Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 3/4
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Bibliographie zur deutschen Soziologie


98-3/4-286
Bibliographie zur deutschen Soziologie / [eine Publikation des Informationszentrums Sozialwissenschaften (IZ) der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute (ASI), Bonn]. Matthias Herfurth ... - Opladen ; Wiesbaden : Westdeutscher Verlag. - 23 cm
[4724]
Bd. 1. 1978/82 (1998). - 834 S. : graph. Darst. - ISBN 3-531-13169-9 : DM 98.00
Bd. 2. 1983/86 (1998). - 902 S. : graph. Darst. - ISBN 3-531-13170-2 : DM 98.00
Bd. 3. 1987/91 (1998). - 937 S. : graph. Darst. - ISBN 3-531-13171-0 : DM 128.00

Die Bibliographie verzeichnet in Bd. 1 für das Jahrfünft 1978/82 14.180, in Bd. 2 für nur vier Berichtsjahre 14.894 und in Bd. 3 für ebensoviele Berichtsjahre sogar 15.575 Titel soziologischer Fachliteratur, überwiegend deutschsprachige Publikationen, dazu fremdsprachige von Soziologen aus den deutschsprachigen Ländern. Sie schließt an die gleichnamige Bibliographie für die Berichtszeit 1945/77 (1980) an,[1] die für eine Berichtszeit von 33 Jahren nur 9922[2] Titel verzeichnete und die längst vergriffen ist. Warum die neue Bibliographie trotz neuer Bearbeiter und eines neuen Verlages unnötigerweise mit einer neuen Bandzählung einsetzt, ist nicht einsichtig.

Die folgende Rezension stützt sich auf eine genaue Prüfung von Bd. 1. 1978/82 (1998). Auf die nur wenig später erschienenen Bd. 2. 1983/86 (1998) und 3. 1987/91 (1998) dieser laufenden Bibliographie wird nur mit der obigen Bandaufführung und der Angabe der stetig wachsenden Zahl der verzeichneten Titel hingewiesen. Selbst wenn man in Rechnung stellt, daß die gedruckten Bände auf einer Datenbank basieren, ist es bemerkenswert, in welch raschem Rhythmus die Bände erscheinen, so daß damit zu rechnen ist, daß die Verzugszeit bald auf ein Minimum verkürzt sein wird.

Inhalt

Verzeichnet werden Monographien und insbesondere Aufsätze sowie Rezensionen aus Sammelbänden und 365 Zeitschriften.[3] Der Rahmen der ausgewerteten Zeitschriften wurde sehr weit gesteckt doch fehlt leider eine vollständige Liste. Von Institutionen herausgegebene Literatur wie working papers, Beiträge in berufsständischen Organen, Tagungsberichte ohne wissenschaftlichen Charakter, Broschüren und sonstige graue Literatur wie unveröffentlichte Dissertationen werden ebensowenig berücksichtigt wie Zeitungsbeiträge.

Die Literaturangaben stammen aus der Datenbank SOLIS (Sozialwissenschaftliches Literatur-Informationssystem) des Informationszentrums für Sozialwissenschaften Bonn (IZ).[4] Allerdings wurden nicht alle relevanten Titel aus der Datenbank übernommen; z.B. fehlt unverständlicherweise ein Standardtitel Jugend '81 (sog. "Shell-Studie") in der Bibliographie, obwohl er in der Datenbank enthalten ist.

Anlage und Erschließung

Die Titel der Bibliographie sind unter mehreren Aspekten erschlossen: Erstens durch die Anlage des Hauptteils (586 S.): 1. Grundlagen und Methoden der Sozialwissenschaften, allgemeine Soziologie; 2. Spezielle Soziologie und 3. Sozialpsychologie. Diese Hauptabschnitte sind weiter in 29 Kapitel untergliedert. Man kann sich also recht gut orientieren, und es ist durchaus leistbar, bei Interesse an einem Thema die ca. 20 Seiten, die ein Kapitel durchschnittlich einnimmt, zur Kenntnis zu nehmen. In dem sich dabei einstellenden Browsing-Effekt liegt nicht zuletzt der besondere Nutzen dieser wie überhaupt jeder gut organisierten Bibliographie im Vergleich zu einer Datenbank. Zweitens durch mehrere Register: 1. der Verfasser, erfreulicherweise nicht nur des ersten sowie der sonstigen beteiligten Personen (65 S.); 2. der Institutionen, das wegen der Auswahlkriterien sehr knapp ausfällt (2 S.); 3. das zweistufige Sachregister (152 S.), das sich hauptsächlich an dem vom IZ entwickelten Thesaurus der sozialwissenschaftlichen Terminologie orientiert; allerdings wurde dieser Thesaurus durch Personennamen und geographische Begriffe (Länder, Bundesländer, Regionen) ergänzt.

