Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 3/4
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Knaurs großes Jagdlexikon


97-3/4-415
Knaurs großes Jagdlexikon / Ilse Haseder ; Gerhard Stinglwagner. - [Überarb. Aufl.]. - München : Droemer Knaur, 1996. - 983 S. : Ill. ; 27 cm. - ISBN 3-426-26140-5 : DM 198.00
[4035]
97-3/4-416
Jagdlexikon / [Autoren bzw. Bearb.: Eberhard Schneider ... Gesamtbearb.: Gerhard Seilmeier]. - 7., überarb. Aufl. - München [u.a.] : BLV, 1996. - 858 S. : zahlr. Ill., graph. Darst., Kt. ; 23 cm. - ISBN 3-405-15131-7 : DM 148.00
[4065]

Die Vielschichtigkeit des Jagdwesens mit seinen nicht immer scharf voneinander zu trennenden Teilbereichen wird im deutschsprachigen Schrifttum durch eine Fülle von Einzeldarstellungen abgedeckt. In ihrer Komplexität jedoch sind dem Rezensenten momentan nur zwei Werke bekannt, die für sich den Anspruch eines umfassenden Nachschlagewerkes erheben, sieht man von dem Standardwerk der Jagdkunde, dem Nüsslein,[1] einmal ab. Ein in Österreich 1992 erschienenes Lexikon von Zeiss[2] ist dem Rezensenten nur namentlich bekannt und kann daher zu einem Vergleich hier nicht herangezogen werden.

Das Jagdlexikon aus dem BLV-Verlag (nachfolgend als BLV zitiert), zählt im Zusatz zum Sachtitel die umfangreichen Teildisziplinen der Jagd auf, die jeweils von kompetenten Fachleuten bearbeitet werden. Über 6000 Stichwörter erschließen das Spektrum der jagdlichen Bereiche, ergänzt durch 686 Fotos, davon 522 in Farbe, 280 Zeichnungen und 102 Verbreitungskarten.

Das zweite zu besprechende Werk, Knaurs Grosses Jagdlexikon aus dem Droemer-Knaur-Verlag (nachfolgend Knaur genannt), unterscheidet sich auf dem ersten Blick nicht nur durch das Quart-Format, sondern auch durch die doppelt so große Anzahl der Stichwörter (12.000) und Abbildungen (1600) deutlich vom BLV. Für dieses Lexikon zeichnen zwei Verfasser verantwortlich.

Während der BLV durch die Aufteilung der Sachgebiete auf mehrere Bearbeiter schneller und flexibler auf Änderungen reagieren und in den 13 Jahren seines Erscheinens sieben überarbeitete Auflagen erfahren hat, handelt es sich erst bei der vorliegenden 4. Aufl. des Knaur um eine aktualisierte Neubearbeitung der 1. Aufl. 1984, während die 2. und 3. Aufl. Nachdrucke ohne Überarbeitung waren.

Da es nur schwer möglich ist, die Einträge beider Lexika akribisch abzugleichen und zu bewerten, soll deshalb zu einem kritischen Vergleich einiger wichtiger Themen aus dem jagdlichen Bereich eine imaginäre Pirsch dienen.

Bei der Anfahrt zum Jagdrevier bemerkt der Jäger die im Laufe der Jahre aufgetretenen Waldschäden. Im Knaur ist der Eintrag trotz der Photos geschädigter Bäume recht kurz, mit einer Verweisung auf Wald, der Begriff Waldsterben kommt aber nicht vor. Im BLV ist Waldsterben das Stichwort mit dem Unterstichwort Waldschäden. Die Abbildungen geschädigter Bäume werden durch graphische Darstellungen der Schadensstufen ergänzt. Hinzu kommen Verweisungen auf Treibhauseffekt, Saurer Regen und Luftverschmutzung.

Zur Wildbeobachtung im Revier benötigt der Jäger ein gutes Fernglas. Beim BLV finden wir unter dem Stichwort Optik die Hinweise auf Fernglas, Spektiv und Zielrohr. Man muß dann weiterblättern, um beim Fernglas die beiden entscheidenden Baumerkmale Porroprisma und Dachkantprisma zu finden. Auf Dachkantprisma wird verwiesen und dieses folgendermaßen definiert: "Winkelform eines fränkischen Giebels." Darunter kann sich der Leser, wenn er nicht architektonisch vorgebildet ist, vermutlich wenig vorstellen. Das Porroprisma, die ältere, in Gläsern durchaus noch verwendete Konstruktionsform, hat keinen eigenen Eintrag mehr. Ganz anders beim Knaur. Hier findet man unter dem Stichwort Jagdoptik beim Fernglas auch informative Schnittzeichnungen durch Porro- und Dachkantprisma. Abgerundet wird der Eintrag durch nützliche Hinweise zur Bedienung eines Fernglases. Dieses Beispiel soll auch zeigen, daß die Erläuterungen zu dem jeweiligen Stichwort im Knaur geschlossener wirken. Im BLV muß mehr geblättert werden, was das Erfassen eines Sachverhaltes etwas erschweren kann.

