Man fragt sich natürlich, warum gerade diese europäischen Reiseländer ausgewählt wurden, auch wenn die am meisten besuchten darunter sind. Ist es wirklich angebracht, neben Großbritannien auch noch Irland einen eigenen Band zu widmen, der dazu an Umfang nur um wenige Seiten nachsteht, was doch wohl bei aller Rücksicht auf Irland-Reisende einem manifesten Ungleichgewicht entspricht. Dasselbe ließe sich für das Umfangs-Verhältnis des Italien-Bandes etwa zum Griechenland-Band sagen.
Als Exemplum für die Rezension wurde Bd. 2. Italien, Rom gewählt. Die Beziehung zu den APA guides scheint ein Tabu zu sein. Der Band enthält als einzigen Hinweis den Copyright-Vermerk "Höfer Communications Ltd., Singapur 1995/96 für die Originalausgabe" neben dem von F. A. Brockhaus "für diese bearbeitete Ausgabe". Auch in der Verlagswerbung findet sich kein Hinweis auf die APA guides, und lediglich im redaktionellen Vorspann des Börsenblatts ... zu dem oben IFB 98-1-035 erwähnten Interview heißt es "mit Bildmaterial aus den APA-Guides".
In welchem Umfang die allgemeinen Teile des Bandes Land und Leute (S. 18 - 55) und Geschichte und Kultur (S. 56 - 155) aus dem Italien-Band der APA guides übernommen wurden, konnte der Rezensent nicht nachprüfen, da ihm dieser Band nicht zur Verfügung stand; man kann allerdings davon ausgehen, daß es sich zum größeren Teil um Übernahmen handelt, da von den im vorliegenden Band genannten Autoren nur wenige als "Autoren dieser Ausgabe" durch Kursivdruck hervorgehoben sind (S. 6). Bei den Kapiteln Reiseziel Rom (S. 156 - 189) und Streifzüge durch Rom und seine Umgebung (S. 190 - 336) konnte der Rezensent einen Vergleich mit dem Rom-Band der APA guides[2] vornehmen. Beim ersten Kapitel findet sich der kurze Abschnitt Die Ewige Stadt in beiden Bänden, während die weiteren für den vorliegenden neu verfaßt wurden, der dafür auf die historischen Abschnitte aus dem Reiseführer verzichtet. Das zweite Kapitel ist dagegen weitestgehend unverändert aus dem Reiseführer übernommen worden: der Abschnitt Die antiken Baudenkmäler (die im Reiseführer Die großen Baudenkmäler heißen, obwohl die spezielle Benennung zutreffend ist) scheint - jedenfalls nach Ausweis einer blätternden Prüfung - weitestgehend identisch zu sein, auch bei der unveränderten Übernahme der Farbphotos - jeweils eines im unteren Teil der Seite. Lediglich das letzte Photo des Reiseführers ist wegen eines anderen Umbruchs zum folgenden Abschnitt weggefallen; dafür bringt der Brockhaus-Band im folgenden Abschnitt, also an der falschen Stelle, eine Karte für Rom im Altertum, die im Reiseführer fehlt. Verglichen wurde ferner der Abschnitt Aventin und Testaccio, der sich gleichfalls als - bis auf Kleinigkeiten - identisch erweist. Um einen Eindruck von der Dürftigkeit der Informationen zu geben, seien die wenigen Zeilen zitiert, die einer der ganz bedeutenden römischen Kirchen gewidmet ist: "Bei den Gärten liegt die alte Basilika Santa Sabina, die zur Zeit Cölestins I. (422 bis 432) errichtet wurde und 1914 - 1919 durch Restaurierung fast ihre ursprüngliche Form zurückerhielt. Bemerkenswert an dem einfachen, strengen Backsteinbau der Kirche ist ihr schlicht gehaltener, lichtdurchfluteter Innenraum mit 24 korinthischen