Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 1/2
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Repertorium deutschsprachiger Ehelehren der frühen Neuzeit


98-1/2-016
Repertorium deutschsprachiger Ehelehren der frühen Neuzeit / Erika Kartschoke (Hg.). Erarb. von Walter Behrendt ... - Berlin : Akademie-Verlag. - 25 cm. - ISBN 3-05-002997-8
[3439]
Bd. 1. Handschriften und Drucke der Staatsbibliothek zu Berlin / Preußischer Kulturbesitz (Haus 2)
1 (1996). - XXXII, 338 S. : Ill. - ISBN 3-05-002841-6 : DM 168.00

Gegenstand des Repertoriums sind die deutschsprachigen, handschriftlichen und gedruckten "Texte, deren primärer Zweck es ist, über die Ehe als Lebensform und als soziale Ordnungseinheit zu unterrichten" (Einleitung, S. IX). Seit dem Ende der 30er Jahre, als der amerikanische Germanist Archer Taylor zur Sammlung und Sichtung der deutschen Ehelehren des 15. und 16. Jahrhunderts anregte, steht ein bibliographischer Überblick zu diesem Thema aus (vgl. Einleitung, S. VIII).[1]

Insgesamt widmete sich die Forschung im Grenzbereich von Geschichts- und Literaturwissenschaft sowie historischer Soziologie in den letzten Jahren verstärkt den Ehelehren der frühen Neuzeit. Der um 1400 einsetzende, europaweit geführte Diskurs war zunächst ein Reflex auf den allgemeinen Wandel sozialer Organisationsformen vor allem im städtischen Milieu. Die Lockerung der großen Familienbande und die allmähliche Auflösung traditioneller ständischer Strukturen mit der Etablierung bürgerlicher Werte führte zu einem neuen Verständnis der Ehe. Mit der Aufwertung dieser kleinsten sozialen Einheit zum Nukleus gesellschaftlicher Stabilität schlechthin war auch dem Individuum ein neuer Ort im sozialen Gefüge bestimmt. Von hier aus wurden zentrale Fragen des privaten und öffentlichen Lebens, der Religiösität, der Morallehre allgemein neu definiert. Kein Lebensbereich blieb von diesem Wandel unberührt. Nichts Geringeres, als den großen Textkorpus, in dem sich die Debatten jener Zeit spiegeln, bibliographisch zu erschließen und zu systematisieren, hat sich das Repertorium zum Ziel gesetzt. Um Eingrenzungen kommt denn auch dieses auf drei Bände angelegte ambitionierte Projekt nicht umhin. Zeitlich gibt die Periode extensivster Publikation zum Thema, die mit den Eckdaten 1400 und 1620 deutlich markiert ist, den Rahmen. Formal orientiert man sich an den traditionellen literarischen Gattungen, die für den relevanten Zeitraum mit Gespräch (Dialoge, Streitgespräche), Predigt (entsprechend den texteigenen Angaben oder aufgrund stilistischer Zuordnung), Satiren (sofern das "positive Belehrungsmuster deutlich" durchscheint [Einleitung, S. X]) und Traktat (hier werden alle stilistisch nicht anders zuzuordnenden Texte subsumiert) überschrieben sind.

Nach ersten Recherchen stehen 800 Titel zur Aufnahme in das Verzeichnis an, wovon sich 70 % in vier großen deutschen Bibliotheken befinden. In drei Bänden soll der Bestand dieser vier Bibliotheken ausgewertet werden: Der erste, nun vorliegende Teilband des ersten Bandes beschreibt die Handschriften und Drucke von Haus 2 der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, der zweite Teilband wird die Bestände von Haus 1 beschreiben, der zweite Band die Bestände der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, der dritte die der Bayerischen Staatsbibliothek und der Universitätsbibliothek München. Für den dritten Band wird eine Liste derjenigen Titel angekündigt, die zwar ermittelt, aber nicht bearbeitet wurden. Dieses Gliederungsprinzip ist weniger der adäquaten Darstellung der Materie - hier hätte sich sicher die alphabetische Reihenfolge nach Verfasser/Titel eher angeboten - , denn vielmehr der Tatsache geschuldet, daß eine große, verstreute Titelmenge mit geringen finanziellen Mitteln der Freien Universität Berlin ausgewertet werden muß,[2] was auch die zehn Jahre von der Idee bis zum Erscheinen des ersten Bandes erklärt. Fraglich ist auch, ob sich die Bedeutung und Wertigkeit eines Textes daran messen läßt, ob sich ein Exemplar heute in einer der vier Bibliotheken befindet - dem Anspruch, einen fundierten Überblick zu geben, wird ein Verzeichnis, das 240 Texte ausschließt, weil sie sich zufällig nicht in einer der vier Bibliotheken befinden, auch dann nicht gerecht, wenn in der Einleitung ausdrücklich darauf verwiesen wird, daß Vollständigkeit nicht angestrebt, weil nicht erreichbar ist (S. X).

