Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Theaterlexikon


99-1/4-268
Theaterlexikon / hrsg. von C. Bernd Sucher. - München : Deutscher Taschenbuch-Verlag. - (dtv ; ...)
[2682]
[Bd. 1]. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker / von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock. Unter Mitw. von Jean-Claude Kunder und C. Bernd Sucher. - Orig.-Ausg., völlig neubearb. und erw. 2. Aufl. - 1999. - 795 S. ; 22 cm. - (... ; 3322). - ISBN 3-423-03322-3 : DM 48.00
Bd. 2. Epochen, Ensembles, Figuren, Spielformen, Begriffe, Theorien / von Theo Girshausen. Mit Beitr. von Helga Dressel ... - Orig.-Ausg. - 1996. - 484 S. ; 19 cm. - (... ; 3323). - ISBN 3-423-03323-1 : DM 34.00

"Noch ein Theaterlexikon!" beginnt der Herausgeber C. Bernd Sucher, Theaterkritiker der Süddeutschen Zeitung, sein Vorwort zum ersten Band und postuliert den Anspruch, erstmals ein wirklich praktikables Nachschlagewerk für Theaterpraktiker und -Besucher, für Theaterwissenschaftler und Kritiker anzubieten. Schon in der Nennung der weitgefächerten Zielgruppe liegt das Problem dieses Lexikons: was der Theaterbesucher wahrscheinlich nicht vermißt, ist für Theaterwissenschaftler unter Umständen von entscheidender Bedeutung. Der Personenband des Lexikons soll, nach dem Willen des Herausgebers, ein Nachschlagewerk zum deutschen Sprechtheater nach 1945 in subjektiver Auswahl sein, unter Berücksichtigung wichtiger Persönlichkeiten der Theatergeschichte. Ausländische Personen wurden nur aufgenommen, wenn sie durch Gastspiele o.ä. im deutschsprachigen Raum bekannt geworden sind.

Die Artikel folgen dem Strukturschema: 1. Name, 2. Lebensdaten, 3. Beruf, 4. Lebensstationen und Werkübersicht, 5. Charakterisierung und Wertung mit Hilfe ausgewählter Zitate,[1] 6. Literaturangaben (Autobiographisches, Primär-, Sekundärliteratur).

Die Subjektivität der Auswahl zeigt sich v.a. in einer gewissen Konzentration der Personenauswahl auf den süddeutschen Raum und Hamburg und in der Tatsache, daß die Zahl der Einträge zu Dramaturgen, Bühnenbildnern und Theaterschaffenden aus Grenzbereichen, wie z. B. dem Tanztheater, relativ gering ausfällt. Auch der freien Szene, dem Kabarett, dem Variété, dem Figurentheater und verwandten Formen wird nur eine beschränkte Aufmerksamkeit zuteil. Es wäre zu wünschen, daß diese Personengruppen bei einer Neuauflage mehr Berücksichtigung finden würden. Die Aufnahme theaterhistorisch wichtiger Persönlichkeiten erfolgte in so geringem Umfang sowie ohne nachvollziehbare Auswahlkriterien und erscheint somit verzichtbar. Unter Berücksichtigung der subjektiven Auswahl und der Konzentration auf das staatlich subventionierte Sprechtheater schließt der erste Band dieses Lexikons jedoch die Lücke, die andere Werke, wie das Deutsche Theaterlexikon[2] oder das Theaterlexikon von Brauneck,[3] noch offen lassen und stellt als Nachschlagewerk zu zeitgenössischen Personen des Theaterlebens mit ca. 1500 Artikeln eine sinnvolle Ergänzung zu bisher erschienenen Theaterlexika dar.

Die vorstehende Beurteilung bezog sich auf die 1. Aufl. 1995.[4] Die während der Drucklegung des vorliegenden Heftes von IFB Anfang Oktober eingegangene 2. Aufl. des weiterhin nicht gezählten ersten Bandes erscheint in etwas größerem Format, doch kann man weder daraus, noch aus dem knapp 20 Seiten geringeren Umfang Rückschlüsse auf den Inhalt ziehen. Lt. Waschzettel sind 1650 Personen berücksichtigt. Die Überprüfung einer Stichprobe aus dem Alphabetabschnitt A - Am ergab folgendes: alle Artikel sind teils minimal ergänzt, (Fortschreibungen, Literaturangaben) teils tiefgreifend überarbeitet und dabei länger geworden (von letzterem profitieren primär noch "aktive" Personen); zwei mittellange Artikel[5] sind neu hinzugekommen, dafür sechs kurze weggefallen.[6] Das Urteil über die Subjektivität der Auswahl muß also nicht geändert werden, und es wäre wohl empfehlenswert, wenn sich Bearbeiter (M. Piekenbrock für die Autoren, C. Dössel für die anderen Bereiche) und Herausgeber ganz auf "das deutschsprachige Schauspiel nach 1945" beschränkt hätten, unter Einschluß derjenigen ausländischen Autoren, Regisseure und Schauspieler, die in dieser Zeit im deutschsprachigen Raum gespielt wurden bzw. dort gewirkt haben. [sh]

