Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Zeitungen verzeichnen und nutzen


99-1/4-023
Zeitungen verzeichnen und nutzen : aktuelle Ansätze und Unternehmungen zur bibliographischen und archivalischen Beschreibung und Nutzung deutschsprachiger Zeitungen / hrsg. von Hans Bohrmann und Wilbert Ubbens. - Berlin : Deutsches Bibliotheksinstitut, 1998. - 213 S. ; 24 cm. - (Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) : Beiheft ; 7). - S. 181 - 209 Bibliographien, Standortkataloge und Bestandsverzeichnisse deutschsprachiger Tageszeitungen. - ISBN 3-87068-547-6 : DM 30.00, DM 22.50 (Forts.-Pr.)
[5135]

Der hier anzuzeigende Band gehört in eine Reihe von Readern,[1] die der Fachöffentlichkeit das Bewußtsein für die theoretisch und praktisch nicht einfache Materie Zeitungen in Bibliotheken schärfen, im besten Falle vielleicht sogar eine Verbesserung auf einem Feld erreichen möchten, das bei uns - im Vergleich beispielsweise zu entsprechenden Bemühungen in Großbritannien, den USA oder Schweden - immer noch einen eher vernachlässigten Eindruck macht. Die Herausgeber, Hans Bohrmann und Wilbert Ubbens, haben die Diskussion über zwei Jahrzehnte lang bestimmt: Bohrmann als Professor für Journalistik in Dortmund und Leiter des Instituts für Zeitungsforschung ebenda sowie Geschäftsführer des Mikrofilmarchivs der Deutschsprachigen Presse; Ubbens als Fachreferent für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der SuUB Bremen, Betreuer des DFG-Sondersammelgebietes Publizistik und durch mehrere einschlägige laufende Bibliographien auch einer weiteren Fachöffentlichkeit wohlbekannt;[2] beide arbeiten seit Jahren bei der Herausgabe fachlicher Handbücher zusammen.[3] Aber während die bisherigen Reader über Jahrzehnte hinweg sich auf die gleichförmige Klage einließen, daß keine Bibliothek mit Zeitungen so recht umzugehen wisse, hat sich die Atmosphäre nun gewandelt: "Zeitungsbibliographie ist kein Thema für Spezialisten", beginnen die Herausgeber ihr Vorwort, und: "Zeitungen werden inzwischen von so zahlreichen Benutzern aus so unterschiedlichen wissenschaftlichen und privaten Gründen nachgefragt, daß Titelaufnahme und Bestandsnachweis von Zeitungen in jeder größeren Bibliothek zunehmend quantitativ und qualitativ an Bedeutung gewonnen hat" (S. 5). Es handle sich zwar um ein komplexes Problem mit zahlreichen Widerhaken, ließe sich aber mit jeder soliden Bibliotheksausbildung meistern, versichern die Herausgeber (S. 6). Wie in Vorworten üblich, folgt dem Wort am Ende denn doch das Widerwort: und so ist denn von einem wünschenswerten nationalen "Programm der Verzeichnung der Zeitungstitel und zum Nachweis der Bestände mit anschließender Verfilmung zumindest der historisch wichtigen, besser aller Zeitungstitel" die Rede, ein deutscher Newsplan wie in Großbritannien wird angesprochen, wie er bereits vor einem Jahrzehnt und mit Bezug auf dieselben Initiativen der USA und unserer Nachbarländer im selben Zusammenhang gefordert worden war.