Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 1/2
[ Bestand in K10plus ]
[ Bestand in K10plus ]

Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa


98-1/2-060
Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa : eine Übersicht über Sammlungen in ausgewählten Bibliotheken / hrsg. von Bernhard Fabian. - Hildesheim [u.a.] : Olms-Weidmann. - 30 cm
[4300]
Bd. 2 : Tschechische Republik. Schloßbibliotheken unter der Verwaltung des Nationalmuseums in Prag / bearb. von Petr Masek. Red. Claudia Blum und Matthias Bauer. Register von Karen Kloth. - ISBN 3-487-10355-9 : DM 298.00, DM 248.00 (Forts.-Pr.), DM 178.00 (bei Subskr. des Gesamtwerks)

Der Rezensent hat sich letztendlich für die Einordnung dieses Bestandsführers unter Tschechische Republik entschieden, obwohl man damit des Zusammenhangs mit dem Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland nicht auf den ersten Blick gewahr wird, den das neue, bereits längere Zeit angekündigte und jetzt mit dem zweiten Band erfreulich rasch auf den Weg der Publikation gebrachte Unternehmen glücklich ergänzt. Im Grunde galt dies bereits für das weiter oben besprochene und inzwischen mit Bd. 4 abgeschlossene Handbuch der historischen Buchbestände in Österreich, doch während die Einbeziehung Österreichs als deutschsprachiges Land eine sozusagen selbstverständliche Ergänzung darstellte, handelt es sich bei dem neuen Werk in der Tat um den erstmaligen "Versuch ..., die Verbreitung historischer Bestände aus dem deutschsprachigen Raum in Bibliotheken der nicht-deutschsprachigen europäischen Länder systematisch nachzuweisen" (S. 9). Besondere Bedeutung kommt dabei jenen Ländern Mittel-, Ost- und z.T. auch Nordeuropas zu, in denen das Deutsche jahrhundertelang soz. lingua franca war, was nicht nur zum Import von Büchern aus Deutschland führte, sondern auch eine reiche eigene Buchproduktion in deutscher Sprache hervorbrachte.[1] Daß letztere erwartungsgemäß nur in geringem Umfang in deutsche Bibliotheken gelangt und zudem bisher weitgehend der retrospektiven nationalbibliographischen Kontrolle entgangen ist, macht ihren Nachweis besonders erwünscht. Aber auch unter den aus Deutschland in Bibliotheken anderer europäischer Länder gelangten Bücher sind mit Sicherheit zahlreiche, die sich in deutschen Bibliotheken selbst nicht erhalten haben. Jedenfalls "erwiesen sich die aus dem deutschsprachigen Raum stammenden historischen Buchbestände allenthalben umfangreicher als ursprünglich angenommen" (S. 11).

Wenn am Beginn des Handbuchs deutscher historischer Buchbestände in Europa drei Bände für die Tschechische Republik stehen - Bd. 1 wird die Bibliotheken in Prag behandeln, der vorliegende Bd. 2 gilt der Gruppe der Schloßbibliotheken und Bd. 3 wird die anderen Bibliotheken in Böhmen und Mähren verzeichnen - und nicht etwa die Bestände der British Library, so deswegen, weil es sich aus den vorstehend genannten Gründen um gewachsene Bestände und nicht - wie bei letzterer - um gezielte Erwerbungen handelt, so daß die Wahrscheinlichkeit groß ist, hier besonders viele seltene Publikationen - und seien es Kleinschriften und Akzidenzdrucksachen - vorzufinden.

Der unter vorläufiger Überspringung von Bd. 1 als erster der drei Bände für die Tschechische Republik erschienene Bd. 2 beschreibt die einschlägigen Bestände von 177 der insgesamt 341[2] in der Obhut des Prager Nationalmuseums stehenden Schloßbibliotheken, also Adelsbibliotheken, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen und die trotz immer wieder eingetretener Verluste - etwa im Dreißigjährigen Krieg[3] - eine gewaltige Büchermenge repräsentieren - ca. 1.672.000 Bände in allen 341 Bibliotheken (S. 24). Glücklicherweise wurden diese Bestände bei der Verstaatlichung der Bibliotheken 1945 und 1948 nicht verstreut, sondern "intakt aufbewahrt und unter die Verwaltung des Nationalmuseums in Prag gestellt" (S. 11). Die Bibliotheken sind allerdings nur noch z.T. an ihrem ursprünglichen Ort erhalten, nämlich dann, wenn die "Schlösser den Status eines Kulturdenkmals erhielten" (S. 22). Trotzdem erfolgt die Beschreibung der Bestände im Alphabet der tschechischen Namen ihrer ursprünglichen Standorte, während die "heutigen Standorte der Bestände ... aus Sicherheitsgründen nicht bekanntgegeben werden" (S. 24). Die Gliederung der Artikel ist die aus dem deutschen Handbuch bekannte: 1. Bestandsgeschichte, 2. Bestandsbeschreibung (nach zeitlichen Schichten und Fächern), 3. Kataloge, 4. Darstellungen zur Geschichte der Bibliothek, 5. Veröffentlichungen zu den Beständen. Neben zahlreichen erhaltenen historischen Katalogen können unter Punkt 5 in den allermeisten Fällen moderne, nach 1950 erstellte Kataloge genannt werden, die belegen, daß das Nationalmuseum die übernommenen Schätze nicht nur gehortet, sondern auch große Anstrengungen zu ihrer Erschließung unternommen hat. Diese Leistung schlägt sich nicht nur in den Katalogen einzelner Bibliotheken nieder, sondern auch in Gesamtkatalogen für spezielle Materialien (wie z.B. Theatralia oder Inkunabeln[4]) sowie in der Schaffung eines EDV-Gesamtkatalogs der Schloßbibliotheken, "der zur Zeit etwa 60.000 Bände verzeichnet" (S. 24). Leider steht zu befürchten, daß die Daten dieses EDV-Katalogs mit den in Deutschland laufenden oder geplanten Katalogunternehmen (z.B. VD 17) nicht kompatibel sind.

