Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 1/2
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Bibliographie der deutschsprachigen Jagdliteratur von 1851


98-1/2-167
Bibliographie der deutschsprachigen Jagdliteratur von 1851 bis 1945 / Sigrid Schwenk. - Berlin [u.a.] : de Gruyter. - 28 cm
[4608]
Bd. 1. A - K. - 1997. - XXII S., 1814 Sp. : Ill. - ISBN 3-11-012216-2 : DM 580.00

Nachdem erst im letzten Heft von IFB zwei Lexika zum Jagdwesen ausführlich besprochen worden sind,[1] gibt der im Dezember 1997 erschienene erste Band einer - im physikalischen Sinne - gewichtigen Bibliographie erneut Anlaß, sich mit diesem Gebiet zu beschäftigen. Ihre Berichtszeit schließt an die bekannte Bibliographie des 1987 verstorbenen Bamberger Industriellen, Sammlers und Herausgebers[2] alter Jagdliteratur, Kurt Lindner,[3] an, die vom ersten in deutscher Sprache gedruckten Jagdbuch (Augsburg, 1480) bis zum Jahr 1850 reicht.[4] Bereits an dieser Bibliographie, obwohl unter dem Namen Kurt Lindners erschienen, hatte, wenn man das neue Vorwort (S. XVI) richtig deutet, die Bearbeiterin des vorliegenden Bandes maßgeblichen Anteil und auf ihren Lehrer (ebd.) Lindner gehen auch die Planung für die Fortsetzung der Bibliographie ab 1851 und weiter für die Zeit nach 1945 bis zur Gegenwart ebenso zurück, wie die Einrichtung einer "Forschungsstelle für Jagdkultur" an der Universität Bamberg, an der die vorliegende Bibliographie für den Zeitraum 1851 - 1945 unter vielen Mühen und Widrigkeiten (über die das Vorwort beredt und unter vielen Wiederholungen berichtet) entstanden ist.

Trotz des am Vorgängerband eingeübten bibliographischen Handwerks und dem Anspruch, den der Name "Forschungsstelle für Jagdkultur" weckt, kann man sich nach der Lektüre des Vorworts nicht des Eindrucks erwehren, daß primär bibliographische Liebhaber am Werk waren, denn nur so sind viele Formulierungen des Vorworts zu verstehen, und nicht etwa der erklärten Absicht zuzuschreiben, diese Bibliographie auch dem "Normaljäger" (S. X und mehrfach), also dem bibliographischen Laien, nahezubringen. Diese werden auch kaum die vielen Klagen über Erschwernisse aller Art verstehen, die jedoch Kenner derartiger bibliographischer Unternehmungen sehr wohl einzuordnen wissen, da sie auch für die Lage der Geldgeber angesichts kein Ende finden wollender Bibliographien Verständnis aufbringen, die wegen des Einsatzes "ausschließlich öffentlicher Mittel" auf der Einhaltung von "Beschäftigungs- und Bewirtschaftungsvorschriften" bestehen müssen, wo doch früher "stets die Privatmittel Kurt Lindners sofort und ohne Abstriche in der erforderlichen Höhe zur Verfügung" standen (S. XVII). Kurzum, die Vertreibung aus dem einstigen bibliographischen Paradies muß hart gewesen sein.