Der zweite, weitaus schmalere Band des Theaterlexikons referiert in ca. 500 Artikeln, zum größten Teil von dem ausgewiesenen Theaterwissenschaftler Theo Girshausen verfaßt, Epochen, Ensembles, Figuren, Spielformen, Begriffe und Theorien. Er legt stärkeres Gewicht auf Internationalität und Aspekte der Theatergeschichte, wobei auch hier das Gegenwartstheater im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Überblicksdarstellungen zu einzelnen Epochen sollen durch Artikel zu konkreten Beispielen kontrastiert werden, um so auch Widersprüche und Ausnahmen zu allgemeinen Tendenzen aufzudecken. Diesem Anspruch wird der Band - durch das im überschaubaren Rahmen gehaltene Verweisungssystem - weitestgehend gerecht, doch erstaunt teilweise die Gewichtung der Artikel. So werden dem Artikel Balagan ganze vier Spalten gewidmet, dem Überblicksartikel zum Barocktheater jedoch nur zwei Spalten zugestanden. Hier wäre eine etwas ausführlichere Darstellung wünschenswert. Manche Artikel vermißt man ganz, z.B. Gastspiel, andere, vor allem zum Theater im 19. Jahrhundert, wurden abgehandelt, ohne neuere Erkenntnisse der Forschung zu berücksichtigen. So wird z.B. die Wandertruppe als reine Vorform des stehenden Theaters geschildert, die zum Ende des 18. Jahrhunderts aufhörte zu existieren, obwohl eine Reihe von Forschungsarbeiten der letzten Jahre die große Rolle der Wandertruppen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts festgestellt haben. Hier (wie bei zahlreichen anderen Beispielen auch) besteht Nachholbedarf. Es ist zu hoffen, daß dies bei einer Überarbeitung berücksichtigt werden wird.

Zu begrüßen sind die Theorieartikel, die sich nicht nur schwerpunktmäßig mit Theatertheorien der klassischen Moderne befassen, sondern auch theoretische Ansätze der neueren Zeit referieren. Auch wenn hier der ein oder andere Artikel noch vermißt wird,[7] stellt dies einen Vorteil gegenüber dem Theaterlexikon von Brauneck dar, das auf Theorieartikel weitestgehend verzichtet.

Peter Schmitt


[1]
"... aus Theater heute, der Zeit, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Frankfurter Rundschau, dem Berliner Tagesspiegel und der Süddeutschen Zeitung ..." (S. 7). (zurück)
[2]
Deutsches Theater-Lexikon : biographisches und bibliographisches Handbuch / begr. von Wilhelm Kosch. Fortgef. von Ingrid Bigler-Marschall. - Bern ; München : Saur. - 25 cm. - Bd. 1 - 2 mit Verlagsangabe: Ferd. Kleinmayr, Klagenfurt und Wien. - Bd. 3 mit Verlagsangabe: Francke-Verlag, Bern [1477]. - Bd. 1 (1953) - 4 (1998). - Rez.: IFB 99-B09-381. (zurück)
[3]
Theaterlexikon : Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles / Manfred Brauneck ; Gérard Schneilin (Hg.). - 3., vollst. überarb. und erw. Neuausg. - Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1992. - 1137 S. ; 20 cm. - (Rowohlts Enzyklopädie ; 465). - ISBN 3-499-55465-8 : DM 39.90 [1484]. - Rez.: IFB 93-1/2-069. (zurück)
[4]
[Bd. 1]. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker / von Christine Dössel, Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. Unter Mitarb. von Marietta Piekenbrock ... - Orig.-Ausg. - 1995. - 818 S. ; 19 cm. - (... ; 3322). - ISBN 3-423-03322-3 : DM 34.00 (zurück)
[5]
Konrad Ernst Ackermann, Schauspieler und Theaterleiter, 1712 - 1771, in Norddeutschland wirkend; Susanne Almassy, Schauspielerin, Wien, wirkte nach 1945. (zurück)
[6]
Kathrin Ackermann, 1939 - , Schauspielerin und Regisseurin; André Acquart, 1922 - , Bühnenbildner; Agatharchos, Antike, Bühnenbildner aus Samos; Aischylos; G. B. Aleotti, 1546 - 1636, Bühnenarchitekt; Jürg Ammann, 1947 - , Schweizer Schriftsteller. (zurück)
[7]
Dies läßt sich durch die kurzfristige Änderung des ursprünglichen Publikationsplanes erklären, der einen separaten Theorieband vorsah. (zurück)

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