[4] Der Band setzt - nach dem gemeinsamen Vorwort der Herausgeber - in einem Abschnitt Massenmedium Zeitung: Zukunft und Nutzung die Presse zunächst in Beziehung zu ihrer konventionellen Archivierung und zu den elektronischen Medien; über Umfang und Verfilmungsgrad der historisch wertvollen Tagespresse und über die DFG-Fördermaßnahmen zur Bestandserhaltung historisch wertvoller Zeitungen berichten weitere Aufsätze dieses ersten Teils. Bibliographien und Bestandsnachweise bundesweit und nach Ländern und Regionen fassen die nächsten beiden Abschnitte zusammen. Hier liegt der Schwerpunkt des Bandes. Überregionale Nachweise werden in der Theorie und als Aufgabe, aber auch anhand von konkreten Projekten dargestellt, dabei handelt es sich um die Zeitungsverzeichnung der Deutschen Bibliothek und die Einbeziehung von Zeitungen in die Berliner Zeitschriftendatenbank. Regionale Projekte der Zeitungsbibliographie und -bestandsverzeichnung werden für Oldenburg, Sachsen, Nordfriesland, Sachsen-Anhalt und Brandenburg sowie für die Presse Ost- und Westpreußens und die baltendeutschen Zeitungen beschrieben, in der Regel von Projektbeteiligten selbst. Berichte über zwei Österreichische Initiativen schließen sich an. Unter dem Titel Begleitende Projekte wird schließlich Auskunft gegeben über Zeitungsstichtagsammlungen (Walter J. Schütz), Arbeiten zur Quellenkunde der sächsischen Pressegeschichte (Mathias John) sowie über das Mikrofilmarchiv der Deutschsprachigen Presse und sein Bestandsverzeichnis (Manfred Pankratz). Pankratz legt außerdem am Schluß des Bandes ein Verzeichnis von Bibliographien, Standortkatalogen und Bestandsverzeichnissen deutschsprachiger Tageszeitungen vor. "Die Sammelpublikation soll Ausgangspunkt und Anstoß einer Diskussion sein, die zu einer Zeitungsbibliographie für Deutschland führt", schließt die Einleitung (S. 11). Tatsächlich lassen die hier dokumentierten Ansätze dieses Ziel vielleicht zum ersten Mal erreichbar erscheinen. - Die Namen und Anschriften der Verfasser runden den Band wie üblich ab; ein Sachregister fehlt.

Ein erstes Durchblättern vermittelt den Eindruck von Ungleichmäßigkeit, besonders bei den eigentlichen Projektbeschreibungen im Hauptteil des Bandes. Insgesamt überwiegen knappe Darstellungen. Die Aufsatzlänge beträgt durchschnittlich achteinhalb Druckseiten; einige Projektberichte liegen wesentlich darunter. So hätte man gern mehr als eine Andeutung von Gert Hagelweide gehört über sein hochbedeutsames, in Bearbeitung befindliches Projekt einer Bibliographie der ost- und westpreußischen Presse bis 1945 - auf einer halben Druckseite: geplant ist offenbar eine Bibliographie mit Standortnachweis, aber die Angaben über das zur Veröffentlichung im Jahre 2000 vorgesehene Manuskript sind zu dürftig, als daß der Leser sich einen zuverlässigen Eindruck bilden könnte.

