Die folgende Rezension stützt sich auf eine genaue Prüfung von Bd. 1. 1978/82 (1998). Auf die nur wenig später erschienenen Bd. 2. 1983/86 (1998) und 3. 1987/91 (1998) dieser laufenden Bibliographie wird nur mit der obigen Bandaufführung und der Angabe der stetig wachsenden Zahl der verzeichneten Titel hingewiesen. Selbst wenn man in Rechnung stellt, daß die gedruckten Bände auf einer Datenbank basieren, ist es bemerkenswert, in welch raschem Rhythmus die Bände erscheinen, so daß damit zu rechnen ist, daß die Verzugszeit bald auf ein Minimum verkürzt sein wird.
Inhalt
Verzeichnet werden Monographien und insbesondere Aufsätze sowie
Rezensionen aus Sammelbänden und 365 Zeitschriften.[3] Der Rahmen der
ausgewerteten Zeitschriften wurde sehr weit gesteckt doch fehlt leider
eine vollständige Liste. Von Institutionen herausgegebene Literatur
wie working papers, Beiträge in berufsständischen Organen,
Tagungsberichte ohne wissenschaftlichen Charakter, Broschüren und
sonstige graue Literatur wie unveröffentlichte Dissertationen werden
ebensowenig berücksichtigt wie Zeitungsbeiträge.
Die Literaturangaben stammen aus der Datenbank SOLIS
(Sozialwissenschaftliches Literatur-Informationssystem) des
Informationszentrums für Sozialwissenschaften Bonn (IZ).[4] Allerdings
wurden nicht alle relevanten Titel aus der Datenbank übernommen; z.B.
fehlt unverständlicherweise ein Standardtitel Jugend '81 (sog.
"Shell-Studie") in der Bibliographie, obwohl er in der Datenbank
enthalten ist.
Anlage und Erschließung
Die Titel der Bibliographie sind unter mehreren Aspekten erschlossen:
Erstens durch die Anlage des Hauptteils (586 S.): 1. Grundlagen und
Methoden der Sozialwissenschaften, allgemeine Soziologie; 2. Spezielle
Soziologie und 3. Sozialpsychologie. Diese Hauptabschnitte sind weiter
in 29 Kapitel untergliedert. Man kann sich also recht gut orientieren,
und es ist durchaus leistbar, bei Interesse an einem Thema die ca. 20
Seiten, die ein Kapitel durchschnittlich einnimmt, zur Kenntnis zu
nehmen. In dem sich dabei einstellenden Browsing-Effekt liegt nicht
zuletzt der besondere Nutzen dieser wie überhaupt jeder gut
organisierten Bibliographie im Vergleich zu einer Datenbank. Zweitens
durch mehrere Register: 1. der Verfasser, erfreulicherweise nicht nur
des ersten sowie der sonstigen beteiligten Personen (65 S.); 2. der
Institutionen, das wegen der Auswahlkriterien sehr knapp ausfällt (2
S.); 3. das zweistufige Sachregister (152 S.), das sich hauptsächlich
an dem vom IZ entwickelten Thesaurus der sozialwissenschaftlichen
Terminologie orientiert; allerdings wurde dieser Thesaurus durch
Personennamen und geographische Begriffe (Länder, Bundesländer,
Regionen) ergänzt.
Kritische Anmerkungen
Die folgende, in drei Punkten zusammengefaßte Kritik soll als Anregung
zur Verbesserung der weiteren Bände dieser insgesamt guten
Bibliographie verstanden werden.
- zu den Auswahlkriterien
Im Vorwort betonen die Herausgeber, diese Bibliographie sei eine
Herausforderung, da die Abgrenzung zu anderen sozialwissenschaftlichen
Fachgebieten immer schwerer werde. Hier solle spezifisch der
soziologische Wissensbestand der jeweiligen Berichtszeit dokumentiert
werden. Diesem Anspruch sind die Herausgeber allerdings nicht gerecht
geworden, da man bei der Lektüre viele Überschneidungen zu den
angrenzenden Sozialwissenschaften (Politik, Pädagogik, Psychologie und
Wirtschaftswissenschaft) feststellt und sich bei manchen
Literaturangaben fragt, was denn das spezifisch Soziologische daran
sein soll. Beispielsweise findet man die Politikwissenschaft in
Kapitel 20 Politik als spezielle Soziologie wieder. Weder wird hier
die Politikwissenschaft ingesamt dokumentiert, noch sind die
aufgeführten Literaturangaben spezifisch der politischen Soziologie
zuzurechnen, um die es hier doch wohl eigentlich gehen soll. Aber
dieses Manko sollte nicht zu schwer gewertet werden, da in den
Sozialwissenschaften die Schnittmengen zwischen den Fächern naturgemäß
größer als bei anderen Wissenschaften ausfallen.
