Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 3/4
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Der Kosmos-Hunde-Führer


98-3/4-341
Der Kosmos-Hunde-Führer : mit allen FCI-Hunderassen / Eva-Maria Krämer. - 3. Aufl., aktualisierte Neuausg. - Stuttgart : Franckh-Kosmos, 1995. - 320 S. : zahlr. Ill. ; 22 cm. - ISBN 3-440-07153-7 : DM 48.80
[4805]
98-3/4-342
Enzyklopädie der Rassehunde : Ursprung, Geschichte, Zuchtziele, Eignung und Verwendung / Hans Räber. - Stuttgart : Franckh-Kosmos. - 30 cm
[4858]
Bd. 1. Bauern-, Hirten- und Treibhunde, Schäferhunde, doggenartige Hunde, pinscherartige Hunde, spitzartige Hunde, nordische Hunde, Schensihunde, Zwerghunde, Pudel, Dalmatiner. - 1993. - 768 S. : zahlr. Ill. - ISBN 3-440-06555-3 : DM 198.00
Bd. 2. Terrier, Laufhunde, Vorstehhunde, Retriever, Wasserhunde, Windhunde. - 1995. - 912 S. : zahlr. Ill. - ISBN 3-440-06752-1 : DM 224.00

Der Kosmos-Hundeführer widmet sich zunächst auf zwei Seiten sehr kurz dem Thema Rassehunde - Rassezucht und gibt Tips zum Kauf eines Rassehundes, die allerdings zu allgemein gehalten sind. Anschließend ist die Gruppeneinteilung der FCI-anerkannten Rassen mit Angabe der Seitenzahlen unter der man die Rasse findet genannt, gefolgt von einer knappen, aber durchaus korrekten Darstellung der wichtigsten Hundetypen, die in fünf Funktionsgruppen zusammengefaßt werden und in denen sich wiederum die wichtigsten FCI Gruppen finden. Es sind dies Hüte-Treib- und Hirtenhunde; Haus- und Hofhunde; Spitze und Hunde vom Urtyp; Gesellschafts- und Begleithunde; Jagd- und Windhunde; Terrier. Eingeteilt werden die einzelnen Rassen in fünf Größenklassen mit jeweils farbigem Balken am Seitenrand. Diese neue Variante kann nicht überzeugen, da der Größenstandard vieler Rassen variabel ist - zudem sind Hündinnen meist kleiner als Rüden - und zu unterschiedlichen Einordnungen führen müßte. Dazu werden noch zusammengehörende Gruppen, z.B. Terrier, zu stark auseinandergerissen. Nach welchem Gesichtspunkt die Hunde innerhalb der Gruppe dann geordnet werden, ist nicht nachvollziehbar. Die Rassedarstellungen selbst sind sachlich und vernünftig, die Photos gut.

Glossar und Register sind sehr ausführlich, die wichtigsten Adressen der Verbände aufgeführt, ein bibliographischer Teil ist ebenfalls vorhanden, mit 21 Titeln aber etwas zu dürftig.

Die umfangreichste Darstellung der Rassehunde ist in den beiden Bänden der Enzyklopädie der Rassehunde zu finden. Entstanden ist das Werk aus den rassekundlichen Beiträgen, die in Hunde : Zeitschrift für Haltung, Zucht und Sport, dem Verbandsorgan der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft, erschienen sind. In vierzehn Gruppen werden über 350 Rassen vorgestellt, wobei sich die Gruppeneinteilung zwar weitgehend an die FCI-Einteilung anlehnt, aber auch Sektionen ausgliedert und zur eigenen Gruppe erhebt. So sind die Schäferhunde nach FCI eine Sektion der Gruppe Hüte- und Treibhunde, bilden hier aber eine eigene Gruppe Schäferhunde. Mit dem Dalmatiner, bei der FCI in der Gruppe 6 Lauf- und Schweißhunde kann man offensichtlich nicht viel anfangen und verbannt ihn in die Gruppe Zwerghunde, Pudel, Dalmatiner, was er nun wirklich nicht verdient hat. Ein einführendes Kapitel erläutert die Abstammung des Hundes vom Wolf und die allgemeine Entstehung der Hunderassen.

Jede Gruppe wird kulturgeschichtlich in Wort und Bild sehr gut beschrieben, die einzelnen Rassen meist sehr ausführlich mit Name, Herkunft, Varietäten, Rasse, Standard, Pflege und Haltung, Charakter und Eigenheiten dokumentiert. Die Qualität der Abbildungen ist gut. Bei vielen Rassen wird erstmals gezeigt, wie diese in der Vergangenheit ausgesehen haben und was die Ausarbeitung der Rassestandards daraus gemacht hat. Manche Rasse würde man anhand der alten Bilder heute nicht mehr wiedererkennen.

Leider enthält die Enzyklopädie der Hunderassen keine Beiträge über Anatomie, Physiologie und Verhalten der Hunde, Bemerkungen über Hundeauswahl und -haltung und eventuell auftretende Schwierigkeiten mit der Rasse sind nur versteckt in den Einzeldarstellungen enthalten. Gesundheitliche Probleme werden weitgehend ausgespart.