Seit Peter Stein seine brillante Zeitungsbibliographie Nordostniedersachsens vorgelegt hat, kann man aus Lüneburg Analysen und Projekte erwarten, die die Entwicklung vorantreiben und sich dennoch finanzieren lassen.[5] Seine allgemeine Darstellung 15.000 - x: Was ist 'historisch-wertvolle' Tagespresse in Deutschland, welchen Umfang hat sie und wie ist ihr Verfilmungsgrad zu bewerten? (S. 28 - 38) bietet das - an strategisch günstigen Stellen wieder hinterfragte - Zahlengerüst für die weitere bibliothekarische Zeitungsverfilmung und belehrt den Bibliothekar gleichzeitig über den vermutlichen Umfang des Materials. Daß Stein sich dabei sofort in die Diskussion mit anderen Autoritäten wie der DFG verwickelt, ist kein Schade.[6]

Das Gegenbeispiel bietet die Darstellung Zeitungen und die Zeitschriftendatenbank von Hartmut Walravens, dem Leiter dieser Institution. Die ZDB bot über Jahrzehnte die einzige vernünftige Möglichkeit des überregionalen Nachweises von Periodika. Wer sich ihrer bediente, und das waren praktisch alle am Leihverkehr und an der Zeitschriftenkatalogisierung beteiligten Personen und Institutionen, nahm die Nachteile in Kauf, die durch den ursprünglichen Verzicht auf Autopsie und ein ausschließlich an der Zeitschrift im Gegensatz zur Zeitung orientiertes, rigide gehandhabtes Titelaufnahmeformat entstanden. Das läßt auch heute noch wenig Spielraum für abweichende Tatbestände, und seine Anpassung an die sich über die Jahrzehnte ändernden Gegebenheiten der Praxis ist im Laufe der Zeit immer mühsamer geworden. Probleme entstehen der ZDB nicht zuletzt dadurch, daß sie bereits so früh entwickelt wurde und die Wandlung der überregionalen, zentralen EDV-Kataloge zu regionalen Netzen nur unvollkommen und schleppend nachvollziehen konnte. Das Selbstverständnis der ZDB aus den siebziger Jahren in der Frage der Zeitungskatalogisierung meint man in Walravens' Aufsatz gespiegelt zu sehen. Sie stand niemals im Mittelpunkt der ZDB, und nicht zufällig lobt Walravens bereits im zweiten Absatz seines Aufsatzes den Katalog von Hans Traub - von 1933.[7] Auch was an quasi offiziöser Historie berichtet wird, können Kenner nicht immer bestätigen: So wurde das hier "Gesamtbibliographie der deutschen Zeitschriften" genannte GDZS[8] nicht abgebrochen, weil es, wie Walravens meint, "die Kräfte der Abteilung überstieg" (S. 71, Anm. 6), sondern weil die DFG-Zuwendungen nur noch für die ZDB insgesamt und nicht mehr für Einzelprojekte wie etwa das manuell erstellte und 1978 mit dem 30. Nachtrag abgeschlossene Parallelunternehmen für ausländische Zeitschriften (GAZS) gewährt wurden. Die von Walravens geäußerten Zweifel an der Durchführbarkeit des abgebrochenen GDZS-Projektes beruhen bestenfalls auf Mutmaßungen. Eine ernsthafte Machbarkeitsstudie hat es nie gegeben. - Leider liegen die Ausführungen zur Behandlung der Zeitungen in der ZDB auf derselben Linie. Walravens berichtet, das DFG-Sondersammelgebiet "Ausländische Zeitungen" der SB Berlin habe zum Aufbau des Standortverzeichnisses ausländischer Zeitungen und Illustrierten (SAZI) geführt, und er versteht darunter eine Art zentralen Zettelkatalog, aus dem Martin Winckler dann den gedruckten Katalog[9] erarbeitet hätte; hier hat seinen Informanten die Erinnerung getrogen. Der zentrale Zettelkatalog ging aus einem Redaktionskatalog hervor, der für das gedruckte Verzeichnis erhoben wurde.