Kritische Anmerkungen

Die folgende, in drei Punkten zusammengefaßte Kritik soll als Anregung zur Verbesserung der weiteren Bände dieser insgesamt guten Bibliographie verstanden werden.

- zu den Auswahlkriterien

Im Vorwort betonen die Herausgeber, diese Bibliographie sei eine Herausforderung, da die Abgrenzung zu anderen sozialwissenschaftlichen Fachgebieten immer schwerer werde. Hier solle spezifisch der soziologische Wissensbestand der jeweiligen Berichtszeit dokumentiert werden. Diesem Anspruch sind die Herausgeber allerdings nicht gerecht geworden, da man bei der Lektüre viele Überschneidungen zu den angrenzenden Sozialwissenschaften (Politik, Pädagogik, Psychologie und Wirtschaftswissenschaft) feststellt und sich bei manchen Literaturangaben fragt, was denn das spezifisch Soziologische daran sein soll. Beispielsweise findet man die Politikwissenschaft in Kapitel 20 Politik als spezielle Soziologie wieder. Weder wird hier die Politikwissenschaft ingesamt dokumentiert, noch sind die aufgeführten Literaturangaben spezifisch der politischen Soziologie zuzurechnen, um die es hier doch wohl eigentlich gehen soll. Aber dieses Manko sollte nicht zu schwer gewertet werden, da in den Sozialwissenschaften die Schnittmengen zwischen den Fächern naturgemäß größer als bei anderen Wissenschaften ausfallen.

- zur Erschließung

Schwerer schon wiegt der mangelhafte Aufbau des Sachregisters. Zwar ist es auch bei den Registern anderer Bibliographien nicht immer üblich, im Register Verweisungen anzulegen, dennoch wäre dies in diesem Fall bei den Hauptschlagwörtern dringend geboten. Zum einen ist es eine Besonderheit der deutschen Sprache allgemein und der sozialwissenschaftlichen Fachterminologie im besonderen, viele Komposita zu bilden. Hier wimmelt es förmlich von Komposita wie soziale Beziehungen, soziale Ungleichheit, sozialer Wandel, soziales Handeln etc. Es wäre sehr sinnvoll, vom Substantiv auf das Kompositum zu verweisen, da nicht jeder mit der sozialwissenschaftlichen Terminologie vertraut ist. Weiter wären Verweisungen bei den geographischen Begriffen äußerst wünschenswert: Sowjetunion sucht man beispielsweise vergeblich, ebenso UdSSR oder SU bis man schließlich unter Rußland fündig wird, ein fragwürdiger Begriff für die damalige Sowjetunion. Hier sollte von nicht verwendeten Namensformen und von gebräuchlichen Abkürzungen auf die benutzte Ansetzungsform verwiesen werden. Wünschenswert wären zudem Siehe-auch-Verweisungen von Ländern auf entsprechende Regionen oder zu synonymen Begriffen, wie z.B. von arabische Länder auf Nahost und umgekehrt. Unbedingt erforderlich wäre es auch, im Register Personennamen großzügiger zu berücksichtigen: Jetzt werden nur die Namen von bekannteren Soziologen (wenn man so will: modernen Klassikern, wie z.B. Schelsky, Adorno, Habermas, Luhmann) aufgeführt, was gleichzeitig bedeutet, daß nur die Sekundärliteratur zu diesen Personen hier erschlossen ist. Da aber sehr viel mehr Sekundärliteratur, vor allem auch Rezensionen, zu bestimmten Personen in der Bibliographie enthalten ist, wäre es sinnvoll, wenn man hier ebenso großzügig wie bei der Berücksichtigung von Autorennamen vorgehen würde. Ebenso mangelhaft sind die Festschriften erschlossen: Zwar sind sie im bibliographischen Teil prinzipiell enthalten, erschlossen sind sie nur über die Namen der Herausgeber und über die inhaltlichen Schlagwörter, nicht jedoch über den Namen des Gefeierten.

- zur Ausstattung

Zu kritisieren ist zuletzt die schlechte Ausstattung des Bandes: Auch wenn die Klebung besser ist, als man es sonst vom Westdeutschen Verlag gewöhnt ist, so bricht doch bei intensiver Benutzung der Buchblock ziemlich schnell aus dem Einband. Bei Anschaffung sollte daher sofort der Einband besser mit dem Buchblock verbunden werden. Leider ist wegen des knapp bemessenen Bundstegs nicht von vornherein zu einer völlig neuen Aufbindung zu raten.

