Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Klassiker der Jugendliteratur in Übersetzungen


99-1/4-031
Klassiker der Jugendliteratur in Übersetzungen : Struwwelpeter, Max und Moritz, Pinocchio im deutsch-italienischen Dialog / Sonia Marx. - Padova : Unipress, 1997. - 220 S. : Ill. ; 24 cm. - (Pubblicazioni del Dipartimento di Lingue e Letterature Anglogermaniche dell'Università di Padova ; 8). - ISBN 88-8098-025-4 : Lit. 30.000
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Struwwelpeter, Max und Moritz sowie Pinocchio kann man wohl zu Recht zu den klassischen Kinderbüchern zählen. Wenn auch der Begriff "klassisch" nicht genau definiert ist, so berechtigen die Verbreitung, Beliebtheit, der bis heute andauernden Erfolg sowie ihr anerkannter literarischer und künstlerischer Wert der über hundert Jahre alten Werke dazu. Mit Problemen ihrer Übersetzung ins Italienische bzw. Deutsche beschäftigt sich die Verfasserin in sieben Aufsätzen, die zwischen 1987 und 1994 in italienischen und deutschen Publikationen erschienen sind. Sie wendet sich mit der Zusammenstellung dieser Aufsätze an "Lehrende, Lernende und Forschende im Bereich des Sprachenpaares Deutsch - Italienisch, die sich für literarische Kinderbücher interessieren."

Die beiden deutschen Klassiker sind spät in Italien bekannt geworden. Der Struwwelpeter wurde in Italien erst 1882 übersetzt, fast vierzig Jahre nach seinem ersten Erscheinen. Zu dieser Zeit war er in Dänemark (1847), England (1848), Schweden, Finnland (1849), Rußland (1857) und Frankreich (1860) schon lange bekannt. Als Gründe für die Verzögerung werden die "unterschiedliche Geschmackskultur" angegeben. Auch "fehlte in Italien für die Wahl des Mediums (Bildgeschichte) und den Grundcharakter des Werkes eine entsprechende Tradition". Es gelang dem Struwwelpeter nicht "sich in Italien einzubürgern." Die "mangelhafte dichterische Qualität seiner ersten Übersetzung" (hier wird die "kindertümelnde Klischeesprache, die sich vor allem durch Beschönungen und Verniedlichungen" auswirkt, genannt) mag dazu beigetragen haben. Erst 1985 erschien ihre 10. Auflage. Es vergingen neunzig Jahre nach der ersten Übersetzung bis eine weitere Übertragung ins Italienische vorlag. Die dritte und bisher letzte erschien 1986. Allgemein wurde in Italien der pädagogische Gehalt noch in den siebziger Jahren negativ beurteilt.

Max und Moritz hatten es in Italien anfangs noch schwerer. Erst 1923 also 85 Jahre nach der Erstausgabe gab es eine Übersetzung ins Italienische. Eine dänische Ausgabe dagegen erschien schon 1866, ein Jahr nach der Erstausgabe. Englische (1871), russische (1888), ungarische (1895) u.a. folgten. Die italienische Ausgabe erschien aber nicht in Italien, sondern wurde von Braun und Schneider in München, dem Verlag der ersten Ausgabe herausgegeben. Leider geht die Verfasserin nicht auf die Verzögerung und das Zustandekommen der "Exportausgabe" ein. Weitere Übersetzungen in Italien erschienen erst vierzig Jahre später (1965, 1973, 1974, 1981, 1983).

Der Pinocchio war ab 1881 in Fortsetzungen in einer Kinderzeitschrift und 1883 als Buch erschienen. O. J. Bierbaum machte ihn unter dem Titel Zäpfel Kern in Deutschland bekannt. Die erste Übersetzung von A. Grumann 1913 im Herder-Verlag wurde gleich ein großer Erfolg. 1982 erschien die 100. Auflage. Insgesamt erschienen bis heute im deutschen Sprachraum ca. vierzig Fassungen, dazu sieben Ausgaben für den Unterricht, fünf Fassungen für das Fernsehen, zehn Märchenhörspiele und Bühnenstücke, sowie unzählige Bearbeitungen für Schallplatte und Musikkassette. Heute liegen "mehr als 220 Übersetzungen in sämtliche Nationalsprachen vor." Die Behauptung "Nach der Bibel gilt Collodis Erzählung als das auf der Welt meist verbreitete Buch ..." ist dennoch übertrieben und stimmt nicht.

Die Verfasserin untersucht unter anderen die Übersetzung der Spott- und Necknamen beim Struwwelpeter, Probleme der Übersetzung von Bildgeschichten bei Max und Moritz, Elemente der Sprachkomik im Spiegel der Übersetzungen und Bearbeitungen bei Pinocchio und vergleicht die übersetzten Kapitelüberschriften.

Die Darstellung der Rezeption dieser Klassiker im jeweils anderem Land ist wohl der allgemein interessanteste Teil der Aufsätze. Sonst ist die Sammlung auf den genannten Adressatenkreis eingeengt. Nicht allein der Übersetzungsproblematik wegen, auch sonst sind allgemein italienische Zitate nicht übersetzt. Selbst aus einem spanischen Werk wird nach der italienischen Übersetzung zitiert, obwohl es auch in deutscher Sprache vorliegt.

Für bibliographische Recherchen zu diesen Klassikern ist die Anlage der Nachweise unbefriedigend. Für den Struwwelpeter gibt es noch eine Bibliographie unterteilt in Primär- und Sekundärliteratur. Für die Primärliteratur werden die fünf Übersetzungen genannt. Zu Max und Moritz muß man die Titel der Übersetzungen in den Anmerkungen suchen. Dort werden "vier Versionen" aufgeführt, es "gesellt sich noch eine Teilübersetzung" hinzu. Die Anmerkungsnummer dafür fehlt aber in den Anmerkungen, und so erfährt man Erscheinungsort und Jahr nicht. Im nächsten Beitrag (der ursprünglich ein Jahr später publiziert worden war) findet sich der Abdruck einiger Seiten einer weiteren Übersetzung, von der man nur die Überschrift und den Namen des Übersetzers erfährt. Erscheinungsort und Jahr sind nicht genannt.

Für den Pinocchio wird es noch schwieriger. Für ihn gibt es keine Titelangaben. Im Abkürzungsverzeichnis sind nur der Name des Übersetzers und das Erscheinungsjahr der fünfzehn benutzten deutschsprachigen Fassungen genannt. Es wird zwar die "Besprechung von zehn weiteren, die sich für die Übersetzungs- und Rezeptionsgeschichte relevant erweisen", angekündigt, doch sind diese bereits unter den "fünfzehn Fassungen" aufgeführt. Bei diesen zehn Fassungen erfährt man wenigsten noch das Jahr ihrer ersten Ausgabe. Für "detaillierte bibliographische Angaben der zitierten Übersetzer und Bearbeiter der Abenteuer des Pinocchio verweist die Verfasserin auf ihre in italienischer Sprache erschiene Monographie Le avventure tedesche di Pinocchio (Firenze, 1990).

Heinz Wegehaupt


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