Der erste Band enthält 104 Nummern, also circa ein Achtel der bisher gefundenen Gesamttitelmenge, wovon zwei Handschriften und sechs Drucke, die bisher noch nicht bibliographisch nachgewiesen waren. Die Ordnung der Texte erfolgt alphabetisch nach Verfasser, Bearbeiter oder Übersetzer bzw. nach dem Kurztitel von anonymen Schriften. Jeder Text wird zunächst bibliographisch beschrieben, wobei die Druckerfassung nach dem von Christoph Weismann entworfenen Schema vorgenommen wird.[3] Es folgt eine umfassende inhaltliche Beschreibung der Vorlage: 1. Leben und Werk des Verfassers; 2. Einteilung nach Gespräch, Predigt oder Traktat; 3. Vorlagen der beschriebenen Texte; 4. Beiträger; 5. Widmungsträger; 6. Vorrede; 7. Angaben zum Aufbau des Textes; 8. ausführliche Nacherzählung; 9. Registereinträge der Autoritäten und Beispielfiguren. Abweichend vom Schema behandelt werden diejenigen Drucke, von denen keine Erstauflage vorhanden war, immerhin 24. Hier werden nur Titel, Erscheinungsdatum sowie weitere Auflagen und deren Standorte angegeben. Die Kommentierung soll dann in den folgenden Bänden nachgeholt werden, falls sich in den anderen drei Bibliotheken die Erstauflage findet. Zu hoffen ist, daß eine Beschreibung dieser einmal genannten Drucke auch dann erfolgt, wenn die Erstauflage nur in anderen als den vier ausgewählten Bibliotheken vorliegt.[4]

Zahlreiche, umfangreiche Register erschließen das Repertorium: 1. Verfasser; 2. Widmungsträger; 3. Drucker, Verleger; 4. Themen; 5. Autoritäten; 6. Bibelzitate; 7. Exempelfiguren; 8. Chronologie des Erscheinens, die sich in den folgenden Bänden verändern wird und die im letzten Band für sämtliche ermittelte Texte, nicht nur für die ausführlich beschriebenen, erstellt werden sollte; 9. Verzeichnis der Illustrationen, wobei Schmuckelemente wie Randleisten, Zierstücke, Vignetten und Druckermarken ausgeschlossen wurden. Damit zur Ermittlung eines Druckes nicht alle Bände einzeln durchgesehen werden müssen, ist für den abschließenden Band auf ein zusammenführendes alphabetisches Verzeichnis zumindest der besprochenen Ehelehren zu hoffen.

Kathrin Paasch


[1]
Problems in German literary history of the fifteenth and sixteenth centuries / Archer Taylor. - New York, 1939. (zurück)
[2]
Das Repertorium ist das Produkt eines Forschungsprojektes am Fachbereich Germanistik der Freien Universität von 1985. (zurück)
[3]
Die Beschreibung und Verzeichnung alter Drucke : ein Beitrag zur Bibliographie von Druckschriften des 16. bis 18. Jahrhunderts / Christoph Weismann. // In: Flugschriften als Massenmedium der Reformationszeit / hrsg. von Hans-Joachim Köhler. - Stuttgart, 1981, S. 447 - 614. (zurück)
[4]
Auf dieses Verfahren deutet das Rundschreiben hin, das Anfang 1997 bei Bibliotheken nach Erstausgaben von Drucken fragt, die an der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz nicht vorhanden sind. (zurück)

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