[10] Das spätere Sondersammelgebiet war damals noch bestenfalls ein schöner Traum der Beteiligten. Ein genetischer Zusammenhang zwischen dem SAZI und dem SSG "Ausländische Zeitungen" sollte nicht nachträglich konstruiert werden. Walravens selbst erklärt an anderer Stelle, die ZDB habe keinerlei Ambitionen, eine pressehistorische Datenbank zu werden (S. 55, Anm. 19). Der SAZI-Redaktionskatalog wurde, wie der Verf. korrekt berichtet, mit DFG-Hilfe in die ZDB überführt. Aber was dem ZDB-Chef als positiv gilt, stellt tatsächlich einen Schritt dar, auf den man sich besser nicht eingelassen hätte. Die an Ort und Stelle anhand von Autopsie erfaßten Zeitungsdaten des Südwest-Verbundes beispielsweise geben bibliographisch einwandfrei tatsächlich vorhandene Bestände an. Die SAZI-Daten beruhen hingegen ursprünglich auf Bibliotheksmeldungen, deren Regel- und Sachgerechtigkeit nicht größer sein kann als die der zugrunde liegenden, höchst unterschiedlichen, aus verschiedenen Zeiten stammenden und nach verschiedenen Regelwerken produzierten Titelaufnahmen der Ursprungsbibliotheken. Wer Zeitungskataloge kennt, kann das Problem würdigen - Wilbert Ubbens[11] spricht von der "gängigen Praxis der Nichtkatalogisierung resp. der nur vorläufigen oder ungenügenden Katalogisierung von Zeitungen in Bibliotheken" und berührt die Frage der titelaufnehmerischen Kompetenz.[12] Praktiker haben demgemäß immer wieder davor gewarnt, Zeitungen anhand von Vorkatalogisaten in Verbunddatenbanken zu überführen. Sie sind auch hier anders zu behandeln als fortlaufende Sammelwerke schlechthin.[13] Jürgen Bunzel spricht in unsere Sammelband von Nachweislücken der ZDB, die aus der Schwierigkeit mit dem geforderten Titelaufnahmeformat erwachsen seien (S. 43).[14]

Interessierte erfahren bei dieser Gelegenheit, daß von dem unfangreichen Zeitungs-Altbestand der Berliner Staatsbibliothek bisher lediglich die unter der Sondersignatur Ztg geführten Zeitungen in der ZDB nachgewiesen sind. Da bereits 1990 Signaturenlisten für die Zeitungen des übrigen Altbestandes vorlagen, ist diese Entscheidung schwer verständlich, denn gerade unter den noch nicht aufgearbeiteten Signaturen dürfen zahlreiche Unikate vermutet werden. Dem Leiter der ZDB kann das allerdings wohl nicht angelastet werden. Daß er allerdings verlangt, im Druck vorliegende Kataloge abgeschlossener Zeitungsbestände wie die von Gittig[15] in die ZDB einzubringen mit der Begründung, sie könnten dann bequemer aktualisiert werden, scheint doch eher merkwürdig. - Seit Beginn der Arbeiten an der SAZI-Konversion hatten die Zeitungsbibliothekare, damals vertreten durch die DBI-Zeitungskommission, um die Öffnung des ZDB-Regelwerks für ihr Material gekämpft, nachzulesen etwa im Reader Zeitungen in Bibliotheken von 1986. Die ZDB hat sich solchen Bemühungen gegenüber stets taub gestellt. Walravens ignoriert dieses Versagen seiner Behörde über anderthalb Jahrzehnte und möchte den Eindruck erwecken, daß die Schwierigkeiten erst neuerdings erkannt und denn auch umgehend mit positivem Ergebnis diskutiert worden seien. Beides ist falsch; die höchst einseitige Diskussion dauert bereits knapp zwei Jahrzehnte, und das endlich erzwungene Ergebnis bleibt unbefriedigend. Wer sich die Mühe macht, die abschreckenden, nach Titelaufnahme-Kategorien gefelderten Zeitungsbeispiele im Anhang des Aufsatzes durchzuarbeiten, wird finden, daß es sich gegenüber der Titelaufnahme für allgemeine Periodika bestenfalls um Schönheitskorrekturen handelt, die keineswegs alle neu beschlossen, sondern zum Teil eben schon zwanzig Jahre alt sind. Die Zeitungsspezialisten aus Dortmund und Stuttgart, mit denen die ZDB diskutiert hat, scheinen vor der Macht des Faktischen kapituliert zu haben. Wilbert Ubbens zeigt die Defizite