Marmorsäulen aus dem 5. Jh., die hölzerne Tür des Mittelportals (5. Jh.) mit frühen Bildschnitzereien (28 Szenen aus dem Alten und Neuen Testament [28 waren es einmal, heute sind es nur noch 18]), der mit Marmor eingelegte Fußboden und der Kreuzgang aus dem 13. Jh." Auf der folgenden Seite findet sich ein Photo aus der Kirche: es handelt sich weder um den "lichtdurchfluteten Innenraum" noch um die "hölzerne Tür", die beide für ein Farbphoto nichts hergegeben hätten, sondern um einen nicht näher bezeichneten, dafür aber farbigen Altar. Bei dem abgebildeten Altarbild handelt es sich jedoch weder um die berühmte Rosenkranzmadonna von Sassoferrato in der Capella Elci, noch um die Maria mit Kind und Hl. Hyazinth von Lavinia Fontana in der Cappella S. Giacinto, die beide Objekte im Text nicht erwähnt werden. Eine Seite nach dem Text über Santa Sabina begegnet man zu seiner Verwunderung erneut einer "kleinen Kirche Santa Sabina": man ahnt gleich, daß es sich nur um S. Saba handeln kann, und der Reiseführer "verbessert" dann auch zu "Santa Saba", da er nicht weiß, daß es sich beim Titelheiligen um den Hl. Sabas, Abt von Mar Saba, einen Anachoreten handelt, der von 439 - 532 lebte. Daß man in beiden Werken kurz zuvor "durch das Schlüsselloch des Portals der Grabentür" [wohl Gartentür und mit 'Portal' doppelt gemoppelt] der Malteservilla auf die Kuppel der Peterskirche schauen kann, wird vielleicht in der nächsten Auflage des Reiseführers berichtigt werden. Ob auch mit Aktualisierungen (und den dabei möglichen Korrekturen) der Bände von Länder und Städte jenseits der Erstauflage von 10.000 zu rechnen ist?
Der Rest des Bandes behandelt die weiteren Reiseziele in Italien (S.
337 - 511) auf nur 175 Seiten, also auf genauso vielen wie den
allein Rom (mit 180) zugestandenen. Daß dies weder für Florenz (13 S.)
noch für Venedig (12 S.) ein adäquates Bild ergibt, braucht wohl nicht
besonders betont zu werden. Die Literaturhinweise beschränken sich auf
4 Spalten deutschsprachiger Monographien. Darunter sind auch die Bände
von Reclams Kunstführer Italien, einschließlich der inzwischen
durch Neubearbeitungen überholten Bände über Florenz und Rom; von den
Neubearbeitungen ist die für Florenz (1993) noch extra aufgeführt,
ausgerechnet die
für Rom (1994) fehlt dagegen.[3] Das Register der Namen und Bauten
(letztere unter dem Ort eingeordnet) ist lückenhaft: von den auf S.
298 - 299 durch Fettdruck hervorgehobenen Objekten fehlt die falsche
Santa Sabina sowie Santa Prisca.
Das Vorwort bezeichnet den Band als "Reiselesebuch" und genau darin
liegt die Crux des ganzen Unternehmens. Für die Benutzung vor Ort
kommt es auf Grund seines Formats und Gewichts nicht in Frage (und
dazu benutzt man besser den APA guide, es sei denn, man treffe gleich
eine bessere Wahl[4]) und als "außergewöhnliches Leseerlebnis - ganz
gleich, ob man sich auf eine Urlaubsreise vorbereiten will oder an
langen Winterabenden bereits vergangene Ferienerlebnisse wieder
aufleben lassen möchte" (Herbstvorschau 1996, S. 20) taugen diese
Zwitter ebensowenig wie "zum Nachschlagen und zum Schmökern." Für
Bibliotheken (einschließlich öffentlichen Bibliotheken) sind sie
entbehrlich.
Klaus Schreiber
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