Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 3/4
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Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im


97-3/4-321
Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick / Horst Brunner. - Stuttgart : Reclam, 1997. - 389 S. : Ill., Notenbeisp. ; 15 cm. - (Universal-Bibliothek ; 9485). - ISBN 3-15-009485-2 : DM 16.00
[4135]

Der Würzburger Altgermanist Horst Brunner hat sein Ziel hochgesteckt: Einen konzentrierten Überblick über die deutsche Literatur von den Anfängen der schriftlichen Überlieferung um die Mitte des 8. Jahrhunderts bis um etwa 1500 will der Band vermitteln, über die wichtigsten Autoren, Gattungen und Werke und die entscheidenden Entwicklungen informieren.

Daß die Absicht erreicht wird, liegt vor allem an klug gesetzten Schwerpunkten: So stellt Brunner ins Zentrum seiner Darstellung die zwei Jahrhunderte von 1150 bis 1350, also einerseits die staufische Klassik, andererseits die Phase der Auflösungen und Umbrüche in Themen, Formen und Anschauungen, welche die Literatur des späteren von derjenigen des hohen Mittelalters unterscheiden. Sodann konzentriert der Autor die Darstellung auf herausragende Autoren und Werke, während andere nur en passant Erwähnung finden - ein Verfahren, das angesichts der geringen Vorkenntnisse studentischer Leser - und an solche wendet sich das Buch vor allem - das einzig sinnvolle ist, um nicht den Wald durch allzuviele Bäume unsichtbar zu machen. Schließlich dient der Überschaubarkeit noch die bewußte Akzentuierung zweier Gattungen gegenüber anderen: Für die Zeit ab etwa 1150 bietet Brunner vor allem eine Geschichte der verschiedenen Liedtypen und der Großepik. Das Buch beschränkt sich bewußt auf die deutsche Literatur, wie hoch der lateinische Anteil an der mittelalterlichen Literatur des deutschsprachigen Raums gewesen ist, davon erhält der Leser daher nur gelegentlich eine Vorstellung.

Einer (NB! - vorangestellten) Allgemeinen Auswahlbibliographie zu Wörterbüchern, Grammatiken, Sprachgeschichten, Nachschlagewerken, Literaturgeschichten, Zeitschriften und Periodika (dies unglücklich gewählte Hendiadyoin sollte der Verlag beim Nachdruck durch eines der beiden Synonyma ersetzen), Textausgaben usw. folgt ein Kapitel zu den Grundbedingungen und Grundlagen deutschsprachiger Literatur des Mittelalters, das - ein Kabinettstück! - knapp und anschaulich über Textüberlieferung, Autoren/Auftraggeber/Publikum, Probleme der Datierung und Lokalisierung usw. unterrichtet. Die eigentliche Darstellung folgt im Aufbau der Gliederung in Epochen: 1. zur althochdeutschen und frühmittelhochdeutschen Literatur bis um 1150; 2. zur mittelhochdeutschen (höfischen) Literatur und 3. älteren Phase der frühneuhochdeutschen Literatur. Diese drei Hauptteile beginnen jeweils mit einem tabellarischen Überblick zur allgemeinen Geschichte.

In die Darstellung eingeflochten sind Übersichten (u.a. zu den wichtigsten Überlieferungsträgern der mittelhochdeutschen Lieddichtung, zu den Grundbegriffen der mittelhochdeutschen Metrik, zu deutschen Vers- und Prosafassungen des Alexander- und des Trojastoffes), zwanzig Abbildungen aus Überlieferungsträgern sowie sechs Melodien. Weiterführende Spezialliteratur wird am Schluß der einzelnen Unterabschnitte mitgeteilt (einschließlich der Angaben, welche Titel als Taschenbücher greifbar sind). Bei der Behandlung einzelner Werke wird nicht nur der Inhalt zusammengefaßt, sondern auch die sprachliche Gestaltung durch Zitate vermittelt. Mehr an didaktischer Protreptik kann man nicht verlangen: eine in jeder Hinsicht gelungene Einführung, die man sich in den Händen aller Studenten der Germanistik wünscht.

Hans-Albrecht Koch


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