Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 3/4

Recent reference books in religion


98-3/4-226
Recent reference books in religion : a guide for students, scholars, researchers. buyers, & readers / William M. Johnston. - Rev. ed. - Chicago ; London : Fitzroy Dearborn, 1998. - 329 S. ; 24 cm. - ISBN 1-57958-035-1 : $ 55.00, œ 30.00
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Dieser Führer zu religionswissenschaftlichen Informationsmitteln macht neugierig, wenn man erst einmal bemerkt hat, daß es sich nicht um ein weiteres Werk aus der langen Reihe von fachlichen Führern handelt, wie sie in den USA zuhauf erscheinen und die mehr oder weniger die folgenden drei Gemeinsamkeiten aufweisen: 1. Berücksichtigung aller Typen von Informationsmitteln; 2. Beschränkung auf englischsprachige Titel; 3. knappe, mehr beschreibende als kritisch wertende Annotationen. In allen drei Punkten unterscheidet sich das vorliegende Werk von der Konkurrenz: 1. Berücksichtigt sind fast ausschließlich Lexika und Handbücher, dagegen weder Bibliographien, Adreßbücher noch andere Typen von Informationsmitteln. Insofern ist der Titel des Werkes irreführend, da der Begriff reference book alle oder zumindest mehrere Typen einschließt. 2. Auch wenn englischsprachige Titel wegen der Zielgruppe bevorzugt werden, sind zahlreiche deutsch-, einige französisch- und wenige italienischsprachige Titel vertreten. 3. Was man sonst zutreffend als Titel-Annotationen bezeichnen kann, weitet sich hier zu Quasi-Rezensionen aus, wobei zwei Arten vorkommen, je nachdem, ob es sich um zentrale oder periphäre bzw. sehr spezielle Titel handelt: bei ersteren folgen auf die Titelbeschreibung einschließlich der Nennung älterer Auflagen Informationen zu: Inhalt und Zielgruppe; Stärken; Schwächen; Vergleich mit konkurrierenden Werken; den Beschluß bildet ein knappes Resümee. Die kürzeren Annotationen für die zweite Gruppe von Titeln bestehen aus einem Kritik überschriebenen Abschnitt, dem gleichfalls ein Resümee folgt. Die Bewertung ist durchaus kritisch und spricht sowohl Stärken als auch Schwächen in deutlichen Worten aus, was letzteres gleichfalls nicht dem Stil der Standard-Führer amerikanischer Herkunft entspricht.

Außer dem Vorwort gibt es gleich zwei Einleitungen: die erste ist The postmodern revolution in reference books überschrieben, die zweite Reference books as self-teachers. Dazu kommt ein Glossary: types & functions of reference books. Alle diese Texte sind Kuriositäten in dem Sinne, daß sie Neugier wecken. Kern der Überlegungen des Verfassers ist die von ihm konstatierte und beklagte Tatsache, daß sich das Fach religious studies seit den 60er Jahren zwar mehrfach grundlegend gewandelt hat, daß jedoch die Nachschlagewerke dieses Faches, deren Zahl seit den 70er Jahren exzeptionell zugenommen hat, diese Revolution(en) des Faches nicht widerspiegeln, woraus der Verfasser den Schluß zieht, "reference books occupy a place at or near the bottom of publishing prestige" (S. 17). Dem widerspricht allerdings allein schon die von ihm konstatierte explosionsartige Zunahme der Nachschlagewerke in diesem Fach, es sei denn, er trenne wirtschaftlichen Erfolg vom Prestige. Daß sich trotz dieser Behauptungen auch bei den Nachschlagewerken ein Wandel vollzieht und z.T. bereits vollzogen hat, belegt er selbst im Abschnitt Two functions of reference works: recapitulation versus revision (S. 16 - 17), in dem er past-oriented or recapitulatory works von future-oriented or revisionist ones unterscheidet. Letzteren gehört, wie zu erwarten, die Sympathie des Verfassers, der diese Werke mit der Qualitätsmarke revisionist im Hauptteil entsprechend hervorhebt. Andererseits verkennt er nicht den Wert der recapitulatory works, der primär in der umfassenden Bereitstellung von Daten und Fakten besteht, und nur damit sind die z.T. überschwenglichen Urteile zu erklären, mit denen der Verfasser solche Werke im Hauptteil vorstellt.[1]

Da sich der Verfasser die Frage stellt, warum die Kategorien zur Bewertung von Nachschlagewerken im Hinblick auf den "impact of postmodernism on reference works" (S. 17) nicht revidiert worden sind und diese negativ beantworten muß, hat er sich zur Beschreibung und Bewertung ein neues Vokabular zurechtgelegt, das quer zu aller üblichen Begrifflichkeit steht, so daß seine Erläuterung in dem erwähnten Glossar unbedingt erforderlich ist und zu dem man immer wieder zurückblättern muß, wenn man im Hauptteil Begriffen wie Anatomy, Companion, Compendium, Encyclopedia, Glossary, Handbook, Lexicon,[2] Mega-encyclopedia gar Reallexikon (Realenzyklopädie),[3] sowie Revisionist lexicon[4] begegnet. Man wird diese Terminologie weder ohne weiteres übernehmen, noch auf andere Fächer übertragen können. Als Anregung zu einer Überprüfung und Revision der Beschreibungs- und Bewertungskriterien von Informationsmitteln verdient sie gleichwohl Beachtung, die ihr die Veröffentlichung an dieser eher "versteckten" Stelle allerdings kaum verschaffen kann.