Von den Beigaben sind zu erwähnen: Ein Verzeichnis der übergreifenden Literatur (S. 203 - 205), Übersichts- und Detailkarten mit der Lage der verzeichneten Bibliotheken sowie einleitend nach dem Inhaltsverzeichnis, das die tschechischen Namen verwendet, ein alphabetisches Verzeichnis der historischen deutschen Ortsnamen, die erfreulicherweise auch im Text selbst den tschechischen stets in eckigen Klammern hinzugefügt sind.

Der Band wird durch ein zweiteiliges Register - der Personen (ganz überwiegend der adligen Vorbesitzer und ihrer Familien) und der Sachbegriffe (Fächer und Spezialbestände) - erschlossen. Die bereits bei der Rezension früherer Bände konstatierte mangelhafte Konsistenz der verwendeten Registerbegriffe gilt auch für den vorliegenden Band. Sie resultiert zwar aus der Inhomogenität der in den Beschreibungen verwendeten Begriffe, da anscheinend versäumt wurde, die Autoren von Anfang an auf einen Bergriffsthesaurus zumindest der immer wieder vorkommenden Fächer, Schriftengattungen usw. zu verpflichten, doch müßte es durchaus möglich sein, noch im Nachhinein Vereinheitlichungen und Zusammenführungen vorzunehmen. So ist z.B. nicht einzusehen, warum Opernlibretti sowohl unter Libretti als auch unter Oper nachgewiesen werden; auch ist nicht anzunehmen, daß es sich bei den (nicht gegenseitig verwiesenen und nicht, wie zumeist bei den gerade genannten Libretti, doppelt verzeichneten) Eintragungen unter Enzyklopädien und Lexika wirklich um verschiedenes Material handelt; und ob die lange Liste der Eintragungen unter Wörterbücher wirklich immer nur Sprachwörterbücher betrifft, bleibe ebenso dahingestellt. Im Hinblick auf die geplanten Gesamtregister sowohl für die einzelnen Abteilungen des Handbuchs ... als auch auf das Generalregister kann man nur dringend dazu raten, bereits im Vorfeld eine nachträgliche Normierung der Terminologie vorzunehmen, zumindest aber durch Verweisungen sicher oder möglicherweise Zusammengehöriges auch zusammenzuführen.

Klaus Schreiber


[1]
Als Beispiel sei nur die gerade erst in IFB 97-3/4-255 besprochene Bibliographie deutschsprachiger Exteriorica in Schweden erwähnt: Deutschsprachige Gelegenheitsdichtung in Stockholm und Uppsala zwischen 1613 und 1719 : Bibliographie der Drucke nebst einem Inventar der in ihnen verwendeten dekorativen Druckstöcke / von Jan Drees. - Stockholm, 1995. - 475 S. ; 24 cm. - (Acta Bibliothec‘ Regi‘ Stockholmiensis ; 56). - ISBN 91-7000-155-3 : SKr. 500.00. - (Kungliga Biblioteket, Humleg†rden, POB 5039, S-102 41 Stockholm) [3021]. (zurück)
[2]
Insgesamt ist die Existenz von mehr als 400 Schloßbibliotheken in Böhmen und Mähren bekannt. (zurück)
[3]
Man kann erwarten, daß die nach Schweden verschleppten Bestände in dem für die skandinavischen Länder geplanten Band des vorliegenden Handbuchs ... beschrieben werden. (zurück)
[4]
Katalog prvotisku zámeckych a hradních knihoven v Ceské Republice / za vedení Jitky Simákové zpracovali: Eduarda Machácková ... - Praha : Národní Muzeum, 1991 - 1992. - C. 1 - 4 ; 24 cm. - (Sborník Národního Muzea v Praze : Rada C, Literární historie ; ...). - Übers. des Sacht.: Inkunabelkatalog der Schloß- und Burgbibliotheken in der Tschechischen Republik. - Kcs. 80.00. - (Národní Muzeum, Knihovna, Václavské nám. 68, CS-11579 Praha 1) [1851]. - [C. 1]. - 1991. - S. 1 - 84. - (... ; 33, 1988,3/4). - C. 2. - 1991. - S. 85 - 206. - (... ; 34, 1989,1/4). - C. 3. - 1991. - S. 207 - 268. - (... ; 35, 1990,1/2). - C. 4. - 1992. - S. 269 - 407 : Ill. - (... ; 35, 1990,3/4). - Rez.: IFB 97-1/2-039. (zurück)

Zurück an den Bildanfang