Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 3/4
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Encyclopedia of Latin American literature


97-3/4-339
Encyclopedia of Latin American literature / Verity Smith, ed. - 1. publ. - London ; Chicago : Fitzroy Dearborn, 1997. - XXII, 926 S. ; 29 cm. - ISBN 1-884964-18-4 : œ 95.00
[4045]
97-3/4-340
Diccionario enciclopédico de las letras de América latina / [José Ramón Medina, dir. gen.]. - Caracas : Biblioteca Ayacucho [u.a.]. - 24 cm. - ISBN 980-276-309-8 (Gesamtwerk)
[4272]
1. [A - E]. - 1. ed. - 1995. - LXIV, 1706 S. - ISBN 980-276-310-1 : DM 148.00 (Vervuert)
2. [F - N]. - 1. ed. - 1996. - LVIII S., S. 1707 - 3432. - ISBN 980-276-311-X : DM 148.00 (Vervuert)

1. Literaturlexika

1.1. Encyclopedia of Latin American literature (ELAL)

1.1.1. Aufbau und allgemeine Charakteristik

Die nicht gerade handliche einbändige Enzyklopädie der lateinamerikanischen Literatur mit über 900 Seiten in DIN-A4 Format enthält Beiträge über Autoren, Werke, Themen sowie Überblicksartikel zur Literatur der einzelnen Länder, wobei im Gegensatz zum Diccionario enciclopédico de las letras de América latina (DELAL) die Werkinterpretationen im Gesamtalphabet als Untereintrag im Anschluß an den Beitrag zum Autor aufgeführt werden, was die Studie des Gesamtoeuvres eines Autors erleichtert und der Übersichtlichkeit dient. Autoren aus kleineren Ländern wie Ecuador und Bolivien, die nicht zu den Boom-Autoren gehören, führt der Band ebenso auf wie die Chicano-Literatur der spanischschreibenden Minderheit in den USA oder die frankophone und brasilianische Literatur des Kontinents. Ein besonderes Augenmerk galt bewußt der literarischen Produktion von Frauen, was sich in den Beiträgen Women's writing, Best sellers, Erotic and homoerotic writing, Feminism, Feminist literary theory, sowie in 42 Einträgen zu Schriftstellerinnen aus Lateinamerika (von insgesamt 186 Autorenartikeln) niederschlägt.

Die an der University of London lehrende Herausgeberin weist in ihrem Vorwort darauf hin, daß sie für ein einbändiges Werk zu Autoren und Literaturen eines ganzen Kontinents eine Auswahl treffen mußte, um angesichts des begrenzten Umfangs noch aussagekräftige Beiträge gewährleisten zu können.[1] In diesem Sinne soll der Band mit seinen 409 namentlich gekennzeichneten Beiträgen der 63 Mitarbeiter andere Nachschlagewerke, wie das von David William Foster herausgegebene Handbook of Latin American literature[2] ergänzen.

Die Autorenartikel gliedern sich in einen kritischen Überblick über das literarische Schaffen des Autors, eine kurze biographische Notiz, eine Auswahlbibliographie der Primärwerke (Originalsprache und englischsprachige Übersetzung, wo vorhanden, in Klammern) in chronologischer Reihenfolge und geordnet nach Gattungen und eine annotierte Liste der Sekundärliteratur. Werktitel wurden in Originalsprache zitiert, wo keine englische Übersetzung vorlag, wurde eine wörtliche Übersetzung ins Englische in eckigen Klammern ergänzt.

1.1.2. Adressatenkreis

Die Encyclopedia of Latin American literature richtet sich in erster Linie an anglo-amerikanische Studierende der Lateinamerikanistik. Als Einstieg für wissenschaftliche Forschungsvorhaben ist sie nicht geeignet, da ein detailliertes literaturtheoretisches Instrumentarium und ein für diese Zwecke angemessener Nachweis weiterführender Literatur fehlt.

