Dieses Handbuch setzt sich im wesentlichen aus drei Teilen zusammen:
aus einer 30 doppelspaltige Seiten füllenden Einführung, einem 106
Farbabbildungen umfassenden Bildteil, der im ganzen zu dunkel geraten
ist, und einem annähernd 100 Seiten umfassenden Künstlerlexikon. Eine
viel zu knapp gehaltene Auswahlbibliographie, die wichtige
Grundlagenliteratur vermissen läßt,[2] Zeittafeln und graphische
Darstellungen schließen diese Publikation ab.
Sie will ein Vademecum sein und Italienreisende, Museumsbesucher,
Kunsthistoriker und Studenten gleichermaßen durch das Dickicht der
Künstlerbeziehungen führen: ein hoher Anspruch, der nicht erfüllt
wird. Dazu sind die Charakterisierungen der wechselseitigen Wirkungen
der Maler einfach zu oberflächlich dargestellt. Dies resultiert aus
dem Versuch, eine Vielzahl der über 1200 im lexikalischen Teil
genannten Künstler im dreißigseitigen Textteil im großen Wurf
unterbringen zu wollen: "Fra Bartolommeo (...) verschmolz nach einem
Aufenthalt in Venedig die von Credi und Leonardo beeinflußte Malweise
mit dem, was er von Bellini gelernt hatte, und schuf danach die
stimmungsvollen Altarbilder, in denen er bellinesken Bildaufbau,
venezianische Farbigkeit und das Sfumato Leonardos glücklich zu
verbinden wußte" (S. 16). Hilfreicher und interessanter wäre es für
den Leser, an dieser Stelle zu erfahren, worin im Detail die
"Einflüße" Credis liegen oder was genau einen bellinesken Bildaufbau
auszeichnet.
Leider wird auch die Frage der Antikenrezeption ausgeklammert, die für
die Malerei der Renaissance in ihrer Entwicklung in zunehmendem Maße
an Bedeutung gewann. Vorbild war die Antike weniger im Hinblick auf
die Wiederentdeckung der Natur, schon seit längerem galt das Bild am
lobenswertesten, das am meisten dem nachzuahmenden Gegenstand ähnelte.
Beispielgebend für die Bildgestaltung war aber die antike Architektur,
vor allem ob der konstruktiven Gestaltung der Form, die man in ihr
offenbart glaubte.
Keine geographische Zusammenfassung von Malerschulen, an der sich
nicht herumkritteln ließe. Aber es ist doch überraschend, daß hier die
Florentiner und Sieneser Schule zu einer einzigen toskanischen Schule
zusammengefaßt werden. Florenz brachte mit Masaccio die buona maniera
moderna, wie Vasari sie nannte, ans Licht. Siena hingegen gelang es
bis weit in das 15. Jahrhundert nicht, über die eigenen trecentesken
Schatten zu springen. Giovanni di Paolo (1399 - 1482) beispielsweise
war ein Hauptvertreter der konservativen Tendenzen der Sieneser
Malerei des 15. Jahrhunderts, der zeitlebens auf gotischer Bildform
und Goldgrund beharrte und sich eher an Ambrogio Lorenzetti (1280/90
- 1348) als an den Florentiner Neuerern orientierte, was von Gallwitz
in der entsprechenden Graphik nicht berücksichtigt wurde.[3]
Die Einträge im Lexikonteil sind insgesamt kurz gehalten, aber
durchaus informativ. Sie setzen sich aus dem Namen, dem Geburts- und
Sterbedatum, der Schule und einer biographischen Beschreibung
zusammen. Offenbar liegt der Namensansetzung das Prinzip der
Gebräuchlichkeit der Namensform in der Wissenschaft zugrunde, ohne
ganz durchgehalten worden zu sein. Federico Barocci zum Beispiel, der
mit der Madonna del Popolo (1575 - 1579) das erste barocke Altarbild
komponierte, findet sich unter Boroccio, Squarcione aber steht unter
Squarzione. Von weniger gebräuchlichen Varianten wird verwiesen.
Die Quintessenz dieses Handbuchs wird auf acht nach Regionen
geordneten Tafeln dargestellt. Sie versuchen, das Beziehungsgeflecht
der Renaissancemaler und ihrer Schulen untereinander in unzähligen
Pfeilen und Strichen von unterschiedlicher Stärke darzustellen. (Der
Leser kann sich das wie eine zerfurchte Eisfläche vorstellen.) Als
Zuordnungskriterien gelten Merkmale wie die traditionelle
Zugehörigkeit zu einer Schule, der Ort der prägenden malerischen
Ausbildung (nicht der Geburtsort), der Standort der eigenen Werkstatt
als Wirkungsstätte und die stilistische Abhängigkeit von einzelnen
Malern. Häufig war allerdings der Ausbildungsort mit der eigentlichen
Wirkungsstätte eines Künstlers nicht identisch, so daß sich
Interpretationsspielräume hinsichtlich der Zuordnung eines Künstlers
zu einer Region ergaben. Andrea Mantegna, Padua zugeordnet, stammt
zwar aus der Squarcione-Schule, doch ist für ihn das Zentrum seines
Wirkens Mantua namensbildend geworden. Dort war er nacheinander für
Federico, Ludovico und Francesco Gonzaga über einen Zeitraum von
annähernd 50 Jahren tätig.
Über die Ausstrahlung des Schaffens eines Meisters läßt sich unter
Wissenschaftlern nur schwerlich Übereinstimmung erzielen. Manches hier
erscheint trotzdem als wenig glücklich zugeordnet. Sicherlich haben
auch die Kreise, die das Schaffen Antonio Pollaiuolos zog, mehr
Künstler erreicht als die angeführten Matteo di Giovanni, Botticelli,
Signorelli, Leonardo, Piero Pollaiuolo und Verrochio, war er doch der
erste pittore anatomista, der römische Könige und Feldherrn in
heroischer Nacktheit zeigte.
Rom bleibt unberücksichtigt. Zwar ist dem Autor dahingehend
zuzustimmen, daß in Rom im Zeitalter der Renaissance keine lokale
Malschule ansässig war, neben Florenz und Venedig war Rom jedoch das
Zentrum der Hochrenaissancemalerei im ersten Viertel des 16.
Jahrhunderts. Man denke nur an Raffael, Michelangelo oder Sebastiano
del Piombo, die unter Julius II. (1503 - 1513) in die Ewige Stadt
kamen. Die Stanzen und Loggien oder die Cappella Sistina strahlten in
der Folgezeit weithin aus und wirkten "Schule bildend", was den
künstlerischen Aufstieg Roms nach sich zog.
Es handelt sich bei der vorliegenden Publikation um den interessanten
Versuch, die zugegebenermaßen komplexen Beziehungen zwischen
Renaissancemalern auch graphisch darzustellen. Über dieses
Versuchsstadium kommt diese Arbeit allerdings nicht hinaus. Die
Beziehungen sind viel zu facettenreich, um in ein derart enges Korsett
gepreßt zu werden.
Johannes W. Pommeranz
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