Natürlich entgeht dem Jäger auch nicht die Verarmung der Fauna in seinem Revier. Im BLV finden wir unter dem Eintrag Rote Listen einen Hinweis auf Vogelschutz und dort immerhin die Rote Liste der Brutvogelarten. Im Knaur ist das Stichwort Rote Liste zwar auch zu finden, aber leider keine Tabelle oder auch nur ein Hinweis auf die Gefährdung einzelner Tierarten. Eine Aufführung der Gefährdungskategorien einheimischer Tiere und Pflanzen vermißt man in beiden Lexika. Immerhin sind in der BRD über 50 % der Wirbeltiere gefährdet und bei den Kriechtieren 77 % ausgerottet oder gefährdet.

Auf seinem Rundgang bemerkt der aufmerksame Jäger weitere Schadensbilder an Bäumen, von denen anzunehmen ist, daß sie durch das Wild hervorgerufen wurden. Beim Stichwort Wildschäden hält sich der Knaur sehr genau an die jagdgesetzliche Definition, wonach es sich hierbei um Schäden handelt, die jagdbare Tiere an einem Grundstück anrichten. Auch der Ersatz von Wildschäden wird ausführlich erläutert. Während der BLV immerhin auf den durch Wildschäden verursachten ökologischen nachhaltigen Einfluß auf Lebensgemeinschaften infolge von Überhege hinweist, sorgt sich der Knaur hauptsächlich um das Wohl des Wildes: "Starke Ü. kann zu Nahrungsmangel, schlechter körperlicher Verfassung des Wilds und damit auch zum Auftreten von Wildkrankheiten führen." Die Wildschäden in Wald und Flur und die daraus resultierenden Folgen im jeweiligen Ökosystem werden hier nicht gebührend berücksichtigt.

Doch jetzt wird es spannend; ein Hase und kurz darauf ein Fuchs kreuzen den Weg des Jägers. Der BLV beschreibt die Biologie des Hasen eingehend mit einer Fülle von Verweisungen bis hin zur Angabe der Jagdstrecke. In diesem Beitrag erfährt man auch interessante wildbiologische Einzelheiten, z.B. daß der Besatz einem fünfjährigen Zyklus unterworfen ist. Im Knaur hingegen ist zwar die Biologie des Hasen ebenfalls gut abgehandelt, ergänzt durch informative Abbildungen zu Teilbereichen (Losung, Trittspur) und der Angabe der waidmännischen Ausdrücke, dafür entfällt die Jagdstreckenangabe, und die Verweisungen auf andere biologische Bereiche sind eher spärlich. Beim Knaur werden im Gegensatz zum BLV beim jagdbaren Wild auch die möglichen Tötungsarten angegeben. Beim Stichwort Fuchs finden wir nur im BLV den Vermerk, daß jagdliche Eingriffe ohne erkennbaren Effekt auf die Bestandsentwicklung sind, und den Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen der Zunahme des Fuchsbandwurms und der Abnahme der Tollwut. Bei solchen wichtigen biologischen Zusammenhängen muß der Knaur leider manchmal passen.

Den Jäger interessiert natürlich auch, was so im Laufe eines Jahres im deutschen Wald geschossen wird. Der BLV zeigt die Jahresstrecken nicht nur tabellarisch, sondern auch die Entwicklung des Bestandes, mit durchaus kritischen Bemerkungen bei der Beurteilung und Erhebung von Jagddaten. Auch diese Angaben vermißt man beim Knaur. Hier ist lediglich die Jagdstrecke nach dem DJV-Handbuch 1995 aufgeführt, Angaben zur Bestandsentwicklung fehlen.

Leider kommt der Jäger bei seinem Gang durch den Wald auch mit eher lästigen Tieren in Kontakt. Der BLV erwähnt unter dem Stichwort Zecken die möglichen Krankheiten Borelliose und Encephalitis und gibt nützliche Hinweise zur Entfernung des Ektoparasiten. Beim Knaur kommt der Hinweis auf Lyme-Borelliose erst am Ende des Stichwortes Zeckenbiß-Encephalitis und ist vorher bei den durch Zecken übertragbaren Krankheiten, wo es sachlich hingehört, nicht aufgeführt. Nach Knaur sollen Zecken auch Hundebandwürmer übertragen, was dem Rezensenten bislang nicht bekannt war.