Freilich hat sich von diesen paradiesischen Zuständen noch manches in die rauhe Wirklichkeit hinübergerettet, denn nur so sind manche Eigenheiten dieser Bibliographie zu erklären, die im erklärten Ziel, "erforschtes Wissen auf dem Gebiet der Jagd im weitesten Sinne zu verbreiten" (S. XI), nichts weniger beabsichtigt, als eine vollständige Verzeichnung der im Zeitraum 1851 - 1951 erschienenen deutschsprachigen monographischen Jagdliteratur in allen Auflagen. Daß man sich bei einem so großen Vorhaben leicht in der Zeitplanung verschätzt - im vorliegenden Fall sogar erheblich - ist nicht ungewöhnlich, vor allem dann, wenn man das Autopsieprinzip unter Einschaltung des Leihverkehrs hochhält. Wenn dann noch die Titelbeschreibung so extensiv ausfällt, wie hier, wundert es einen nicht mehr, daß die Zeitplanung außer Kontrolle gerät. Ein allgemein akzeptiertes Regelwerk wird nicht befolgt - einmal (S. XIV) wird ohne Spezifizierung die Befolgung "bibliothekarische(r) Grundsätze" angeführt - und würde wohl auch dem selbst gesteckten hohen Anspruch nicht genügen. Dafür wird der komplette Wortlaut des Titelblatts in extenso einschließlich Zeilenfall reproduziert - bedauernd wird eingestanden, daß "Sperrungen, Fettdruck oder Verlagssignete ... nicht berücksichtigt werden (konnten)" (S. XIV) - gefolgt von der Schriftenreihe mit der ganz unprofessionellen Einleitung Zugleich: ; lediglich das Erscheinungsjahr (ggf. vom Titelblatt wiederholt) und die genaue Kollation folgen - typographisch abgehoben - auf neuer Zeile, ebenso das Sigel mit aufgelöstem Namen der Bibliothek, deren Exemplar eingesehen wurde. (Daß für diese Bibliographie so gut wie alles aus Bibliotheken außerhalb Bambergs herbeigeschafft werden mußte, verwundert nicht.) Auf diesen völlig unangemessenen Aufwand für die bibliographische Beschreibung (die offensichtlich unkritisch aus der Vorgängerbibliographie, wo sie eher angebracht war, übernommen wurde und die jetzt auf potentielle Rara ebenso angewendet wird, wie auf das Waffengesetz von 1928, auf ein beliebiges Reclam-Bändchen oder auf jede Dissertation), folgen lange Zitate meist aus Vor- und Geleitwörtern, in der erklärten Absicht, "nicht nur eine Bibliographie, sondern ein interessantes Lesebuch für Jäger und Nichtjäger zu schaffen ..." (S. XV). Darüber hinaus ist es dank zahlreicher Abbildungen (überwiegend von Titelblättern) auch ein, freilich sprödes, Bilderbuch geworden.

Von dem Anspruch einer "umfassenden bibliographischen Erfassung der deutschsprachigen Jagdliteratur" (S. X) abgesehen, erfährt man so gut wie nichts über die trotzdem nötigen Auswahlkriterien. Immerhin ist dem Vorwort zu entnehmen, daß außer der Fachliteratur zum Jagdwesen auch die Belletristik zum Thema Jagd aufgenommen wird, deren getrennte Verzeichnung eigentlich nahegelegen hätte, was die Bearbeiterin jedoch aus sachlichen Gründen für unmöglich erklärt. Daß sich auf dem letztgenannten Bereich ein gefährliches bibliographisches Faß ohne Boden öffnet, ahnt man und findet auch schnell Belege dafür.[5]

Bd. 1 wird durch folgende Register erschlossen: 1. nach Erscheinungsjahren, innerhalb im Verfasser bzw. Titelalphabet unter Angabe von Erscheinungsort und (unnötigerweise) Erscheinungsjahr; 2. nach Erscheinungsorten, innerhalb in derselben Anlage mit Wiederholung des Erscheinungsortes (aber ohne Verlag, der hier unbedingt hätte zitiert werden müssen; sinnvoller wäre überhaupt die Untergliederung innerhalb der Orte nach Verlagsnamen gewesen, denn mit 24 Sp. unter Berlin fängt der Benutzer nichts an); 3. der Sachtitel mit Verweisung auf den Verfasser einschließlich der Titel von verfasserlosen Schriften, die sowieso unter diesem Titel im Hauptteil verzeichnet sind; 4. - 9. Mitarbeiter; Bearbeiter; Übersetzer; Verfasser von Geleitworten; Illustratoren; Auftraggeber (Herausgeber); 10. - 12. Dissertationen, und zwar alphabetisch, nach Universitäten und (unnütz) nach Fakultäten; 13. - 14. Jagdgesetze und -verordnungen alphabetisch (unnütz) und nach Ländern[6] (sinnvoll); 15. Sachregister nach Großgruppen wie Fischerei, Hundewesen, Jägerausbildung, Jagdbelletristik. Ein detailliertes Sachregister mußte für Bd. 2 aufgespart werden und wird dann die gesamte Bibliographie erschließen; Grund für die Verschiebung ist die Umstellung auf EDV, die auch für den restlichen Alphabetteil der (auf handschriftlich ausgefüllten Karteikarten begonnen wurde) vorgesehen ist. Hoffentlich werden bei dieser Umstellung die Zuversicht der Bearbeiterin was Fehlerfreiheit und Zeitersparnis und der Geldgeber, was die Beschleunigung betrifft, nicht enttäuscht. Man möchte es beiden wünschen, denn bei einem derart begonnenen Großunternehmen gibt es eigentlich nur eine Methode, die Erfolg verspricht: "Augen zu und durch".