Zusammenfassung

Die Bibliographie bietet dank ihrer Vollständigkeit einen hervorragenden Überblick über die deutschsprachige Soziologie. Zu vergleichen wäre sie höchstens mit der Zeitschriftenbibliographie Sociological abstracts, die mit der CD-ROM-Datenbank SOCIOFILE identisch ist, die jedoch nur Zeitschriften nicht aber Sammelbände auswertet und das im internationalen Rahmen, so daß vieles Deutschsprachige nicht berücksichtigt wird.

Die Beschaffung der Bibliographie zur deutschen Soziologie ist für wissenschaftliche und große öffentliche Bibliotheken zu empfehlen, selbst dann, wenn diese die Datenbank SOLIS anbieten (die DM 4000.00 zzgl. MwSt. im Jahr kostet). Der Grund dafür liegt in einem besseren Überblick über die einzelnen Teilgebiete der Soziologie, so daß man beim Blättern ein "ganzheitlicheres" Gefühl für die Inhalte des Faches gewinnt. Andererseits hat die CD-ROM den Vorteil, daß die Titel annotiert sind, also inhaltliche Informationen bereitstellen. Die CD-ROM bietet außerdem den Vorteil der Freitextsuche, vom Vorteil der Recherchemöglichkeit in einem größeren Zeitraum ganz zu schweigen. Aber auch dort, wo die Datenbank auf CD-ROM unerschwinglich oder nicht zugänglich ist, stellt die gedruckte Bibliographie eine sehr gute Alternative dar.

Jürgen Plieninger


[1]
Bibliographie zur deutschen Soziologie : 1945 - 1977 = Bibliography of German sociology / Center for International Comparative Studies (CICS), University of Illinois Urbana und Informationszentrum Sozialwissenschaften Bonn. Hrsg. und eingel. von Karl-Heinrich Bette ... - Göttingen : Schwartz, 1980. - XVI, 800 S. ; 24 cm. - ISBN 3-509-01168-6 (Schwartz) - ISBN 3-8206-0000-0 (IZ).
Im Gegensatz zur hier besprochenen Fortsetzung konnten damals keine Titel von Soziologen aus der DDR verzeichnet werden und die im Vorwort zum Band für die Berichtszeit 1945/77 erwähnte, von der Zentralstelle für Soziologische Information und Dokumentation bearbeitete Bibliographie Soziologie für DDR-Titel, ließ sich unter diesem Titel nicht ermitteln. Dafür wurden nach der Wende folgende Bibliographien zur sozialwissenschaftlichen Forschung in der DDR veröffentlicht:
Sozialwissenschaftliche Dissertationen und Habilitationen in der DDR, 1951 - 1991 : eine Dokumentation / Jürgen Friedrichs. - Berlin [u.a.] : de Gruyter, 1993. - XII, 475 S. - ISBN 3-11-013807-7.
Sozialforschung in der DDR : Dokumentation unveröffentlichter Forschungsarbeiten / Informationszentrum Sozialwissenschaften, Abteilung Berlin. Bearb. von Erika Schwefel ... - Bonn : Informationszentrum Sozialwissenschaften. - 1 (1992) - 10 (1996). - Sonderbd. Forschungsprojektdokumentation "Familie und Jugend" / hrsg. von Laszlo A. Vaskovics. - 1993. - 164 S. - Verzeichnet sind vor allem Forschungsarbeiten aus den 80er Jahren. (zurück)
[2]
Der Grund für diese auffällige Differenz liegt einerseits in der mit den Jahren eingetretenen starken Titelvermehrung andererseits in den engeren Auswahlkriterien der Bibliographie für die Berichtszeit 1945/77, für die lediglich 6 Zeitschriften und Jahrbücher ausgewertet wurden. (zurück)
[3]
Tabellen und graphische Darstellungen in der Einleitung schlüsseln die Titel nach Herkunft, Literaturgattung, Autorenanteil u.a. Kriterien auf. Dabei scheint zumindet bei den beiden ersten Graphiken (jeweils S. 9) etwas schief gegangen zu sein, da sie sich zwar ausdrücklich auf die beiden unterschiedlichen Berichtszeiten beziehen, die Zahl der berücksichtigten Dokumente sowie die Prozentzahlen allerdings identisch sind. - Dazu kommen Ranglisten der 30 am häufigsten zitierten Zeitschriften (bei Bd. 1 erscheinen die Frankfurter Hefte, Bd. 2 steht die Österreichische Zeitschrift für Soziologie an erster Stelle) bzw. Verlage (in beiden Bänden liegt der Campus-Verlag unangefochten weit an der Spitze). [sh] (zurück)
[4]
Zum IZ vgl. den Aufsatz in IFB 93-3/4-206; zur WISO-CD-ROM die Rezension in IFB 93-1/2-073. (zurück)

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