Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 1/2
[ Bestand in K10plus ]

Fortschreibung


98-1/2-088
Fortschreibung : Bibliographie zum Werk Heinrich Bölls / Viktor Böll ; Markus Schäfer. - 1. Aufl. - Köln : Kiepenheuer & Witsch, 1997. - 477 S. ; 21 cm. - ISBN 3-462-02604-6 : DM 58.00
[4463]

Wie die Dinge eben liegen, konnte man es nicht anders erwarten, als daß die lange angekündigte Böll-Bibliographie aus dem Kölner Heinrich-Böll-Archiv sich nicht damit begnügen würde, als Ergänzung zu der zwei Jahre früher von Werner Bellmann, dem Leiter der Heinrich-Böll-Forschungsstelle an der Bergischen Universität Wuppertal, herausgegebenen und alles in allem vorzüglich gelungenen Bibliographie[1] aufzutreten. Der Böll-Forschung und der Rezeption des Schriftstellers ist nicht gut damit gedient, daß in Wuppertal ein Kenner der Materie und ein Könner des Handwerks sitzt, den die Sachwalter des Kölner Archivs kraft faktischer Macht, nicht kraft wissenschaftlicher Kompetenz von der Nutzung der ihnen anvertrauten Materialien ausschließen.

So muß nun der Interessierte mit zwei Bibliographien arbeiten - ein Umstand, der - an sich schon unerfreulich - noch ärgerlicher wird, weil man tatsächlich mit beiden arbeiten muß - mit der Bellmannschen von 1995 wegen ihrer Korrektheit, mit der von Viktor Böll und Markus Schäfer bearbeiteten, weil sie - nicht verwunderlich angesichts der Verfügung über die Archivalien, darunter die Böllschen Arbeitskladden mit (nicht immer zuverlässigen) Datierungen - auch den einen oder anderen Titel bietet, der bei Bellmann noch nicht erfaßt ist.

Bölls Hausverlag Kiepenheuer & Witsch und die Böll-Erben tragen mit der neuen Bibliographie zur Pflege des Schriftsteller-Erbes soviel bei wie zu seiner Verschleuderung. Daß die Kölner Bibliographie - ursprünglich für das Frühjahr 1996 angekündigt - erst jetzt erscheint, hätte ihr eigentlich zugutekommen müssen. War infolge des Verzugs doch Zeit genug, das Kölner Material noch einmal an der Bellmannschen Arbeit abzugleichen. Macht man das nun als Benutzer nachträglich, reibt man sich alsbald die Augen: Warum z.B. bietet Bellmann (59.5) zu Bölls Essener Rede Der Preis der Versöhnung zwei unmittelbar mit dem Anlaß - der Woche der Brüderlichkeit - verbundene Essener Drucke, während Böll/Schäfer (59.05) nur einen anführen? Für andere Belege dieser Art sei auf die so gründliche wie berechtigte Kritik der neuen Bibliographie durch Andreas Rossmann[2] verwiesen; dort findet sich auch ein Hinweis auf einen Böll irrtümlich zugeschriebenen Text .

Der Eindruck größerer Ausführlichkeit bei Böll/Schäfer rührt aus zahlreichen Annotationen zu den Titelaufnahmen. Sie sind nicht immer nötig, aber doch des öfteren hilfreich. Aber wie die Autoren der neuen Bibliographie die Chance zusätzlicher Informationen gleich wieder vertun, verrät ein Blick in das Register. Da wird (59.15) zu dem Abdruck eines Gesprächs Magie des Worts, das Böll mit Rolf Gerlach geführt hat, die willkommene Annotation hinzugefügt, der Schriftsteller habe sich dort über seine Hörspiele Bilanz und Eine Stunde Aufenthalt geäußert. Dabei wird auch mitgeteilt, daß beide Hörspiele unter den Nummern 58.04 und 57.17 verzeichnet sind. Im Register der Werke aber finden sich beide Werke nur mit diesen beiden Nummern, nicht jedoch mit dem Hinweis auf 59.15.

Auf den Punkt gebracht: Es mangelt den Bearbeitern an der Beherrschung der bibliographischen Technik. Das zeigt sich gleich mehrfach. Das Vorwort ergeht sich des längeren über Bölls Technik der "Fortschreibung" - es handelt sich dabei ganz einfach um die ökonomische Mehrfachverwertung, der er seine Texte zugeführt hat -, aber ein Hinweis darauf, daß es sich bei den grau unterlegten Titelaufnahmen, die zuweilen auf den Seiten hervorspringen, um solche handelt, die unter ihrem Entstehungsjahr eingereiht sind, obgleich sie erst wesentlich später in Sammlungen bzw. Ausgaben publiziert worden sind - ein solcher Hinweis fehlt, und der Benutzer muß sich den Grund für selbst erschließen.

Auch die ärgerliche Überfrachtung der neuen Bibliographie mit nicht-bibliographischen Daten belegt den methodischen Mangel. Die jedem Jahr vorangestellten biographischen Daten haben im Kontext einer subjektiven Personalbibliographie nichts verloren, die sich auf ihren Zweck des Nachweises von Drucken konzentrieren sollte.

Hans-Albrecht Koch


[1]
Vgl. IFB 95-3-398 und 96-1-035. (zurück)
[2]
Frankfurter Allgemeine. - 97-12-20, S. 35. (zurück)

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