Im Anhang sind nur die Abkürzungen der Verbände, nicht aber die Adressen aufgeführt. Der bibliographische Teil ist sehr ausführlich, unterteilt nach den einzelnen Rassen und einem Gesamtverzeichnis. Ein umfangreiches Register erschließt die Bände.

Fazit

Nach Auffassung des Rezensenten kommen die Enzyklopädie der Rassehunde und Kynos grosser Hundeführer einer kynologischen Enzyklopädie recht nahe und können mit kleinen Einschränkungen auch für wissenschaftliche Bibliotheken empfohlen werden, dicht gefolgt von Der BLV-Enzyklopädie der Hunde, die ihren Platz in öffentlichen Bibliotheken finden wird. Leider ist die Enzyklopädie der Rassehunde mit DM 446.00 unangemessen teuer, wenn man berücksichtigt, daß auch hier auf bereits veröffentlichtes Material zurückgegriffen wurde. Der Adlercreutz ist mit seiner speziellen Ausrichtung auf Rassestandards und Ausstellungswesen mit den anderen Werken nur bedingt vergleichbar und nimmt hier eine Sonderstellung ein. Für eine Spezialbibliothek ist dieses Buch aber durchaus empfehlenswert. Der Kynos-Atlas-Hunderassen der Welt hat das Zeug zu einem sehr guten Nachschlagewerk, sollte jedoch dringend überarbeitet werden. In seiner derzeitigen Form hat er lediglich den Wert eines coffee table book, in dem man speziell wegen der hervorragenden Abbildungen gerne blättert. Alle anderen Werke sind nette Hundebücher für den interessierten Laien, die von Bibliotheken nicht erworben werden müssen.

Generell muß gesagt werden, daß die Schilderungen zum Wesen einzelner Rassen und zur Rassegeschichte bei fast allen Werken mit einer gewissen Vorsicht zu genießen sind. Wer als potentieller Hundehalter bei seiner Wunschrasse liest "Seine Erziehung ist durchaus nicht einfach" oder "Rüden benehmen sich oft dominant" weiß unter Umständen nicht, was ihm blüht, wenn der Hund nicht konsequent erzogen wird. Am ehrlichsten in der Einschätzung des Verhaltens ist hier der Band Hunderassen mit klaren, aufklärenden Aussagen.

Kräftig "gemendelt" wird bei der Rassegeschichte, wie am Beispiel des vielseitigsten deutschen Jagdgebrauchshundes, dem Deutsch Kurzhaar, der auch im Ausland, speziell in den USA, sehr geschätzt wird, gezeigt werden soll. Es ist lediglich sicher, daß die heutige Rasse auf alte Vorstehhundeschläge zurückgeht, in die englische Pointer etwa Mitte des 19. Jahrhunderts eingekreuzt wurden (Fogle und Räber). Fogle irrt allerdings, wenn er als "erste Verwendung" Allzweckjagdhunde angibt. Der Deutsch Kurzhaar ist ursprünglich ein Vorstehhund. Alderton kneift und führt die Rasse nicht auf. Bei Adlercreutz ist es unspezifisches "Hundematerial ... aus Deutschland, Spanien, Frankreich oder Italien" das irgendwann im 19. Jahrhundert mit englischen Pointern vermischt wurde. De Prisco/Johnson bezeichnen den Deutsch Kurzhaar zwar euphorisch als "einer der vielseitigsten Jagdhunde der Welt", trauen sich aber an die Rassegeschichte nicht heran. Bei Krämer liegt der Ursprung der Rasse im Bracco italiano, wiederum mit englischem Pointer gezüchtet, aber wann das alles passiert sein soll, bleibt ungewiß. Daß im Erbgut der alten Vorfahren des Deutsch Kurzhaar auch deutsche Bracken oder Bracco italiano oder spanische Vorstehhunde, die mit deutschen Exemplaren gekreuzt wurden, vertreten sind, erfahren wir bei Harris. Bei Clark/Brace ist die Rasse bereits aus dem 17. Jahrhundert bekannt. Hier sind die Vorfahren alte spanische Pointer und als neue Variante der Bloodhound, was hinsichtlich des Bloodhounds bei Wilcox/Walkowicz allerdings bestritten wird. "Gute Schweißhunde und aus England importierte Pointer" sollen es diesmal sein.

Wer sich unbedingt einer speziellen Hunderasse verschreiben will, sollte sich Einzeldarstellungen der Rasse über die Verbände besorgen, in denen weit ausführlicher informiert wird als in den vorgestellten Werken.