- zur Erschließung
Schwerer schon wiegt der mangelhafte Aufbau des Sachregisters. Zwar
ist es auch bei den Registern anderer Bibliographien nicht immer
üblich, im Register Verweisungen anzulegen, dennoch wäre dies in
diesem Fall bei den Hauptschlagwörtern dringend geboten. Zum einen ist
es eine Besonderheit der deutschen Sprache allgemein und der
sozialwissenschaftlichen Fachterminologie im besonderen, viele
Komposita zu bilden. Hier wimmelt es förmlich von Komposita wie
soziale Beziehungen, soziale Ungleichheit, sozialer Wandel, soziales
Handeln etc. Es wäre sehr sinnvoll, vom Substantiv auf das Kompositum
zu verweisen, da nicht jeder mit der sozialwissenschaftlichen
Terminologie vertraut ist. Weiter wären Verweisungen bei den
geographischen Begriffen äußerst wünschenswert: Sowjetunion sucht man
beispielsweise vergeblich, ebenso UdSSR oder SU bis man schließlich
unter Rußland fündig wird, ein fragwürdiger Begriff für die damalige
Sowjetunion. Hier sollte von nicht verwendeten Namensformen und von
gebräuchlichen Abkürzungen auf die benutzte Ansetzungsform verwiesen
werden. Wünschenswert wären zudem Siehe-auch-Verweisungen von Ländern
auf entsprechende Regionen oder zu synonymen Begriffen, wie z.B. von
arabische Länder auf Nahost und umgekehrt. Unbedingt erforderlich wäre
es auch, im Register Personennamen großzügiger zu berücksichtigen:
Jetzt werden nur die Namen von bekannteren Soziologen (wenn man so
will: modernen Klassikern, wie z.B. Schelsky, Adorno, Habermas,
Luhmann) aufgeführt, was gleichzeitig bedeutet, daß nur die
Sekundärliteratur zu diesen Personen hier erschlossen ist. Da aber
sehr viel mehr Sekundärliteratur, vor allem auch Rezensionen, zu
bestimmten Personen in der Bibliographie enthalten ist, wäre es
sinnvoll, wenn man hier ebenso großzügig wie bei der Berücksichtigung
von Autorennamen vorgehen würde. Ebenso mangelhaft sind die
Festschriften erschlossen: Zwar sind sie im bibliographischen Teil
prinzipiell enthalten, erschlossen sind sie nur über die Namen der
Herausgeber und über die inhaltlichen Schlagwörter, nicht jedoch über
den Namen des Gefeierten.
- zur Ausstattung
Zu kritisieren ist zuletzt die schlechte Ausstattung des Bandes: Auch
wenn die Klebung besser ist, als man es sonst vom Westdeutschen Verlag
gewöhnt ist, so bricht doch bei intensiver Benutzung der Buchblock
ziemlich schnell aus dem Einband. Bei Anschaffung sollte daher sofort
der Einband besser mit dem Buchblock verbunden werden. Leider ist
wegen des knapp bemessenen Bundstegs nicht von vornherein zu einer
völlig neuen Aufbindung zu raten.
Zusammenfassung
Die Bibliographie bietet dank ihrer Vollständigkeit einen
hervorragenden Überblick über die deutschsprachige Soziologie. Zu
vergleichen wäre sie höchstens mit der Zeitschriftenbibliographie
Sociological abstracts, die mit der CD-ROM-Datenbank SOCIOFILE
identisch ist, die jedoch nur Zeitschriften nicht aber Sammelbände
auswertet und das im internationalen Rahmen, so daß vieles
Deutschsprachige nicht berücksichtigt wird.
Die Beschaffung der Bibliographie zur deutschen Soziologie ist für
wissenschaftliche und große öffentliche Bibliotheken zu empfehlen,
selbst dann, wenn diese die Datenbank SOLIS anbieten (die DM 4000.00
zzgl. MwSt. im Jahr kostet). Der Grund dafür liegt in einem besseren
Überblick über die einzelnen Teilgebiete der Soziologie, so daß man
beim Blättern ein "ganzheitlicheres" Gefühl für die Inhalte des Faches
gewinnt. Andererseits hat die CD-ROM den Vorteil, daß die Titel
annotiert sind, also inhaltliche Informationen bereitstellen. Die
CD-ROM bietet außerdem den Vorteil der Freitextsuche, vom Vorteil der
Recherchemöglichkeit in einem größeren Zeitraum ganz zu schweigen.
Aber auch dort, wo die Datenbank auf CD-ROM unerschwinglich oder nicht
zugänglich ist, stellt die gedruckte Bibliographie eine sehr gute
Alternative dar.
Jürgen Plieninger
Zurück an den Bildanfang