Diese kleine Pirsch zeigt deutlich die verschiedenen Ausrichtungen der beiden Lexika. Schwerpunkte des BLV sind zweifellos die Wildbiologie und Ökologie mit ihren Verästelungen zu anderen Gebieten der Jagdwissenschaft. Allein schon das Stichwort Wildbiologie ist im Gegensatz zum Knaur besser definiert und verweist weiter auf Jagdwissenschaft, wo man eine umfassende vierspaltige Darstellung mit einem informativen Diagramm und der Angabe zahlreichen wildbiologischer Forschungseinrichtungen findet. Der Knaur vermerkt beim Eintrag Jagdwissenschaft lediglich auf einer Spalte etwas spröde: "Wissenszweige, die sich mit der Jagd befassen."

Überhaupt umfaßt der Bereich Umwelt im BLV vierzehn Einträge von Umwelt bis Umweltverträglichkeitsstudie mit zahlreichen Unterstichwörten, incl. Schaubild zum sauren Regen, während im Knaur zwischen Umwelt und Umweltverträglichkeitsprüfung nur sechs Einträge zu zählen sind, die lediglich zwei Unterstichwörter (ökologische Funktion und Ökosystem) enthalten. Auf die gleiche Anzahl von Einträgen wie im Bereich Umwelt kommt der Knaur bei den Stichwörtern Reichsbund Deutscher Jägerschaft bis Reichsjägermeister mit vielen Verweisungen z.B. auf Jagdrecht, Waidgerechtigkeit, Jagdgenossenschaften und Falkenhof, was die Unterbewertung des Umweltbereiches im Vergleich mit anderen Bereichen zeigt.

Der BLV ist zudem bestrebt, ökologische Begriffe, beispielsweise Biotopnutzung, Energiefluß der Nahrungskette, Luftverschmutzung, Biotopnutzung im Wechsel der Jahreszeiten und Wasserkreislauf, in vereinfachter Form graphisch darzustellen und zu erläutern. Ärgerlich wird es dann, wenn die Erläuterung falsch ist. Beim Stichwort Ozon liest man etwas salopp: "Die O.-Hülle ist gefährdet durch das Treibgas der Sprays. Dadurch besteht die Gefahr, daß zuviel kurzwellige Strahlung auf der Erdoberfläche ankommt." So einfach kann man es sich hinsichtlich diese komplexes Phänomens, das in seinen Einzelheiten noch längst nicht sicher geklärt ist, nicht machen. Hier vermißt man zumindest Verweisungen auf FCKW, Treibhauseffekt und NOx. In beiden Lexika fehlt das wichtige Stichwort Waldökologie, was zumindest beim BLV erstaunt, ist die Waldökologie doch ein eigener gut dokumentierter Forschungsschwerpunkt.[3]

Der Knaur hat seine Schwerpunkte und Stärken eindeutig in den klassischen, handwerklich-technischen Jagdbereichen, wie Jagdausübung, jagdliches Brauchtum, Jagdgeschichte, Jagdkultur und -kunst, was schon die wirklich prächtigen, über das gesamte Lexikon verstreuten Abbildungen jagdlicher Motive zeigen, auch wenn im Vorwort für diese überarbeitete Auflage darauf hingewiesen wird, daß "insbesondere die Themen Wildbiologie, Land- und Waldbau, Umwelt- und Naturschutz sowie Jagd- und Waffenrecht ... systematisch berücksichtigt" wurden. Diese Aussage trifft für die Bereiche Wildbiologie und Umwelt- und Naturschutz so nicht zu. Als weiteres Beispiel für die eher traditionelle Ausrichtung des Knaur möge die Trophäenbewertung dienen, hier ein lexikalischer Eintrag über 17 Seiten, im BLV im Anhang aufgeführt.