Nachdem sich der Rezensent nun von der Vielfalt der Rassen doch leicht erschöpft durch alle Bücher hindurchgekämpft hat, drängt sich die Frage auf, was dem armen Hund im Laufe seiner Geschichte eigentlich alles angetan wurde. Er hat den Preis der Domestikation nicht nur durch ein um 30 % verringertes Hirngewicht, und durch einen erheblich reduzierten Gesichts-, Gehör- und Geruchssinn gegenüber dem Wolf bezahlt, sondern ist auch in vielen Fällen durch hemmungsloses Züchten auf gewisse Standards hin zum degenerierten, von Krankheiten gequälten Geschöpf verkommen. Bassets, Karikaturen ehemaliger Jagdhunde, die ihren schweren Körper auf extrem kurzen Beinen keine hundert Meter schleppen können, weil sie dann schon in heftige Atemnot kommen, sind auf jeder Ausstellung zu bewundern, so daß in vielen Fällen der Begriff der Qualzucht (ein Begriff des Gesetzgebers) durchaus angebracht ist. Die ursprünglichen Zwecke der Selektionszucht, nämlich auf Schnelligkeit, Spürsinn und Hüteeigenschaften werden heute vielmals der Modezucht geopfert. Wenn dazu noch eine Hunderasse durch Film oder Werbung bekannt wird, wie beispielsweise der Golden Retriever oder West Highland White Terrier, ist der Vermehrung unter kommerziellen Aspekten Tür und Tor geöffnet. Wichtige Merkmale, wie das Wesen des Hundes, bleiben dann mitunter auf der Strecke, Gesundheitsprobleme als Folge der Massenzucht treten dafür gehäuft auf. Der Leidtragende ist zunächst der Hund, dann aber auch der enttäuschte Besitzer, der die unrealistischen Vorstellungen (Lassie-Syndrom) von Leistung und Art der Rasse in seinem Exemplar nicht mehr wiederfindet. Man muß auch ernsthaft fragen, ob denn wirklich ein Bedarf an all diesen vielen Rassen besteht und ob sie auch überall gehalten werden müssen. Die prächtigen Schlittenhunde, die in den letzten Jahren verstärkt bei uns auftauchen, sollte man dort lassen, wo sie sich wohlfühlen, nämlich in arktischen Regionen. In Mitteleuropa haben diese Rassen nichts zu suchen, auch wenn die Besitzer solcher Hunde dies heftig dementieren.

Ein besonders unangenehmes Kapitel in der Hundehaltung sind die "Kampfhunde". Fast jeder Hund kann zum neurotischen Angstbeißer erzogen werden, aber es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man von einem Zwergdackel gebissen wird oder in die alles zermalmenden Fänge eines Pit Bull Terriers gerät.[1] Der Mißbrauch gewisser Rassen als Waffe durch Neurotiker und Kriminelle gehört verboten und bestraft. Und da Appelle an die Vernunft der Halter und Züchter bekanntlich wenig bewirken, muß im Zweifelsfalle die Haltung und Zucht solcher Rassen eingeschränkt oder verboten werden. Das trifft auch für viele Hunde aus der Gruppe der Mastiffs zu. Es ist erschütternd bei einem Fila Brasileiro mit einem Gewicht von über 60 kg zu lesen: "In Südamerika trifft man noch häufig Hunde mit zwei oder mehr Vorführern im Ring, um ein Maximum an Kontrolle zu erreichen".[2] Solche Hunde passen nicht in unsere Landschaft. Hier hat England mit seinem Dangerous Dogs Act bereits 1991 den richtigen Weg beschritten. Die Aussage aus dem Kosmos-Hundeführer "Belasten Sie sich nicht mit einem Hund, der nervlich unserer Umwelt nicht gewachsen ist oder für die Menschen eine Bedrohung darstellt" kann nicht nachhaltig genug unterstrichen werden.

Zum Schluß sei all denen, die den Wunsch verspüren, sich einen Hund als Hausgenossen zuzulegen, das erfrischend geschriebene Buch von Heiko Gebhardt und Gert Haucke: Die Sache mit dem Hund[3] wärmstens empfohlen, denn pointierter und kritischer kann das Verhältnis zwischen Hund und Mensch nach Ansicht des Rezensenten nicht dargestellt werden.

Joachim Ringleb


[1]
"Erneut hat ein Angriff von Kampfhunden ein Todesopfer gefordert. ... Die beiden Pitbulls fielen die Frau aus ungeklärter Ursache auf dem eigenen Grundstück an." (Rhein-Zeitung. - 1998-05-13). - Oder: "Erst mit Schüssen aus der Maschinenpistole konnte ein Frankfurter Polizist einen tobenden Kampfhund stoppen. Der betrunkene Besitzer des American Stafford beschimpfte nachher sogar noch die Polizei." (Rhein-Zeitung. - 1998-05-26). (zurück)
[2]
Kynos Grosser Hundeführer, S. 230. (zurück)
[3]
Die Sache mit dem Hund : 100 Rassen kritisch unters Fell geschaut und viele Tips, wie man sich den Hund zum Freund macht / Heiko Gebhardt ; Gert Haucke. - Ungekürzte Sonderausg., 3. Aufl. - München : Heyne, 1995. - 262 S. : Ill. - (Heyne-Bücher : 19, Heyne-Sachbuch ; 236) - ISBN 3-453-06024-5 : DM 24.90. (zurück)

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