Eine Ausweitung des Lektürekanons für Studenten auf Autoren und Werke vergangener Jahrhunderte sowie die besondere Berücksichtigung der Werke schreibender Frauen in Lateinamerika lassen das Lexikon als Nachschlagewerk für Handapparate literaturwissenschaftlicher Einführungsseminare in das Studium der Lateinamerikanistik geeignet erscheinen. Für deutsche Studierende wirkt sich nachteilig aus, daß der wissenschaftliche Diskurs der deutschen Lateinamerikanistik nicht einbezogen wurde, was sich insbesondere bei den bibliographischen Hinweisen auf weiterführende Literatur negativ bemerkbar macht.

Kein anderes neueres Nachschlagewerk hat jedoch Ansätze der feministischen Literaturwissenschaft (von Theoretikerinnen wie L. Irigaray oder H. Cixous) zur Werkanalyse lateinamerikanischer Autorinnen einbezogen, so daß das Lexikon hier eine Forschungslücke schließt und sich für Fragestellungen aus diesem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse empfiehlt.

1.1.3. Inhaltliche Gewichtung der Einträge

Berücksichtigt werden sowohl Personennamen als auch Sachbegriffe (Epochen, Gattungen, literarische und literaturtheoretische Strömungen, Zeitschriften). Im Falle von Autoren mit umfangreichem Oeuvre werden selektiv nur die wichtigsten Werke beschrieben, um aufgrund des auf einen Band beschränkten Umfangs eine bloße Aneinanderreihung von Werken mit vorhersagbaren nichtssagenden Inhaltsangaben und -wertungen zu vermeiden, die qualitative Auswahl ging zwangsläufig auf Kosten der Vollständigkeit.

Hilfreich sind im Anschluß an die Autorenartikel Hinweise auf weitere Lexikoneinträge mit verwandten Themen: so wird bei García Márquez auf die Einträge The boom, Caudillismo and dictatorship, The historical novel und Magical realism verwiesen.

Biographische Informationen werden, sofern sie für die Werke eines Autors konstitutiv sind, im Autorenbeitrag gegeben, in jedem Falle folgt eine ca. zwanzigzeilige Kurzbiographie mit den wichtigsten Lebensdaten und Literaturpreisen im Anschluß an den Autorenartikel.

Im Falle von Jorge Luis Borges hätte man sich anstelle des mit separater Werkinterpretation herausgestellten Essay Nueva refutación del tiempo von 1944/46 als einem der beiden separat abgehandelten Werke repräsentativere Zeugnisse seines literarischen Schaffens, wie z.B. die Analyse seiner frühen Avantgardelyrik gewünscht; der von ihm begründete Ultraísmo erhielt keinen eigenen Eintrag. Als zweite separate Werkanalyse wurde El jardín de senderos que se bifurcan, eine phantastische Erzählung (1941) aus dem Band Ficciones (1944) ausgewählt. Ein Hinweis auf regionale Traditionen, wie z.B. Einflüsse von Lugones Las fuerzas extra¤as oder des Uruguayers Horacio Quiroga auf seine phantastischen Kurzgeschichten fehlt. Das im Eingangskapitel geäußerte Ziel, eine Korrektur der internationalen Fixierung der Rezeption auf die Literatur der sogenannten "Boom-Autoren", "the task of re-igniting an interest in the literature of the continent's past" (S. IX) vorzunehmen, wurde nicht durchgängig erreicht.

Auf die Aktualität des Lexikons wurde bereits hingewiesen: die Berichtszeit reicht von 1492 bis 1994. Neuere Titel wurden auch dann gewürdigt, wenn sie, wie im Falle von Garciá Márquez El amor en los tiempos del colera (1985), im Gesamtwerk aufgrund mancher Konsistenzschwächen retrospektiv betrachtet eine eher untergeordnete Bedeutung haben. Kriterium für die Aufnahme war auch hier offenbar die Orientierung am Literaturkanon englischer und amerikanischer Universitäten. Unverzichtbar wäre die Aufnahme des Brasilianers Moacyr Scliar (1937) gewesen, der nur in dem Beitrag über Jewish writing, South America erwähnt wird.

