Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 3/4
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Hauptwerke der Geschichtsschreibung


97-3/4-398
Hauptwerke der Geschichtsschreibung / Volker Reinhardt (Hg.). - Stuttgart : Kröner, 1997. - XII, 792 S. ; 18 cm. - (Kröners Taschenausgabe ; 435). - ISBN 3-520-43501-2 : DM 49.00
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Um die "zunehmende Quellenferne" (S. XII) in der akademischen Lehre etwas zu verringern, hat der in Fribourg in der Schweiz lehrende Frühneuzeit-Historiker V. Reinhardt den Versuch unternommen, die zentralen Werke der europäischen Geschichtsschreibung von Herodot bis zu Fritz Fischers Griff nach der Weltmacht (1961) durch ausgewiesene Experten vorstellen zu lassen. Die 228, nach Autorennamen (Abaelardus bis Zosimos) geordneten Artikel sind durchschnittlich etwas über drei Druckseiten lang und mit wenigen Literaturangaben versehen. Vermißt wird jedoch ein Literaturverzeichnis für das gesamte Lexikon, in dem Lehrende und Studierende sich über die Standardwerke zur Historiographiegeschichte und Geschichtsphilosophie unterrichten könnten. Erschlossen wird der Band durch ein chronologisches Verzeichnis aller Werke, durch ein Titel- und ein Personenregister. Nützlich wäre aber auch eine Aufschlüsselung nach Ländern bzw. Sprachen gewesen.

148 Beiträger haben mitgewirkt, und so ist die Anlage und das Niveau der Artikel unterschiedlich. Allerdings findet man zu den einzelnen Werken in der Regel verläßliche Informationen. Nicht immer überzeugt die Auswahl der Literaturangaben; beispielsweise ist sehr uneinheitlich auf das großartige Verfasserlexikon. Die deutsche Literatur des Mittelalters hingewiesen worden. Teils sind Angaben zur Biographie der Verfasser der Hauptwerke und zu ihrem übrigen Oeuvre vorhanden, teils fehlen solche.

Die Achillesferse eines solchen Nachschlagewerks ist stets, wie nicht anders zu erwarten, die Auswahl der Werke. Im Mittelalterteil ist wieder einmal das Spätmittelalter allzu stiefmütterlich behandelt worden. Eindeutig überrepräsentiert ist die im deutschsprachigen Raum entstandene Geschichtsschreibung. So sind von den 19 im 15. Jahrhundert abgeschlossenen Texten 8 in den heute deutschsprachigen Ländern entstanden (aber 5 davon sind lateinische Werke!), 6 auf dem Boden des heutigen Frankreich und die restlichen 5 in Italien. Was ist mit England, Spanien, Skandinavien, Osteuropa? Warum ist unter dem Autorennamen Celtis ein nicht realisiertes Projekt aufgenommen, aber der ungleich wirkmächtigere Johannes Trithemius ausgeklammert worden? Weshalb fehlt im 16. Jahrhundert die berühmte Zimmerische Chronik? Und warum vertritt Die höfische Gesellschaft das Werk von Norbert Elias und nicht Der Prozeß der Zivilisation? Wenn schon ein Sach- und Themenregister nicht zu realisieren war, so hätte doch auf eine stärkere Verzahnung der Artikel untereinander Wert gelegt werden müssen: man konsultiere etwa die den Vitensammlungen von Faccius, Nepos, Plutarch und Vasari gewidmeten Artikel und achte auf die Existenz von Querverweisen.

Auch wenn man die Auswahlkriterien dieses Lexikons wohl kaum zum Maßstab für eine Mikrofiche- oder Internet-Edition der Hauptwerke der Geschichtsschreibung machen könnte, so kann doch der unmittelbare Nutzen dieses neuen Nachschlagewerks nicht bestritten werden.

Klaus Graf


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