In der Einleitung bietet der Verfasser einen kurzen Überblick über die Kisch-Rezeption seit den fünfziger Jahren und beweist, daß Vertreter verschiedener ideologischer Auffassungen dazu beigetragen haben, um Kisch eine Legende zu kristallisieren, die ihn entweder als einen "Sensationsjäger" oder als einen disziplinierten Kommunisten vorstellt. Weder hagiographisch noch geringschätzig, sondern dokumentarisch objektiv will daher Patkas ausführlicher Essay sein, der in sieben Kapiteln den verschiedenen "Stationen" im Leben und Schaffen dieses "streibaren Autors" aus dem jüdischen Bürgertum nachgeht, seine Ambivalenz aufdeckt und die These vertritt, daß Kisch trotz seines reinen Idealismus und seines leidenschaftlichen Einsatzes im Kampf gegen die kapitalistische Gesellschaft "nicht gänzlich von einer gewissen historischen Mitschuld freigesprochen werden" kann. Die ganze Entwicklung der menschlichen und literarischen Karriere von Kisch wird sorgfältig - ja fast pedantisch - aufgrund zahlreicher Belege öffentlicher und privater Natur dargestellt, und zwar minutiös von den Anfängen in der Heimatstadt über die tief erschütternden Erfahrungen an der Front, aus denen der radikale Pazifisimus und das antimilitaristische Engagement dieses Autors herrühren, weiter über die ideologisch eigenwillige Militanz im Dienste der Kommunisten in der Weimarer Republik und die Exiljahre - mit besonderer Hervorhebung des mexikanischen Aufenthaltes - bis zur Rückkehr in die Heimat. Unverkennbar prägte Existenz wie Tätigkeit von Kisch eine Neigung zur Kolportage und zur Provokation. Jede seiner Gesten und Stellungnahmen war herausfordernd, auch wenn immer mit Selbstironie verbunden; seine Stärke bestand "in der Demaskierung der Methoden und Ziele" seiner literarischen und politischen Gegner. Kisch lehnte jede konkrete Gewaltanwendung ab, "dem Kampf im Geiste mit der Feder als Florett" setzte er jedoch keine Grenzen. Dank seiner Artikel und seiner theoretischen Essays über Journalismus und Technik der Reportage wurde er zu einem der populärsten Publizisten der Zwischenkriegszeit.
Seinen Erfolg unterstützte Kisch durch den regen Umgang mit prominenten, nicht nur gleichgesinnten Intellektuellen und durch eine humorvolle Selbststilisierung (gerade in seiner Autobiographie erreichte sie ihren Höhepunkt), die nicht selten Kritiker und Forscher verwirrt hat.
Patkas Essay verfolgt Schritt für Schritt den Weg des überaktiven und
unruhigen Intellektuellen, der sich durch seine Auftritte immer wieder
"in juristische und mediale Kontroversen" verstrickte. Die
monographische Studie bietet den Lesern eine schätzenswerte Vielfalt
von Informationen, die aber nicht immer so lebhaft präsentiert sind,
wie es der Natur des brillanten, wenn auch manchmal ans Triviale
streifenden Autors entspräche.[1]
Die dem Essay folgende Bibliographie der Primär- und Sekundärliteratur
(S. 409 - 533), die laut Verfasser "die umfassendste bisher erstellte
und gleichzeitig naturgemäß unvollständig" ist, basiert sowohl auf
autoptischen Recherchen als auch auf schon vorhandenen
Bibliographien.
Die Primärliteratur ist in vier Sektionen aufgeteilt: 1. Erstausgaben
- auch Teilveröffentlichungen von Werken in Zeitungen und
Zeitschriften werden berücksichtigt -, Neuauflagen, Übersetzungen
(1905 - 1995); 2. Vorworte, Briefe, Anthologien; 3. Texte in Periodika
bis März 1933; 4. Texte in Periodika von März 1933 bis April 1948. Die
Titel der ersten beiden Teile sind chronologisch, die
Zeitschriftentitel der beiden letzten Teile zunächst alphabetisch und
die enthaltenen Beiträge dann chronologisch geordnet. Alphabetisch
geordnet sind auch die Grundlegenden wissenschaftlichen Arbeiten
(Bücher, Werkkapitel, Beiträge - auch sehr kurze - in
Fachzeitschriften, Dissertationen und Diplomarbeiten), die den ersten
Abschnitt der Sekundärliteratur ausmachen, die außerdem aus weiteren
drei Abschnitten besteht: a) Artikel und Bücher bis März 1933; b)
Artikel und Bücher von März 1933 bis April 1948; c) Artikel und Bücher
von April 1948 bis 1997. In diesen drei letzten Sektionen folgt der
Bibliograph eher verwirrenden Kriterien der Anordnung: zuerst werden
die Titel der verschiedenartigsten Presseorgane alphabetisch
verzeichnet, wobei unter jeder Zeitschrift zunächst die Beiträge ohne
Verfasser chronologisch und danach die Autorenbeiträge mit
Quellenangabe im Verfasseralphabet aufgeführt sind. Noch komplizierter
geht es bei den Rezensionen zu, welche die Bibliographie abschließen
und nach Gattung (Theater, Film, Bücher) aufgeteilt sind. Unter jedem
Genre sind die besprochenen Titel von Kisch chronologisch angeführt;
die jeweils in Betracht kommenden Besprechungen sind alphabetisch nach
Zeitschrift (wenn anonym) und nach Verfasser (wenn gezeichnet)
aufgeführt. Bei der lobenswert reichen Fülle der zitierten Quellen
braucht der Benutzer eine gewisse Zeit der Orientierung, bis sich ihm
alle Geheimnisse dieses bibliographischen Verfahrens enthüllen.
Gabriella Rovagnati
Zurück an den Bildanfang