Die Erweiterung des Literaturkanons auf außerhalb Lateinamerikas wenig bekannte Autoren und Werke konnte nicht verhindern, daß das Lexikon in der Frage der Epochenbildung und der Werkanalysen im historischen Kontext immer wieder vom anglo-amerikanischen Erkenntnisinteresse und entsprechenden Kategorien geprägt ist. Einträge über Puerto Rican writing in the United States, Cuban writing in the United States oder Chicano literature aus New Mexico mag man akzeptieren, doch illustrieren die Einträge über den Magical realism, den stark nordamerikanisch geprägten literaturwissenschaftlichen Ansatz des Postmodern writing, die Periodisierung des Post-boom und die Bestseller literature die anglo-amerikanische Kategorienbildung.

In dem Bemühen, die Ausgrenzung von Frauen aus dem in Lateinamerika ebenso wie in Europa und Nordamerika etablierten Literaturkanon zu korrigieren, hat die Herausgeberin bewußt Beiträge über bisher in anderen Literaturlexika und -geschichten nicht zitierte Schriftstellerinnen aufgenommen. So findet man einen zweiseitigen Eintrag über die kolumbianische Autorin des ausgehenden 19. Jahrhunderts Soledad Acosta de Samper, die in anderen Literaturgeschichten keine Erwähnung findet oder nur als eine Vertreterin der zu jener Zeit blühenden Tradition historischer Romane[3] namentlich genannt wird. Da die Enzyklopädie auch die frankophone Literatur der Karibik einbezieht, wird aus diesem Kulturkreis zum Beispiel die 1938 geborene Simone Schwarz-Bart zitiert, die in Guadeloupe aufwuchs und über Frauenschicksale der Antillen schreibt. Hier, wie im Falle von Juana Manuela Gorriti, erscheint eine Erweiterung des Literaturkanons auf relativ unbekannte Autorinnen in dem erklärten Bemühen um eine Korrektur männlich geprägter Sichtweisen jedoch immer dann problematisch, wenn die aufgefundenen Werke literaturwissenschaftlichen Beurteilungskriterien nicht genügen bzw. einem Vergleich mit anderen zeitgenössischen Textzeugnissen einfach nicht standhalten. Als "Bestsellerautorinnen" erhielten Isabel Allende und Laura Esquivel eigene Einträge, auch hier wieder manifestiert sich die am Erkenntnisinteresse englischer und amerikanischer Studierender ausgerichtete Auswahl. Die in Europa aufgrund ihrer ins Französische und Deutsche übersetzten Werke durchaus bekannten jüngeren Autorinnen werden nicht (Teresa Ruiz Rosas, Per£) oder lediglich in Überblicksartikeln (Zöe Valdés, Kuba, Carmen Boullosa, Mexico) erwähnt.

1.1.4. Bibliographische Hinweise und Register

Zur ersten Orientierung wurden dem Hauptteil eine alphabetische Liste der Einträge sowie eine alphabetische Liste der Werke vorangestellt. Sie wirken leider typographisch unübersichtlich, da die Ordnungswörter nicht untereinanderstehen. Hier wäre eine Änderung in einer möglichen zweiten Auflage wünschenswert. Die Alphabetical list of works (S. XIX) mit ihren 64 Titeln enthält Verweisungen auf die Lexikonartikel mit Seitenagabe. Werktitel mit eigenem Eintrag wurden durch Kursivdruck hervorgehoben.