Nach dieser langen Einleitung kurz zu den Fakten des Hauptteils: Bewertet werden 318 Werke, vorwiegend neuere, seit 1970 erschienene, dazu, in relativ willkürlicher Auswahl, auch eine kleine Zahl älterer.[5] Anlage nach folgenden Kapiteln: 1. Weltreligionen, 2. Christentum (systematisch weiter untergliedert), 3. Judentum und Islam, 4. Religionen Asiens, 5. Alternative Ansätze (Mythologie, Philosophie der Religion und Ethik, Sozialwissenschaftliche Aspekte der Religion). Innerhalb der Kapitel und Abschnitte, die von allgemeinen Informationen eingeleitet werden, sind die Titel in chronologischer Folge zusammengestellt und dann unter Wiederholung der Titelaufnahmen ausführlich besprochen und bewertet. In diese Listen aufgenommen sind auch Titel, die an anderer Stelle der Systematik besprochen werden, wie überhaupt die Querverweise (unter Verwendung der laufenden Nummern) sehr zahlreich sind.

In einem ersten Anhang, Favorite reference books, stellt der Verfasser Listen u.a. von Werken zusammen, die für die häusliche Bibliothek geeignet sind, ferner hervorragende Werke in deutsch und französisch, für die es keine Äquivalente in englischer Sprache gibt. Der zweite Anhang widmet sich Reference books that cry out to be written, also Gebiete, für die es bisher keine oder keine geeigneten Informationsmittel gibt.[6] Es folgen fünf Register: 1. Sachtitel; 2. Verfasser, Herausgeber u.a.; 3. Schlagwörter; 4. erwähnte und behandelte Personen sowie 5. Orts- und Ländernamen.

Am Schluß findet sich ein Supplement in dem der Verfasser 45 Neuerscheinungen von Ende 1995 bis 1997 in der einleitend besprochenen zweiten, knapperen Form beschreibt und bewertet. Diese Titel sind nicht in den Registern berücksichtigt. Nur durch dieses Supplement unterscheidet sich die vorliegende rev. ed. von der 1996 in einem anderen Verlag erschienenen 1. Aufl.[7]

Auf Grund der kritischen Auswahl sei dieser Führer all jenen, die für die Bestückung von Informationsapparaten verantwortlich sind, angelegentlich zur Durcharbeitung empfohlen, um allfällige Bestandslücken zu schließen.

Klaus Schreiber


[1]
Etwa über das Biographisch-bibliographische Kirchenlexikon, dessen kompilatorische Leistung er nach einer Beschreibung des Werkes wie folgt zusammenfaßt: "This ultimate Who's Who of Christianity assembles overwhelming bibliographies in an up-to-date format that everyone can exploit. Scholars of German history will marvel" (S. 80). (zurück)
[2]
"Used in English as a synonym for dictionary, the term is used in German (and in this glossary) to denote a specialized encyclopedia. A lexicon aspires to a greater thoroughness (Gründlichkeit) than a dictionary ... A monumental work like ... Dictionary of the Middle Ages ... would be called a lexicon (or more precisely a reallexicon) in German. Examples: ... Lexikon des Mittelalters ..." (S. 34). - Wenn es nur wirklich so einfach wäre mit der deutschen Begrifflichkeit. (zurück)
[3]
"A German type of historical lexicon that inventories tangibles - persons, places, objects and practices - but omits abstract terms and mythical or theological beings. Vigorously antirevisionist ... In separating fact from value, a reallexicon ignores postmodernism" (S. 36). (zurück)
[4]
"A specialized lexicon whose contributors rethink foundations in the field. Whereas a lexicon digests received wisdom, a revisionist lexicon reappraises it" (S. 36). (zurück)
[5]
Nr. 161 erschien 1934 und wurde 1962 nachgedruckt. (zurück)
[6]
Die Lücke, die der Autor auf dem Gebiet der History of scholarship in religious studies ausmacht, läßt sich jetzt potentiell durch die folgend Neuerscheinungen schließen:
Klassiker der Religionswissenschaft : von Friedrich Schleiermacher bis Mircea Eliade / hrsg. von Axel Michaels - München : Beck, 1997. - 427 S. : Ill. ; 23 cm. - ISBN 3-406-42813-4 : DM 48.00. - Einschlägig ist auch ein anderes Werk aus demselben Verlag: Klassiker der Religionsphilosophie : von Platon bis Kierkagaard / hrsg. von Friedrich Niewöhner. - München : Beck, 1995. - 394 S. : Ill. ; 23 cm. - ISBN 3-406-39912-6 : DM 68.00.
Dictionnaire des théologiens et de la théologie chrétienne / sous la direction de Gérard Reynal. - Paris : Bayard Éditions ; Centurion, 1998. - 507 S. ; 23 cm. - ISBN 2-227-35528-X : FF 230.00. (zurück)
[7]
Recent reference books in religion : a guide for students, scholars, researchers. buyers, & readers / William M. Johnston. - Downers Grove, Ill. : InterVarsity Press, 1996. - 318 S. ; 24 cm. - ISBN 0-8308-1440-X : $ 34.99. (zurück)

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