Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 1/2
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Deutsche Literaturgeschichte


98-1/2-086
Deutsche Literaturgeschichte . - München : Deutscher Taschenbuch-Verlag. - 19 cm. - (dtv ; ...)
[4682]
Bd. 12. Die Gegenwart 1968 - 1990 / Heinz Forster ; Paul Riegel. - Orig.-Ausg. - 1998. - 376 S. - (... ; 3352). - ISBN 3-423-03352-5 : DM 19.90

Von den zwölf geplanten Bänden dieser Literaturgeschichte liegen mit dem der Gegenwart gewidmeten inzwischen zehn vor. Das Konzept des Werks unterscheidet sich von den gebräuchlichen Literaturgeschichten[1] bekanntlich nicht nur durch den Verzicht auf jeden wissenschaftlichen Apparat (Nachweise, Bibliographie usw.), sondern vor allem auch durch den narrativen Ansatz. Nicht um Textanalyse mittels irgendeiner der geläufigen Methoden (von der biographischen über die geistesgeschichtliche oder werkimmanente oder sozialhistorische bis zur dekonstruktiven) geht es hier, sondern um die Präsentation von Literaturgeschichte durch Nacherzählung der Hauptwerke.

Das scheint nur auf den ersten Blick ein abwegiges Unterfangen und nur für den, der sich auf den rigiden Standpunkt stellt, Literatur habe man ausschließlich durch eigene Lektüre zur Kenntnis zu nehmen. Tatsächlich aber leidet heute ja nicht nur der Literaturunterricht auf der Schule, sondern auch die akademische Lehre in den philologischen Disziplinen ganz besonders an der Unbelesenheit der Hörer, die ständig Informationen über etwas aufnehmen, was sie nicht kennen. In dieser Situation ist das dtv-Unternehmen ein begrüßenswertes Vademecum. Sieht man einmal davon ab, daß nicht alle Bände gleich ausgefallen sind, so wird im Grunde doch eine Hinführung zu den Quellen selbst und eine Verlockung zu eigener Lektüre geboten, derer man für eine Erneuerung der Lesekultur gar nicht entraten kann.

Die Nacherzählungen beschränken sich nämlich nicht auf den Telegrammstil von Werklexika, sondern kommen in deutlicher Detailfreudigkeit daher (so erklärt sich die hohe Zahl der Bände), zu der auch in großem Umfang eingestreute Langzitate gehören, die einen Eindruck von Sprache, Stil usw. der behandelten Texte vermitteln. Geschickt werden in die Nacherzählungen die wichtigsten Informationen zur Biographie der Autoren, zu zeitgeschichtlichen Umständen usw. eingeflochten. Man kann dem hier anzuzeigenden Band bescheinigen, daß in ihm das geschilderte Konzept in besonders glücklicher Weise ausgeführt ist. Zum Beleg vergleiche man etwa die Abschnitte zu Tankred Dorsts Eiszeit, zu Christoph Ransmayrs Letzter Welt und zu Durs Grünbeins Gedichten, und man wird sehen, daß dabei exemplarisch sowohl die Spezifika der verschiedenen Gattungen als auch die politischen Bedingungen von Literatur verdeutlicht werden - freilich auf der hier gewählten Ebene einer zum Lesen allemal erst einladenden "Vorschule" der eigenen Lektüre.

Hans-Albrecht Koch


[1]
Vgl. u.a. IFB 96-4-448; 97-1/2-125 - 126; 97-3/4-318. (zurück)

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