Der General index im Anhang erschließt Autoren-, Themen- und Übersichtsartikel zu den einzelnen Ländern mit Seitenangabe. Namensansetzungen erfolgen in der auch hierzulande üblichen Form, bei spanisch-amerikanischen Doppelnamen wurde nach dem ersten Namen, bei brasilianischen nach dem zweiten Namen mit Rückverweisungen von einer Ansetzung auf die andere geordnet. Neuere bibliographischen Quellen wurden bis 1996 berücksichtigt; damit ist der Band der aktuellste der hier besprochenen Nachschlagewerke.

Die Übersichtlichkeit gewinnt erheblich dadurch, daß die Werke in einem separaten Title index aufgeführt werden. Auch hier wieder am Bedürfnis der Leserzielgruppe ausgerichtet, beinhaltet das Titelregister sowohl alle in den Eintragungen erwähnten Werke in Originalsprache als auch ihre englische Übersetzung mit jeweiligem Datum der Erstveröffentlichung. Es führt noch einmal selbständige Werke einschließlich der Übersetzungen ins Englische mit Jahresangabe der Erstveröffentlichung auf. Die Verknüpfung mit den Einträgen erfolgt durch Nennung des Autornamens, unter dem man im Hauptteil weiterführende Informationen erhält, die jeweiligen Seitenzahlen werden nicht angegeben. Das Fehlen von Seitenangaben ist insofern verschmerzbar, als die bereits erwähnte Alphabetical list of works für die Werke, die einen eigenen Artikel erhielten, eine entsprechende Erschließung gewährleistet.

Kleine Ungenauigkeiten in den bibliographischen Angaben zu Autoren oder Werken sollten in einer zweiten Auflage bereinigt werden. Un viejo que leía novelas de amor des chilenischen Autors Luis Sep£lveda erschien bereits 1989 und nicht, wie angegeben, 1992, sein Roman Mundo del fin del mundo, der 1994 erschien, wird nicht erwähnt, obwohl der aus dem selben Jahr datierende Titel Nombre de torero offenbar bekannt war und aufgenommen wurde.

Mit knapp zwei Seiten fällt die Bibliographie allgemeiner Nachschlagewerke recht knapp aus, ist aber für die Bedürfnisse anglo-amerikanischer Studenten der Lateinamerikanistik vermutlich ausreichend.

Biographische Angaben zu Mitarbeitern und Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirates schließen den Band ab.

Regine Schmolling 1.2. Diccionario enciclopédico de las letras de América Latina (DELAL)

1.2.1. Aufbau und allgemeine Charakteristik

Das im Auftrage der Fundación Biblioteca Ayacucho in Caracas, Venezuela herausgegebene Diccionario enciclopédico de las letras de América Latina (DELAL) wurde von 1988 bis 1993 von 500 Mitarbeitern aus 30 Ländern erarbeitet und zusammengestellt. Die ersten beiden des auf drei Bände angelegten Lexikons sind bereits erschienen. Erstmalig wird hier der Versuch unternommen, ein lateinamerikanisches Literaturlexikon als ein multinationales Projekt unter Federführung lateinamerikanischer Wissenschaftler mit internationaler Beteiligung zu starten. Dieser Aspekt verdient es, besonders herausgestellt zu werden, da die Gefahr eurozentristischer Sichtweisen oder anglo-amerikanischer Kanonbildungen von vornherein ausgeschlossen ist. Im Gegensatz zur Encyclopedia of Latin American literature (ELAL) wurden vorkoloniale indigene Literaturen einbezogen. "Literatur" ist in erweitertem Sinne definiert worden, die Auswahl umfaßt nicht nur belletristische Literatur, sondern auch philosophische, philologische, essayistische und historiographische Texte.

Da "Hispanoamerika" oder "Iberoamerika" Bezeichnungen sind, die eine Einschränkung im ersten Falle auf spanischsprachige Länder und im zweiten Falle auf spanischsprachige Länder unter zusätzlicher Einbeziehung Brasiliens bedeutet hätten, wurde der Begriff "Lateinamerika" gewählt: "America Latina es en nuestros días la denominación aceptada internacionalmente para designar una realidad histórica y cultural diferenciada, que engloba a México, el Caribe insular y continental, Centro y Sudamérica." (Band 1, S. XII).