auf. Er führt die unendliche Geschichte der Zeitungsbehandlung in der ZDB fort, steuert aber erstmalig ein vernünftiges Ergebnis an, indem er sich auf eine "grundsätzliche Kritik an der bibliothekarischen Katalogisierungspraxis für Zeitungen mit Hilfe von ZETA" (S. 62) einläßt und eine angemessene Titelaufnahme für Zeitungen - nach PICA vorstellt. Der Hauptpunkt der Kritik gilt der Forderung des ZDB-Regelwerks, einen unter Umständen sehr langlebigen publizistischen Organismus anhand chronologisch variierender Titelfassungen in eine Vielzahl von Aufnahmen auseinanderzureißen (S. 52). Das führe im Falle der Zeitungen, so Ubbens, zu falschen Lösungen; nicht nur in der Titelaufnahme, sondern auch beim Auffinden der nachgewiesenen Bestände, da die Praxis der Aufbewahrung von Zeitungen in Bibliotheken und Archiven ohnehin nie dem Titelformalismus gefolgt sei (S. 62). Ubbens informiert dabei gleichzeitig über ein Projekt, bei dem regional gegliederte Teams die Zeitungsbestände einzelner Regionen zum Nachweis in PICA-Datenbanken aufspüren und erfassen, und faßt die Aussichten eines solchen Vorgehens zusammen: "vom Ergebnis sicher erfolgreicher als die - bisherige - bloße Aufgabenverteilung an alle Verbundbibliotheken und die ... verdienstvolle, aber nicht grundsätzliche Problematisierung der Titelaufnahme von Zeitungen mit Hilfe von ZETA" (S. 70). Man sollte dabei jedoch nicht übersehen, daß derzeit weder die ZDB noch der PICA-Verbundkatalog des GBV auf die spezifischen Bedürfnisse der Zeitungsforschung und -benutzung abgestellt sind; "sie berücksichtigen nicht die Tatsache, daß die Zeitungen als dritte Hauptgruppe des gedruckten Schrifttums anders benutzt werden als Monographien und Zeitschriften".[16] Der Aufsatz Walravens' könnte dazu beitragen, das Mißtrauen mancher Zeitungsbibliothekare in die ZDB zu verstärken. Seine historischen Abschnitte sind unzuverlässig, der gegenwärtige Zustand wird einseitig zugunsten eines revisionsbedürftigen Status quo interpretiert, die Zukunftsperspektiven scheinen fraglich. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die Bemühungen der ZDB um die Zeitungskatalogisierung von einem Außenstehenden dargestellt worden wären.

Der Rezensent schließt sich der Meinung von Oberschelp und seinen Mitarbeitern an, daß der Zeitungsnachweis über die ZDB auch nach der Regelwerk-Diskussion nur ein Notbehelf sein kann, bis eine eigenständige Zeitungs-Datenbank zur Verfügung steht (S. 53). Es besteht nach dieser Auffassung kein Zweifel daran, daß die bibliographisch saubere Dokumentation der vorhandenen Zeitungsbestände im deutschsprachigen Raum zudem nur auf regionaler Basis möglich ist. Gert Hagelweide hatte die dazu erschienenen Verzeichnisse bis 1970 im ersten Band seiner Zeitungsbibliographie zusammengefaßt.[17] Für später erschienene Bibliographien oder Bestandsverzeichnisse war man bisher auf die o.a. Jahresbibliographien von Ubbens angewiesen. Die Lücke schließt nun Manfred Pankratz mit seiner umfangreichen Aufstellung Bibliographien, Standortkataloge und Bestandsverzeichnisse deutschsprachiger Tageszeitungen (S. 181 - 209). Er hat seiner Zusammenstellung den (gelegentlich ergänzten) Literaturbestand des Instituts für Zeitungsforschung zugrunde gelegt, einschließlich der Angabe von Signaturen. Reine Zeitungsnachweise überwiegen, doch findet man auch allgemeine Verzeichnisse wie den Guide to microforms in print oder die CD-ROM-Ausgabe der ZDB; formal breit gefächerte Zugangsverzeichnisse wie die Liste der im Archiv des Instituts für Publizistik [der FU Berlin] laufend bezogenen