Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 3/4
[ Bestand in K10plus ]

Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands


98-3/4-287
Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands / Bernhard Schäfers ... (Hrsg.). - Opladen : Leske + Budrich, 1998. - VIII, 770 S. : graph. Darst., Kt. ; 25 cm. - ISBN 3-8100-1758-2 : DM 98.00
[4778]

Reizvoll: Lange, theoretisch eingeleitete Artikel, die sodann bezogen auf Deutschland einen historischen Überblick geben, um zum Schluß die aktuellen Tatbestände zu beschreiben. Ein anderes Nachschlagewerk dieser Ausrichtung gibt es im Bereich der Soziologie nicht, entweder sind sie theoretisch orientiert, wie z.B. soziologische Lexika, oder deskriptiv, wie beispielsweise der Datenreport des Statistischen Bundesamtes. Die Synthese ist gelungen, das Handwörterbuch wird seinen Wert für Fachgelehrte und interessierte Laien auf lange Zeit hin behalten.

Doch nun im einzelnen: Das Handwörterbuch enthält 67 Artikel von durchschnittlich elf Seiten. Ihr Aufbau entspricht meist dem oben beschriebenen Schema, daß nach einer theoretischen Einleitung die Schilderung der geschichtlichen Entwicklung der letzten fünfzig Jahre folgt, daraufhin werden die gegenwärtigen sozialstrukturellen Verhältnisse behandelt und schließlich die sozialpolitische Relevanz des jeweiligen Themas diskutiert. Am Schluß der Artikel werden knappe Literaturhinweise gegeben. Manche Themen überschneiden sich (notwendigerweise). Bei einer Suche nach bestimmten Stichwörtern hilft ein Sachregister, das nicht umfangreich, aber völlig ausreichend ist. Positiv hervorzuheben ist, daß dort, wo notwendig, Tabellen, graphische Darstellungen und Karten in den Text eingefügt wurden und daß jeweils darauf Bezug genommen wird. Ebenso werden ausgiebige Vergleiche mit anderen westeuropäischen Ländern gezogen.

Die Artikel umfassen die gängigen soziologischen Themen: Alter, Bevölkerung, Einkommen, Eliten, Familie, Gesellschaft, Jugend, Lebensbedingungen, Massenkommunikation, Randgruppen, soziale Ungleichheit, Sozialstaat, Sozialstruktur, Werte u.a. Daneben findet man auch einige Stichwörter, wie z.B. Verkehr, Zukunftsvorstellungen, Datenzugang und Datenschutz, die in anderen soziologischen Nachschlagewerken nicht oder selten zu finden sind. Erkennbar ist das Bemühen der Herausgeber, auch aktuelle Themen zu behandeln. So werden z.B. die Themen Deutschland und Europa, die Informationsgesellschaft und die Internationale Verflechtung und Globalisierung besprochen. Die gesellschaftliche Entwicklung der DDR wird jeweils mit berücksichtigt, ein Schwerpunkt liegt außerdem in der Darstellung der Zeit nach 1990. Manche der Themen, wie z.B. Demokratie, Deutschland und Europa, Migration, Soziale Grundlagen der Politik, machen das Handwörterbuch auch für Politologen interessant. Alles in allem wird das Bemühen sichtbar, theoretische Grundlagen mit den empirischen Befunden zu verknüpfen und so eine konsistente, theoretisch fundierte Darstellung zu bieten.

Die beiden Herausgeber haben bereits mehrere Nachschlage- und Sammelwerke im Bereich der Soziologie herausgegeben. Die Autoren der Artikel sind allesamt namhafte Soziologen und durch einschlägige Publikationen ausgeweisen, die sie hier zusammenfassen. Die Herausgeber betonen im Vorwort, daß die theoretischen Ausrichtungen der Autoren vielfältig und "pluralistisch" seien. Dies ist positiv zu werten, da der Inhalt nicht aus der Perspektive einer "Schule" verfaßt, sondern vielgestaltig ist.

Vielleicht sollte man zum Schluß noch einen Vergleich wagen: Ein mehrbändiges Standardwerk, das im Abstand von Jahrzehnten immer wieder den Stand der Forschung zusammenfaßte, war zu Anfang des Jahrhunderts das Handwörterbuch der Staatswissenschaften, das in den fünfziger und sechziger Jahren als Handwörterbuch der Sozialwissenschaften (HDSW) neu aufgelegt wurde. Die Neuauflage erschien dann, bedingt durch die Spezialisierung innerhalb der Sozialwissenschaften, 1977 - 1982 als Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (HdWW) in 10 Bd. Vielleicht sollte man dem hier besprochenen Handwörterbuch den gelungenen Versuch bescheinigen, für die Soziologie bezogen auf Deutschland ein ähnliches Standardwerk geschaffen zu haben, auch wenn es nach Thema und Gesamtumfang nicht direkt vergleichbar ist.

Jürgen Plieninger


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