Hinsichtlich der einbezogenen Nationalliteraturen wurde Lateinamerika als ein mehrsprachiger Kulturraum aufgefaßt "en el que se integran tanto la cultura y las letras hispanoamericanas como las del Brasil, del Caribe anglófono, francófono y neerlandés, las culturas prehispánicas e indígenas." (S. XI).

Entgegen allgemein üblicher philologischer Forschungszusammenhänge, denen zufolge Indianersprachen ein gesondertes Forschungsgebiet außerhalb der Hispanistik oder Lateinamerikanistik darstellen, orientiert sich das vorliegende Lexikon bewußt nicht an einer "Latinität" im linguistischen Sinne, um Kulturzeugnisse in Náhuatl, Quechua, Maya, Guaraní nicht ausschließen zu müssen.

Eigene Lexikonartikel erhielten die jeweils "herausragenden Autoren eines jeden Landes", wobei Kriterien für die Auswahl literaturwissenschaftlich nicht näher definiert wurden. Um den Umfang zu beschränken, wurden Autoren, die jünger als Jahrgang 1940 sind, nicht aufgenommen, die jüngste Schriftstellergeneration ist in diesem ehrgeizigen Literaturprojekt also nicht verzeichnet. Allerdings wurden zahlreiche Ausnahmen gemacht, wie im Falle von Isabel Allende (geb. 1944), José Agustín (geb. 1944), Gustavo Alvarez Gardeazábal (1945), Cristina Peri Rossi (1942).

Die 633 Werke einzelner Autoren, die einen eigenen Eintrag erhielten, wurden wie "Themen" behandelt, das heißt, sie wurden, anders als in der ELAL, in einem Alphabet mit Autoren und Themeneinträgen geführt, so daß Überblicksinformationen zu Autor und Werk nicht an einer Stelle aufgefunden werden können. Um die Suche zu erleichtern, wurde jedem Band ein Gesamtindex der behandelten "Themen" beigefügt, der nach Autoren, Werken, Zeitschriften, Überblicksartikeln und anderen Themen untergliedert ist.

Biographische Informationen sind auf ein Minimum reduziert "en beneficio de un tratamiento dirigido más bién a presentar el carácter y significación de su obra y sus ideas" (S. XV). Für biographische Informationen verweisen die Herausgeber auf die Bibliografía selecta. Diese Einschränkung ist vor dem Hintergrund akzeptabel, daß es sich eben nicht um ein Autoren-, sondern ein Literaturlexikon handelt, dennoch wäre eine Kurzbiographie wie in der ELAL eine begrüßenswerte Zusatzinformation gewesen.

Eine ideologische und methodische Pluralität der Beiträge war erwünscht; um eine gewisse Homogenität der Beiträge zu gewährleisten, wurden die Artikel nach einheitlichen strukturellen Richtlinien verfaßt. Im Gegensatz zu anderen Literaturlexika und -geschichten ist hier der Anspruch internationaler Relevanz tatsächlich eingelöst, da ausgewiesene Wissenschaftler (davon knapp ein Drittel Wissenschaftlerinnen) aus Lateinamerika, den USA und Europa (aus Deutschland Ulrich Fleischmann, Karl Kohut, Hans Otto Dill und Klaus Meyer-Minnemann) für die Mitarbeit gewonnen werden konnten.

Werktitel werden in Originalsprache zitiert. Dort, wo es sich um englisch-, portugiesisch- oder französischsprachige Titel handelt, wurde in eckigen Klammern die spanischsprachige Übersetzung ergänzt.