Zeitungen und Zeitschriften; Listen von eingeschränkter Zugänglichkeit wie einen Computerausdruck der Zeitungsbestände der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (Berlin-West), die in den Bestand der Deutschen Staatsbibliothek (Berlin-Ost) eingearbeitet worden sind (1992) oder den Ausdruck der Zeitungen der Württembergischen Landesbibliothek aus der ZDB in vier Bänden (1998). Auf Werke wie den Stamm oder die IVW-Auflagenliste wird hingegen ausdrücklich als unspezifisch verzichtet (S. 181). Bibliographien des deutschsprachigen Auslands sind nur berücksichtigt worden, wenn sie auch innerhalb des deutschen Staatsgebietes erschienene Zeitungen nachweisen. Der Rezensent regt an, diese Beschränkung bei einer - dann wohl selbständig erscheinenden - Neubearbeitung der Bibliographie fallen zu lassen. Bei der so unübersichtlichen politisch-geographischen Geschichte Mitteleuropas scheinen Ausgrenzungen dieser Art wenig Sinn zu machen. Ziel sollte die Erfassung aller Nachweise deutschsprachiger Zeitungen sein, unabhängig vom Erscheinungsort. Falls die Quellenlage es zuläßt, wäre selbst die Beschränkung auf Europa zu überdenken. - Bibliographische Arbeiten dieser Art sind mühsam, zeitaufwendig und in der Regel undankbar. Wir sollten Manfred Pankratz für die seine sehr danken. Der Autor bekundet die Absicht, die Bibliographie gegebenenfalls als selbständige Publikation fortzuführen. Das ist wünschenswert und wäre für alle an der Materie Interessierten höchst nützlich.

Noch stärker als ein Sachregister mag der Leser, selbst der Sachkenner, ein Glossar vermissen. Der Band ist ein gutes Beispiel für die Diversifikation unserer Fachsprachen. Rohthesaurus (S. 94 und passim) beispielsweise ist bei aller Anschaulichkeit keineswegs ohne Erklärung verständlich; Split führt auf den ersten Blick die dalmatinische Hafenstadt vor Augen (passim); die Rubrikanzeige (S. 23) fehlt sogar im Zeitungswörterbuch (s.o.) derselben Herausgeber:[18] vermutlich ein Übersetzungsversuch von classified advertisement (was wohl besser Kleinanzeige hieße). Manchmal allerdings wird die englische Vokabel unübersetzt in Anführungszeichen eingeschlossen, was auf sprachliches Problembewußtsein deuten könnte ("User" S. 24). Wenn schätzen und abschätzen, jedoch und allerdings verwechselt werden (S. 8 und 25), oder wenn die der englischen Syntax eigentümliche Redundanz in einen deutschen Satz übernommen wird, der dadurch so ziemlich unverständlich wird (S. 24), so lassen sich derlei Defizite selbstverständlich nicht durch ein Glossar ausgleichen.

Der Band vermittelt insgesamt den Eindruck, daß die Atmosphäre bei Erörterung des Themas - wie die Herausgeber ja auch andeuten - offener geworden ist. Die Schwelle zwischen Bibliotheken, Archiven und anderen Institutionen scheint niedriger geworden zu sein. Neue Personen und Projekte treten auf, besonders auf regionaler Ebene. Die grundsätzlichen Probleme sind dabei keineswegs gelöst: Peter Stein fehlt "eine zentral zusammenführende deutsche Pressebibliographie" (S. 38); Walter Barton wünscht sich eine "zentrale Zeitungsdatenbank" (S. 93); ob die ZDB oder der Göttinger Verbund auf der Grundlage von PICA dabei die tragende Rolle spielen werden, ob gar eine Doppelverzeichnung sinnvoll erscheint, das wäre noch zu klären (Oberschelp u.a., S. 56); immer wieder wird ein nationales Erfassungsprogramm für Zeitungen gefordert (S. 6) - vielleicht 30.000 Titel bis 1990 nur für das Gebiet der Bundesrepublik (S. 54).[19] Über den Stellenwert der bisherigen Verfilmungen herrscht noch Dissenz (S. 37 und 40).

