Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 3/4
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Lexikon des Verlagswesens


97-3/4-303
Lexikon des Verlagswesens / hrsg. von Detlef Jürgen Brauner ... - München [u.a.] : Oldenbourg, 1997. - X, 220 S. : graph. Darst. ; 22 cm. - ISBN 3-486-23267-3 : DM 39.80
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Prägnantes Merkmal eines jeden Lexikons ist die alphabetische Ordnung der Begriffe. So heißt es denn auch wenig überraschend in den Benutzerhinweisen zum Lexikon des Verlagswesens: "Alle Stichworte [!] sind in alphabetischer Reihenfolge geordnet." Und weiter, wenn auch nicht selbstverständlich, so doch ebenfalls nicht unerwartet: "Umlaute sind in Selbstlaut mit angehängtem e aufgelöst." Fatal ist es allerdings, wenn diese im Grunde nicht erwähnungsbedürftigen Prinzipien dann in einem solchen Nachschlagewerk nicht durchgängig eingehalten werden, Umlaute im Gegenteil zumeist (aber nicht immer) wie Vokale ordnen: Buntpapier findet man vor Büttenpapier, Zeugnisverweigerungsrecht vor Zeitungsformate, und die Bücherei ist hier ebenso wie die Bücherlaus, der Bücherwurm und andere mit Bücher... beginnende Wörter zwischen den Bucheinzelhandel und die Buchfertigungsanlage geschoben. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger ist gleich an zwei Stellen aufgeführt, sowohl an der richtigen im Alphabet, aber mit falscher Angabe der Abkürzung, als auch falsch eingeordnet, dafür mit Nennung des richtigen Kürzels BDZV.

Nicht nur die alphabetische Sortierung ist fehlerbehaftet, auch Verweisungen sind uneinheitlich gehandhabt und führen gelegentlich ins Leere (von Fraunhofer-Gesellschaft zum nicht existenten Medienzentrum, von Verlagsrecht zum nicht auffindbaren Verlagsvertrag) oder verweisen neuerlich auf Verweise, so von Börsenverein des Deutschen Buchhandels (einsortiert nach Bordüre sowie vor und [!] nach Bogen - auch dieser Begriff ist zweimal aufgeführt, und zwar an verschiedenen Stellen im Alphabet - mit unterschiedlichen Erläuterungstexten) auf BAG, von dort weiter auf Buchhändler-Abrechnungs-Gesellschaft.

Solche eklatanten formalen Mängel werden durch den Inhalt nicht aufgewogen, die Defizite setzen sich hier fort. Einige Beispiele aus verschiedenen Bereichen sollen genügen: Die Deutsche Bibliothekskonferenz ist, glaubt man dem 1997 erschienenen Werk, immer noch der "Dachverband für das Bibliothekswesen in der Bundesrepublik Deutschland" und führt den Deutschen Bibliothekskongreß durch - nach wie vor "im 5-Jahres-Abstand"; KNO/K&V ist, soweit richtig, das größte deutsche Barsortiment - lieferbar sind jedoch mittlerweile annähernd 300.000 Titel (die Angabe "über 100.000 Titel" ist somit natürlich auch nicht ganz falsch), und der Firmenname schreibt sich aufgelöst richtig Koch, Neff & Oetinger / Koehler & Volckmar (unter diesem findet sich jedoch kein Eintrag, wie auch ansonsten keine einzelnen Unternehmen aufgeführt sind); Wettbewerbsregeln (eingeordnet vor Wertdruck) gibt es nicht nur vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, sondern auch vom Börsenverein (wie richtig unter dem Stichwort Verkehrsordnung zu lesen ist). Von Reprint lediglich auf Faksimile-Ausgabe zu verweisen, greift zu kurz, und die Verbreitung von Wandzeitungen ist nicht auf China begrenzt. Dazu kommen willkürliche Definitionsversuche: Einen Kleinverlag beispielsweise auf einen "Jahresumsatz unter 100.000 DM" festzulegen, erscheint recht gewagt.