Einen Schwerpunkt in der Auswahl stellen die mehr als einhundert Literaturzeitschriften dar, fünfzig Artikel sind literarischen Bewegungen oder Gruppen gewidmet. Die Verzeichnung der Literaturzeitschriften ist besonders verdienstvoll, da die Periodika der Avantgardelyrik als literarische Manifeste für das Literaturverständnis wichtig waren, häufig aber schon nach wenigen Ausgaben ihr Erscheinen einstellten und daher heute schwer beschaffbar sind.

Trotz der damit entstandenen gattungsspezifischen Heterogenität wurden fächerübergreifend Themen wie Tango, Bolero, Literatura de cordel eigene Beiträge gewidmet, sofern sie wichtige Aspekte des kulturellen Lebens in Lateinamerika widerspiegeln bzw. das literarische Schaffen beeinflußt haben.

1.2.2. Adressatenkreis

Das Literaturlexikon richtet sich in erster Linie an ein internationales akademisches Publikum der Lateinamerikanistik, das die spanische Sprache beherrscht. Was für deutsche Wissenschaftler und Studierende der Hispanistik bzw. Lateinamerikanistik hinsichtlich der Informationssuche zu spanischsprachigen Autoren und Literaturen kein Hindernis ist, dürfte jedoch den Altamerikanisten, Forschern der Indianersprachen, den Gallo-Romanisten mit Forschungsschwerpunkt der frankophonen Karibik oder den Anglisten mit dem Spezialgebiet der anglophonen Karibikliteratur eine Rezeption einschlägiger Beiträge in spanischer Sprache erheblich erschweren.

Schon aufgrund seines Umfangs ist das Lexikon nicht nur für den punktuellen Einstieg geeignet. Über Querverweisungen und Register erschließen sich auch übergreifende epochenorientierte oder gattungsspezifische Fragestellungen.

1.2.3. Inhaltliche Gewichtung der Einträge Die Artikel sind, je nach Bedeutung des Themas, unterschiedlich gewichtet. So umfaßt der über Jorge Luis Borges neun zweispaltig gedruckte Seiten plus drei Seiten Bibliographie, dazu kommen noch vier separate Werkanalysen, so daß das Literaturlexikon hinsichtlich der Informationstiefe sich mit gängigen Literaturgeschichten[4] messen kann.

Biographische Zusammenhänge werden leider je nach Schwerpunktsetzung durch die Mitarbeiter von Eintrag zu Eintrag unterschiedlich gewichtet und darstellt. Während der Beitrag über den Mexikaner José Agustín wenig Biographisches, sondern überwiegend Werkanalysen enthält, wurden im Beitrag über das Gesamtwerk J. L. Borges biographische Hinweise dort eingestreut, wo sie für das Verständnis des Werkes wichtig sind und im Beitrag über den Autor der Jahrhundertwende Heriberto Frías fast ausschließlich biographische Details gegeben. Die aufgrund der großen Zahl der Mitarbeiter vermutlich unvermeidliche Heterogenität der Darstellung der Autorenbiographien hätte durch das Hinzufügen einer biographischen Kurznotiz im Anschluß an die Würdigung des Oeuvre, wie sie in der ELAL erfolgte, korrigiert werden können.

Hinsichtlich der Präsenz schreibender Frauen am literarischen Kanon sind von über 1000 Autoreneinträgen weniger als 100 den Schriftstellerinnen des Kontinents gewidmet, was aber, wie bereits erwähnt, weniger einer unreflektierten Kanonbildung anzulasten ist, als vielmehr der historischen Realität entspricht: mit Ausnahme weniger Frauen, wie zum Beispiel der mexikanischen Nonne der Kolonialepoche Sor Juana Inés de la Cruz oder der Lyrikerin der ersten Jahrhunderthälfte Gabriela Mistral haben sich Frauen erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in nennenswertem Umfang am literarischen Diskurs beteiligt. In dem Eintrag über die brasilianische Autorin Clarice Lispector hätten bibliographische Hinweise auf die Beiträge der feministischen Literaturwissenschaftlerin Hélène Cixous nicht fehlen dürfen, die A hora da estela als typisches Beispiel der "écriture feminine" analysiert hat.[5]