Bevor man aber - falls überhaupt - an eine Fortführung der Bibliographie für die Literatur nach 1945 denkt, müßten gründlich folgende Punkte geklärt werden: 1. Braucht es eine solche Bibliographie und, wenn diese Frage positiv beantwortet wird, 2. wie soll sie aussehen? Daß letzteres in der bisherigen Form (wobei nicht an die manuelle Bearbeitung gedacht ist) geschieht, erscheint nach dem oben Ausgeführten undenkbar, denn dazu dürften sich keine Geldgeber finden, nicht einmal das Ministerium für Umwelt und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz, das die vorliegende Bibliographie nicht etwa in Fortführung der Tradition des Jägers aus Kurpfalz, sondern dank der Vermittlung des "damaligen langjährigen Jagdreferenten ... aus Mitteln der rheinland-pfälzischen Jagdabgabe" förderte (S. X), wie überhaupt die Fertigstellung der Bibliographie dem "letztendlichen Beistand der Jagdreferenten fast aller Bundesländer" (S. XVIII) zu danken ist. Ob die "Normaljäger" wohl wissen, daß die Gebühreneinnahmen aus dem Verkauf der Jagdscheine außer "für Zwecke der Jagd und des Naturschutzes" (S. X) auch zur Förderung einer Bibliographie eingesetzt werden?

Klaus Schreiber


[1]
Knaurs großes Jagdlexikon. - IFB 97-3/4-415. - Jagdlexikon. - IFB 97-3/4-416. (zurück)
[2]
Quellen und Studien zur Geschichte der Jagd. - Berlin [u.a.] : de Gruyter. - 1 (1954) - 12 (1973). (zurück)
[3]
Über den Industriellen, den Wissenschaftler und den Menschen Kurt Lindner sowie seine Büchersammlung (die bis zum 2. Februar 2004 als Depositum in der Staatsbibliothek Bamberg liegt; der Bayerische Staat hat dann ein Vorkaufsrecht) mit einer Bibliographie der Literatur über ihn und einem Verzeichnis seiner Schriften (S. 48 - 50) vgl. den folgenden Beitrag: Kurt Lindner und seine Bibliotheca Tiliana / Rolf Rosen. // In: Librarium. - 38 (1995),1, S. 26 - 50 : Ill. (zurück)
[4]
Bibliographie der deutschen und der niederländischen Jagdliteratur von 1480 bis 1850 / Kurt Lindner. - Berlin [u.a.] : de Gruyter, 1976. - XXII, 422 S. : Ill. ; 28 cm. - ISBN 3-11-006640-8 : DM 557.00. (zurück)
[5]
Kärntner Lieder ... mit folgender Annotation: "Bibliophil aufgemachte Sammlung von Liedern in Kärntner Mundart, z.T. auch aus dem Jägermilieu (etwa: 'Der Jäger')." (Sp. 1102 - 1103). (zurück)
[6]
Warum etwa Bayern und Königreich Bayern getrennte Eintragungen erhalten - nämlich je nach der Titelfassung der Gesetze - ist nicht einzusehen, da die meisten unter dem erstgenannten Begriff verzeichneten Gesetze gleichfalls aus königlicher Zeit stammen. (zurück)

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