Schließlich gibt unser Sammelband - entgegen seinem Titel - kaum Auskunft über die Nutzung des Materials. Die Zugänglichkeit der gesammelten Bestände, die Leihverkehrsmöglichkeiten und -unmöglichkeiten werden gelegentlich im Zusammenhang mit der Mikroverfilmung angeschnitten. Das ist nicht zufällig, denn die Zeitungsbenutzung bleibt von lokalen und institutionellen Faktoren abhängig, deren Generalisierung leicht utopische Züge annehmen kann. Fazit: Eine überwiegend geglückte Darstellung der Situation und der zukünftigen Entwicklung auf diesem, es sei wiederholt, eminent schwierigen Terrain. Der Bibliographie von Pankratz ist die Weiterführung als selbständige Publikation zu wünschen.

Willi Höfig


[1]
Zeitung und Bibliothek : ein Wegweiser zu Sammlungen und Literatur. Pullach bei München : Verlag Dokumentation, 1974. - Rez.: ABUN in ZfBB 22 (1975),2, S. 168 - 169. - Kooperationsmöglichkeiten für Zeitungssammelstellen. - Berlin : Deutscher Bibliotheksverband, Publikationsabteilung, 1978. - (AfB-Materialien ; 23). - Zeitungen in Bibliotheken. - Berlin : Deutsches Bibliotheksinstitut, 1986. - (Dbi-Materialien ; 49). - Zeitungen sammeln : Diskussionen und Perspektiven. - Berlin : Deutsches Bibliotheksinstitut, 1988. - (Dbi-Materialien ; 77). (zurück)
[2]
Jahresbibliographie "Zeitungen in Bibliotheken" / Wilbert Ubbens. // In: Bibliothek: Forschung und Praxis. - Beginn der Berichterstattung mit Berichtsjahr 1980. - Im Internet unter http://webdoc. sub.gwdg.de/edoc/aw/bfp/titel.htm
Jahresbibliographie Massenkommunikation. - Berlin : Spiess. - 1. 1974/75 (1976) - . - Zuletzt 1996 (1998). (zurück)
[3]
Handbuch der Pressearchive : ... internationale Auswahlbibliographie 1971 - 1982. - München [u.a.] : Saur, 1984. - Rez.: ABUN in ZfBB 32 (1985),3, S. 249 - 250. - Zeitungswörterbuch : Sachwörterbuch für den bibliothekarischen Umgang mit Zeitungen. - Berlin : Deutsches Bibliotheksinstitut, 1994. - Rez.: IFB 94-3/4-419. (zurück)
[4]
Vgl. Zeitungen sammeln (1988), passim. (zurück)
[5]
Die nordostniedersächsische Tagespresse : von den Anfängen bis 1945 ; ein Handbuch / Peter Stein. - Stade, 1994. - 511 S. ; 25 cm. - (Schriftenreihe des Landschaftsverbandes der Ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden ; 6). - Enth. S. 363 - 485: Bibliographie der nordostniedersächsischen Tagespresse von den Anfängen bis 1945. - Rez.: IFB 95-2-178 sowie in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte. - 120 (1995), S. 222 - 225. (zurück)
[6]
Stein vs. DFG: vgl. S. 37 und 40. (zurück)
[7]
Standortskatalog wichtiger Zeitungsbestände in deutschen Bibliotheken. - Leipzig : Hiersemann, 1933. Vor der Benutzung im Leihverkehr war seitens der Benutzungskommission des DBI im Zusammenhang mit der LVO 1979 ausdrücklich gewarnt worden: Die Ordnung des Leihverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland : Text und Kommentar ... / hrsg. von Bernhard Sinogowitz und Werner Kratsch. - Frankfurt am Main : Klostermann, 1982. - (ZfBB : Sonderh. ; 35), S. 111. (zurück)
[8]
Gesamtverzeichnis deutschsprachiger Zeitschriften und Serien in Bibliotheken der Bundesrepublik einschließlich Berlin (West) : Titel vor 1971 mit Besitznachweisen / bearb. u. hrsg.: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Gesamtkataloge und Dokumentation. - Stand: Dez. 1976. - München : Verlag Dokumentation, 1977. - Bd. 1 - 2. - Rez.: ABUN in ZfBB 24 (1977),4, S. 371 - 373. (zurück)