Begrüßenswert ist die literaturtheoretische Transparenz der Beiträge. Der Eintrag über Borges verweist auf unterschiedliche Textinterpretationen je nach literaturwissenschaftlichem Ansatz (russischer Formalismus, Strukturalismus, Semiotik), zum Beispiel erfolgt ein Hinweis darauf, daß der Protagonist einer seiner Erzählungen, Pierre Menard, geradezu zum Axiom der Intertextualität wurde (S. 701).

Da es sich um ein Literaturlexikon von Wissenschaftlern überwiegend lateinamerikanischer Provenienz handelt, wurde auf Etikettierungen nach eurozentristischem bzw. angloamerikanischem Rezeptionsmuster, wie Definitionen des so intensiv vermarkteten Realismo mágico (Asturias, García Márquez u.a.) und der "Boom-Autoren" der 60er Jahre verzichtet, die entstanden waren, um die angeblich neuen spezifisch lateinamerikanischen Inhalts- und Ausdrucksformen zu charakterisieren. Waren es international vor allem die mit "Exotik" und "Mythenbildung" assoziierten sogenannten "Boom-Autoren", deren Oeuvre rezipiert wurde, so korrigieren die ELAL und DELAL das Bild insofern, als auch die kosmopoliten Avantgardisten der 20er Jahre (José Juan Tablada, Olivero Girondo, Vicente Huidobro, Leopoldo Lugones, César Vallejo), die stärker einer europäischen Kulturtradition verpflichtet waren, entsprechend ihrer Bedeutung gewürdigt werden.

1.2.4. Bibliographische Hinweise und Register Bibliographische Hinweise in Form einer Auswahlbibliographie, untergliedert in Primärliteratur (A) und Sekundärliteratur (B) im Anschluß an jeden Eintrag, dienen der weiteren Orientierung, wobei, wie allgemein üblich, die Werkbibliographie chronologisch, die Sekundärliteratur alphabetisch nach Verfassern geordnet wurden. Eine Aktualisierung der Werkbibliographien bei der Endredaktion[6] hätte man bei einem so groß angelegten Projekt erwarten können.

Ein Register der Artikel, gegliedert nach Autoren, Werken, literarischen Zeitschriften, literarischen Bewegungen/Gruppen und Temas diversos, erleichtert den Zugang. Querverweisungen im Text auf andere thematisch verwandte Einträge ermöglichen die Verfolgung von umfassenderen Fragestellungen. Eine Verweisung im Artikel über Borges auf den Beitrag über Adolfo Bioy Casares wäre wünschenswert gewesen.

Auch hier wurde bei den in Lateinamerika üblichen Doppelnamen der Namensansatz gemäß den international üblichen Gepflogenheiten gewählt. Eine leidvolle Erfahrung aller Lateinamerikanisten ist jedoch die stets unterschiedliche Handhabung der Namensansetzung im Falle der bedeutendsten Dichterin des kolonialen Amerika, der mexikanischen Nonne Sor Juana Inés de la Cruz (Ordensname; eigentlicher Name: Juana Pérez de Asbaje), die hier unter Sor Juana Inés de la Cruz mit Verweisung von Juana zu finden ist.[7] Unverständlich ist die Namensansetzung von José Agustín unter dem Vornamen und entsprechende Einordnung im Alphabet unter J; der Werktitel Lo cubano en la poesía des kubanischen Dichters Cíntio Vitier wurde unter L eingeordnet, obwohl generell Artikel am Anfang von Werktiteln nicht ordnen. Eine mögliche zweite Auflage sollte derlei formale Ungereimtheiten korrigieren.