Im BLV werden die Einträge durch knappe Literaturhinweise ergänzt, die jedoch bei dem öfter zitierten "Grzimek" leider zu keiner bibliographischen Angabe im Literaturverzeichnis führen. Manches Stichwort wirkt etwas deplaziert, so z.B. der Eisbär mit großformatigem Bild, dem der Jäger in seinem heimischen Revier wohl eher selten begegnen wird. Die Verbreitungskarten im Format 3 x 2,5 cm, die immerhin einen Großteil der paläarktische Region umfassen - in einem tiergeographischen Werk unerläßlich - sind zu klein und für die Darstellung der Verbreitung wenig hilfreich. Einige Mängel redaktioneller Art dürfen auch nicht unerwähnt bleiben: Oftmals fehlen Verweisungspfeile. So haben Oskar v. Riesenthal und Raoul v. Dombrowski zwar eigene Einträge, im Abschnitt Jagdliteratur wird auf Riesenthal aber nicht verwiesen. Ärgerlich ist auch, daß bei den Stichwörtern die Hinweise auf Abbildungen ohne Seitenvermerk erfolgen, was zu ziellosem Blättern führen kann (Abbildung der Eulen auf S. 201, Eintrag auf S. 203). Die Abbildungen auf S. 196 zeigen den Flügelspiegel der Enten, nicht das Flügelspiel. Die chemische Formel des Kalidüngers auf Seite 309 ist nicht KżO, sondern K2O. Die Hinweise für den Benutzer erklären auch nicht, warum Unterstichwörter teils kursiv, teils halbfett gedruckt sind. Das Abkürzungsverzeichnis ist zwar umfangreich, aber nicht immer sinnvoll zusammengestellt. Die Abkürzung P jeweils für Prämolare, Phosphor und Pointer ist zu unspezifisch. Hier hätte BLV sich ein Beispiel am Knaur nehmen können, der wesentlich sorgfältiger redigiert ist.

Der Knaur führt im Anhang Wichtige Adressen auf, in der Mehrzahl die jagdlicher Verbände. Die Adressenauswahl von Naturschutzverbänden erscheint etwas willkürlich. So wird die Seehundstation Friedrichskoog erwähnt, nicht aber der B.U.N.D. Der BLV verfügt leider über kein Adressenverzeichnis.

Beide Lexika haben umfangreiche Literaturverzeichnisse, wobei dasjenige des BLV nach Sachgebieten gegliedert ist. Die Rubrik Natur führt allerdings nur Titel des eigenen Verlages auf. Zweifel sind leider auch an der Genauigkeit der bibliographischen Angaben angebracht. Im Abschnitt Jägerausbildung taucht der Nüsslein korrekt in der 14. Aufl. 1996 auf, beim Haarwild als Neuausgabe 1995. Eine solche findet sich aber in der DNB nicht. Die 13. Auflage ist 1990 erschienen, alle im BLV-Verlag!

Dem alphabetisch geordneten, umfangreichen Literaturverzeichnis des Knaur würde eine Aktualisierung sicher nicht schaden, wird doch der bereits mehrmals erwähnte Nüsslein hier noch mit der 11. Aufl. 1983 angegeben.

Das im Vorwort des Knaur angestrebte Ziel, "die umfassendste universelle Informationsquelle auf dem Gebiet der Jagd für den deutschsprachigen Raum zu sein", ist mit dieser Auflage leider nicht erreicht. Die Jagd in der heutigen Zeit ist eben nicht nur durch die traditionellen und geistig-kulturellen Bereiche geprägt, sondern erfordert in immer größerem Maße profunde Kenntnisse aus den Gebieten Wildbiologie, Ökologie, Natur- und Umweltschutz . Der BLV ist hier dem Knaur eindeutig überlegen. Allerdings läßt auch der BLV die Frage unbeantwortet, wieviel Wild der Wald eigentlich verträgt. Nur die Kombination des modernen BLV mit dem konservativen Knaur könnte ein überzeugendes, enzyklopädisches Jagdlexikon ergeben, das imstande wäre, neue Maßstäbe zu setzen und die Tradition der großen Jagdlexika des 19. Jahrhunderts fortzuführen.

Joachim Ringleb


[1]
Das praktische Handbuch der Jagdkunde / Fritz Nüsslein. - 14., neubearb. Aufl., Neuausg. - München [u.a.] : BLV, 1996. - 442 S. : zahlr. Ill. - ISBN 3-405-14789-1 : DM 78.00. (zurück)
[2]
Lexikon der Waidmannssprache und weitere Sachgebiete der Jagd : Wildbiologie, Wildkrankheiten, Wildhege, Jagdbetrieb, Jagdpolitik ... / Carl Zeiss. - Wien : Hubertusverlag Hitschmann, 1992. - 285 S. (zurück)
[3]
Waldökologie : 19 Tabellen / Hans-Jürgen Otto. - Stuttgart : Ulmer, 1994. - 391 S. : Ill., graph. Darst., Kt. - (UTB für Wissenschaft : Forstwissenschaften, Biologie und Naturschutz). (zurück)

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