teilen verfaßt. Er schrieb schon einmal in dem bei Harenberg erschienenen Nachdruck der Rheinreise[2] das Nachwort mit ersten Hinweisen zur Frühzeit des Verlages. Der jetzige Chefredakteur Rainer Eisenschmid hat den Rezensenten wissen lassen, daß er sich des Inhalts - insbesondere zur Geschichte des Verlages in der Zeit zwischen 1933 und 1945 - angenommen hat.

Zum Inhalt: Unter dem Motto "Welche Lust gewährt das Reisen"[3] erzählen die Autoren die Verlagsgeschichte "...ohne einen wissenschaftlichen Anspruch" wie sie im Vorwort schreiben. Das Autorenteam hat den Text "locker" aufgegliedert und ihn mit zahlreichen Abbildungen versehen. Der Vorspann zu der Zeit vor 1832 erinnert inhaltlich an die hervorragenden Aufsätze und Vorträge des früher bei der Frankfurter Allgemeinen schreibenden Friedrich H. Wagner. Die Entwicklung des Verlages wird unterteilt in die Schaffensperioden der Generationen, die dem Namen zu Weltruhm verhalfen. In die Verlagsperiode unter Hans Baedeker fiel die Inflation der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts, das kurze Aufblühen mit der sich anschließenden Weltwirtschaftskrise, die Zeit des Nazi-Regimes und der letzte Leipziger Versuch eines Neuanfangs nach 1945. Hier bietet das Buch einen neuen, ersten Beitrag nicht nur zur Baedekerschen Verlagsgeschichte, sondern auch zur vergleichenden Analyse ähnlicher Vorgänge.[4] Eine intensive und objektive Auseinandersetzung mit dieser Zeit in einer umfassenden Arbeit über die Kartographie im allgemeinen und über Reiseführer im besonderen wäre ein lohnendes Unterfangen.

Die Abbildungen und die dokumentierten Beispiele sind illustrativ dem Konzept der jetzigen Reiseführer-Serie angepaßt. Peter M. Nahm stellte einige Anekdoten und verlegerische Pannen ergänzend vor. Zu kurz kommt die Freiburger Zeit unter Karl Friedrich Baedeker, unter dessen Aegide die Regional- und Stadtführer in über 200 Auflagen erschienen; sie dokumentieren die Entwicklung (West-)Deutschlands nach 1945, doch dürfen darüber nicht die beiden Bändchen über Ost-Berlin und Leipzig (2. Auflage) vergessen werden. Karl Friedrich Baedeker versuchte auch, Titel wie Südbayern oder den erstmals 1938 erschienenen Autoführer in der Serie fortzuführen.

Den Abschluß bildet eine Bibliographie der Erstausgaben. Dabei handelt es sich um eine chronologische Aufzählung der Titel von 1832 bis 1948 mit einer kursorischen Nennung der späteren Titel und des heutigen Verlagsprogramms, ergänzt um einige wenige Annotationen.[5] Von der erstmals 1981 veröffentlichten Bibliographie, deren 2. Aufl.[6] seit fünf Jahren vergriffen ist, befindet sich eine 3. Aufl. in Bearbeitung, die im Baedeker-Verlag erscheinen soll. Wir sind gespannt, welche neuen Erkenntnisse diese Bibliographie bringen wird; Sammler, Antiquare und Bibliotheken warten darauf, insbesodere auf eine ausführliche bibliographische Ergänzung der oben erwähnten Zeit nach 1945.

Alex W. Hinrichsen


[1]
Karl Baedeker 1827 - 1927. - Leipzig : Breitkopf + Härtel, 1927. (zurück)
[2]
Rheinreise von Basel bis Düsseldorf / bearb. von K. Bädeker. - 6. verb. und verm. Aufl. ..., Nachdr. der Ausg. ... 1849. - Dortmund : Harenberg, 1978. - XLVIII, 376 S. : Ill., Kt. - (Die bibliophilen Taschenbücher ; 29). - ISBN 3-921846-29-3. (zurück)
[3]
Vgl. Welche Lust gewährt das Reisen! : mit Kutsche, Schiff und Eisenbahn / Heinrich Krohn. - 2. Aufl. - München : Prestel, 1987. - 387 S. : Ill. - ISBN 3-7913-0703-7 : DM 29.80 sowie diverse Aufsätze und Vorträge dieses Autors zum selben Thema. (zurück)
[4]
Man denke etwa an "Den braunen Meyer", der heute noch im DTV-Lexikon - bezogen auf die nationalsozialistische "Rassenlehre" - fortbesteht oder Christine Keitz' Untersuchungen zum Arbeitertourismus am Institut für Tourismus der FU Berlin. (zurück)
[5]
Eine Anmerkung dazu: Französisch war in der Zeit des ausgehenden 18. und des beginnenden 19. Jh. immer noch die Sprache des gehobenen Standes; daher gab es auch bei den führenden Reiseführern dieser Zeit französische Ausgaben, z.B. H. A. O. Reichards Guide des voyageurs, der in einzelnen Teilen höhere französischsprachige Auflagen erzielte als deutschsprachige. (zurück)
[6]
Baedeker's Reisehandbücher : 1832 - 1990 ; Bibliographie 1832 - 1944, Verzeichnis 1948 - 1990, Verlagsgeschichte / von Alex W. Hinrichsen. - 2. Aufl. - Bevern : Hinrichsen, 1991. - 344 S. ; 16 cm. - ISBN 3-922293-19-0 : DM 66.00 [1226]. - Rez.: ABUN in ZfBB 38 (1991),4, S. 395 - 400. - Diese Bibliographie wird übrigens durch eine relativ ausführliche Verlagsgeschichte (S. 11 - 87) eingeleitet. [sh] (zurück)

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