[9]
Standortverzeichnis ausländischer Zeitungen und Illustrierten in Bibliotheken und Institutionen der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) : SAZI / hrsg. von der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz. Bearb.: Martin Winckler. - Stand: 1. August 1973. - Pullach bei München : Verlag Dokumentation, 1975. - Rez.: ABUN in ZfBB 22 (1975),3, S. 324 - 325. - (Der Titel sit bei Walravens ungenau zitiert.) (zurück)
[10]
Jahresbericht der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz. - 1970/73, S. 114. - Der Sachverhalt wird korrekt in der genannten Rezension, S. 325 wiedergegeben. (zurück)
[11]
Zur Definition und bibliographischen Beschreibung von Zeitungen / Wilbert Ubbens, S. 62 - 70. (zurück)
[12]
Vgl. Besonderheiten bei der Formalkatalogisierung von Zeitungen, speziell im Hinblick auf EDV-Gesamtverzeichnisse / Willi Höfig. // In: Zeitung und Bibliotheken. - 1974, S. 106 - 186, hier besonders ab S. 112. (zurück)
[13]
Ebenda S. 106. Peter Stein findet die ZDB ungeeignet für den Zeitungsnachweis. Vgl. Für eine deutsche Pressebibliographie von unten / Peter Stein. // In: Publizistik. - 36 (1991),1, S. 86 - 96; hier: S. 86. (zurück)
[14]
Fördermaßnahmen der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Bestandserhaltung historisch wertvoller Zeitungen / Jürgen Bunzel. - S. 39 - 45. (zurück)
[15]
Etwa: Brandenburgische Zeitungen und Wochenblätter : Katalog der Bestände vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart in Archiven, Bibliotheken und Museen des Landes Brandenburg und in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz / bearb. und hrsg. von Heinz Gittig. - Berlin : Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, 1993. - Rez.: IFB 94-1-028. - Mecklenburgische und pommersche Zeitungen und Wochenblätter : Katalog der Bestände vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart in Archiven, Bibliotheken und Museen des Landes Mecklenburg-Vorpommern, in der Bezirks- und Stadtbibliothek Szczecin und in der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz / bearb. und hrsg. von Heinz Gittig. - Berlin : Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, 1994. - Rez.: IFB 94-3/4-366. (zurück)
[16]
Gedanken zu einem Nachweis der Zeitungen in Deutschland : Projektbeschreibung / Reinhard Oberschelp ; Friedrich Hülsmann ; Annette Rath-Beckmann ; Wilbert Ubbens. - S. 49 - 61. (zurück)
[17]
Literatur zur deutschsprachigen Presse : eine Bibliographie ; von den Anfängen bis 1970 / Gert Hagelweide. - München [u.a.] : Saur. - (Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung ; 35). - ISBN 3-598-21284-4. - Bd. 1. Handbücher, Lexika, Bibliographien, Pressesammlung u. -dokumentation, Organisation der Presse (Verbände), Zeitungs-, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Presse im Wechselspiel der Medien und der Öffentlichkeit. - 1985. - XXXVI, 464 S. - Rez.: ABUN in ZfBB 33 (1986),2, S. 123 - 124. (zurück)
[18]
Unser Band kennt Rubrikanzeigenbanken und den Online-Rubrikanzeigerbereich (S. 23, Anm. 5). (zurück)
[19]
Vgl. London und die Folgen : ist die Bundesrepublik ein Entwicklungsland? / Willi Höfig. // In: Zeitungen sammeln. - 1988, S. 145 - 151. (zurück)

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