Für Band 3 wird eine Bibliografía general angekündigt, die nach Regionen und Ländern gegliedert weiterführende Literatur (Literaturgeschichten und Überblickswerke, Lexika, bibliographische Quellen zu einzelnen Regionen) enthalten wird und einen systematischen Zugang zu den Besonderheiten einzelner Nationalliteraturen des Kontinents ermöglichen soll.

Regine Schmolling


[1]
Reinen Übersichtscharakter hat z.B. das zweibändige Diccionario de literatura espa¤ola e hispanoamericana / dir. por Ricardo Gullón. - Madrid : Alianza Editorial, 1993. - 1 - 2. - XIV, 2010 S. - Die Einträge sind sehr skizzenhaft und hinsichtlich der biographischen Daten nicht immer zuverlässig. Die Auswahl lateinamerikanischer Themen ist extrem begrenzt, umfassender allerdings der Autorenkanon. Brasilianische Themen und Autoren wurden ebenso wie die frankophone Literatur ausgespart.
Für die brasilianische Literatur dient als Ergänzung die zweibändige Enciclopédia de literatura brasileira / dir. Afrânio Coutinho ... - Río de Janeiro : Ministério da EducaçÆo, 1990. - 1 - 2. - 1379 S. : Ill.
1996 wurde von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von Eduard Hodouska in Prag ein "Wörterbuch der Schriftsteller Lateinamerikas" herausgebracht. Dem alphabetischen Hauptteil mit sehr knappen biographischen Autorenwürdigungen unter Nennung der wichtigsten Werke mit Erscheinungsjahr stellt es eine 44seitige Einführung in die lateinamerikanische Literaturgeschichte voran, die nach Epochen untergliedert wurde und auf die jeweiligen Autoren verweist, die einen eigenen Eintrag erhielten. Einbezogen wurde auch die frankophone Literatur der Karibik und die Chicano-Literatur der USA. Neben Autoren der Belletristik und des Essays wurden auch die bekanntesten Philosophen und Historiker aufgenommen. Eine siebenseitige Bibliographie schließt das Werk ab. Slovník spisovatelu latinské Ameriky / Olga Krijtová ... Eduard Hodouska. - Praha : Libri, 1996. - 590 S. - ISBN: 80-85983-10-9. - DM 35.00 (Kubon & Sagner). (zurück)
[2]
Handbook of Latin American literature / ed. by David William Foster. - 2. ed. - New York [u.a.] : Garland, 1992. - XXII, 799 S. - (Garland reference library of the humanities ; 1459). - ISBN 0-8153-0343-2 : $ 95.00 [1601]. - Rez.: IFB 93-3/4-173. (zurück)
[3]
Cambridge history of Latin American literature (CHLAL, s.u. 97-3/4-342), Bd. 2, S. 457. (zurück)
[4]
Z.B. America Latina : palavra e cultura (s.u. Fuß. 13), Bd. 3 oder CHLAL, Bd. 3, S. 316 - 320 (Lyrik), S. 393 - 398 (Essay), S. 468 - 469 und S. 472 - 473 (Kurzgeschichte). (zurück)
[5]
In: Reading with Clarice Lispector / Hélène Cixous. - London : Harvester Wheatsheaf, 1990. (zurück)
[6]
Beispielsweise fehlen: bei García Márquez: Doce cuentos peregrinos (1992), Del amor y de otros demonios (1994), Noticia de un secuestro (1996); bei Roa Bastos: El fiscal (1993), Contravida (1994). (zurück)
[7]
In der weiter unten besprochenen Lateinamerikanischen Literaturgeschichte erfolgt der Eintrag unter Cruz, mit Verweisung von Sor Juana, in der CHLAL und der ELAL steht der Haupteintrag gemäß anglo-amerikanischen Konventionen unter Juana Inés de la Cruz mit Verweisung von Cruz, fälschlich finden sich in der CHLAL auch Registereintragungen unter Inés de la Cruz. (zurück)

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