Auch sonst helfen ungenaue, unzureichende, manchmal sogar falsche Erläuterungen dem Nutzer nicht weiter; hier nur wenige Beispiele: Frankfurter Buchmesse: "Jährlich stattfindende internationale Buchmesse"; Gesamtkatalog: "Umfassender Katalog von Bibliotheken oder Verlagen"; Schlagwort-Bibliographie: "Auflistung von Buchtiteln nach Stich- und Schlagwörtern" (wobei sich unter den Begriffen Stich- bzw. Schlagwort kein Eintrag findet). Etliche fremdsprachige Termini (Account, Advance, Author's copies..., selbst Orthographie) sind lediglich übersetzt, unter den entsprechenden deutschen - nicht weniger gebräuchlichen - Stichwörtern findet sich hingegen kein Eintrag. Sprachliche Unstimmigkeiten (Verlagsbuchhandel, aber Sortimentsbuchhändler) fallen dann gar nicht mehr ins Gewicht, doch daß es auch - je nach Standpunkt des Nutzers - originell, kurios oder schlicht ärgerlich anmutende Wortschöpfungen gibt wie den Originalverlagsrabattpreis, zu dem Barsortimente - wie unter diesem Eintrag zu lesen - angeblich an Sortimenter liefern, soll hier nicht unterschlagen werden.

Das Lexikon versucht zwar prinzipiell, alle Bereiche des Verlagswesens abzudecken; in Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen gebräuchliche Wendungen sind dabei ebenso berücksichtigt wie solche in Buchverlagen. Bei der Auswahl der Stichwörter ist jedoch kein Konzept erkennbar. Es ist überfrachtet mit allgemeinen Vokabeln, vor allem aus dem technischen Bereich wie Beamen, Bildschirmgerät, Digital, Modem, Updates, oder auch Briefkurs, Buchprüfung, Werbungskosten. Viele der aufgenommenen allgemeingebräuchlichen Termini spielen selbstverständlich auch im Verlagswesen eine Rolle (CD-ROM, Internet), als Erläuterung werden jedoch lediglich Allgemeinplätze ohne branchenspezifischen Bezug gegeben, die auf die aktuellen Entwicklungen in der und die Relevanz für die Verlagspraxis nicht gezielt eingehen. Auch die Länge mancher Artikel steht in keinem Verhältnis zur Bedeutung im Verlagswesen: Zugriffszeit wird auf sechs Zeilen, Bug gar auf einer vollen Spalte zu erläutern versucht, während Zensur mit vier und Leserforschung mit drei Zeilen abgehandelt wird.

Etwa 20 sogenannte "Stichwortaufsätze", von verschiedenen Autoren verfaßt und namentlich gezeichnet, sollen umfassender "über wichtige Gebiete informieren". Auch dabei handelt es sich um Erläuterungen von recht unterschiedlicher Länge (weniger als eine bis über fünf Seiten) und Aussagekraft (Multimedia: "war und ist das Zauberwort der letzten Jahre..."), und schon die Auswahl dieser Begriffe ist nicht immer einsichtig: Desktop Publishing, Literatur-Agentur (gebräuchlich ist Literarische Agentur) und Verlagsmarketing gehören sicher dazu, aber auch Text oder Zitat? Eine Reihe wichtiger Begriffe aus der Verlagspraxis fehlen hingegen völlig, so Lagerumschlag, Pressefreiheit, Rack-jobbing, Reiseauftrag, Verlagsvertreter (lediglich erwähnt unter Außendienst und Vertreterkonferenz), Warengruppe; nicht einmal die Preisbindung wurde der Aufnahme für würdig befunden.

Das Autorenverzeichnis nennt als Zusatz zum Namen nur den Ort, nicht jedoch berufliche Funktion und Wirkungsstätte der Verfasser sowohl der ausführlicheren Artikel als auch des Lexikons insgesamt; diese werden auf dem Titelblatt dezent als Herausgeber bezeichnet (hier definiert als "Jemand, der etwas veröffentlicht..."). Literatur ist in knappster (und teilweise wenig überzeugender) Auswahl lediglich zu einigen der Schwerpunktartikel angegeben, ein Verzeichnis weiterführender allgemeiner Werke zum Verlagswesen fehlt hingegen.

Jürgen Hespe


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