Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 1/2
[ Bestand in K10plus ]

Gesamtkatalog


97-1/2-172
Gesamtkatalog / Gemäldegalerie Alte Meister / Staatliche Museen Kassel. Bernhard Schnackenburg. - Mainz : von Zabern. - 25 cm. - ISBN 3-8053-1839-1 (Zabern) : DM 168.00, DM 148.00 (bis 31.1.97) - ISBN 3-8053-1891-X (Museumsausg.) : DM 98.00
[3602]
Text. - 1996. - 382 S. : Ill.
Tafeln. - 1996. - 32, 372 S. : überw. Ill.

Die Gemäldegalerie Alte Meister im Schloß Wilhelmshöhe in Kassel verlockt nicht nur wegen der Qualität ihrer Sammlungen mit ihrem überragenden Schwerpunkt bei den Niederländern zu wiederholtem Besuch, sondern ebensosehr wegen des Ambiente, nicht etwa des nach schwersten Kriegszerstörungen 1974 zur Aufnahme der Gemäldegalerie hergerichteten Interieurs des Schlosses, sondern wegen der Möglichkeit, von Zeit zu Zeit seinen Blick von den Bildern weg auf die Parklandschaft mit den vom Herkules-Oktogon abfallenden Kaskaden hinaus schweifen zu lassen. (Dieses doppelte Erlebnis läßt selbst die Erinnerung an einen partiell drögen Bibliothekartag erträglich erscheinen.) Seitdem ist das Museum jedoch ins Gerede gekommen, erwies sich doch der Umbau des Schlosses für die Zwecke des Museums aus vielerlei Gründen als unzureichend und substanzgefährdend, wovon sich auch Besucher durch aufgestellte Eimer, die Tropfwasser auffingen, überzeugen konnten. Daß eine grundlegende Sanierung erforderlich war, sah schließlich auch das Land Hessen ein, das 1993 endlich die Bereitstellung von Mitteln beschloß. Dann geriet das Sanierungsprojekt freilich in einen Streit der Denkmalsachverständigen und der Museumsfachleute, worüber sich das kunstinteressierte Publikum in zahlreichen Artikeln in der Presse, allen voran in der Frankfurter Allgemeinen,[1] informieren konnte, von kaum weniger polemischen Beiträgen in der Kunstchronik[2] ganz zu schweigen. Leidtragende dieses bis heute nicht beigelegten Streites, der auch die einmal für 1996 vorgesehene Wiedereröffnung der Galerie auf unabsehbare Zeit verhindert, sind die Museumsbesucher, die mit einer kleinen Auswahl weniger Hauptwerke fürlieb nehmen müssen, während der Rest hochrangiger Gemälde in die Depots verschwand.

Den gerade in dieser für Besucher wie Museumsleute unerträglichen Situation vorgelegten neuen Gesamtkatalog der Gemäldegalerie Alte Meister kann man also je nachdem als papierenen Ersatz für die nicht im Original zugänglichen Gemälde begrüßen, oder ihn zum Anlaß nehmen, sich darüber zu empören, was einem seit Jahren vorenthalten wird. Er ersetzt den letzten Gesamtkatalog aus dem Jahre 1958[3] und ist im guten Sinne konventionell, fern von den heute vielfach üblichen Katalogen auf Glanzpapier, die ihre häufig genug dürftigen Texte mit den Abbildungen im Format großer Briefmarken auf derselben Seite präsentierten. Hier sind Text- und Tafelband aus Gründen der Handlichkeit getrennt: der Text ist auf Werkdruckpapier typographisch übersichtlich präsentiert und enthält zusätzlich 64 ganzseitige Farbtafeln, der Tafelband dagegen nur Schwarzweiß-Photos, meist zwei je Seite, glgtl. drei bis vier oder auch nur eines. Grundsätzlich sind alle beschriebenen Gemälde auch abgebildet, die mit Farbabbildungen ausgezeichneten zusätzlich im Tafelband in einem Schwarzweiß-Photo. Anlage des Textteils im Künstleralphabet, Gemälde ohne Künstlernamen sind unter der Provenienz ins Alphabet eingeordnet (z.B. Römisch), innerhalb, soweit möglich, in chronologischer Folge. Dem Künstlernamen sind knappe biographische Angaben mit Hinweisen zur kunsthistorischen Einordnung beigegeben. Die Artikel für die einzelnen Gemälde haben folgenden Aufbau: 1. Inventarnummer; Fundstelle der Abbildung im Tafelteil und ggf. zusätzlich auf einer Farbtafel; Titel; Bildträger und Maße; Erwerbungsjahr und Herkunft; frühester Eintrag in einem Inventar (ggf. mit einer von der heutigen abweichenden Zuschreibung); 2. Literaturangaben: stets Nennung des Galerie-Katalogs, in dem ein Gemälde zuerst erwähnt wird; Literatur zur Provenienz und Sammlungsgeschichte; moderne Sekundärliteratur in Auswahl; 3. Bildbeschreibung: Inhalt, literarische Vorlagen, Angaben zu den Porträtierten etc. 4. Kommentar: u.a. stilistische Einordnung, Zuschreibungs- und Datierungsfragen; in diesem Abschnitt erfolgt denn auch bei den Bildern Rembrandts die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen des Rembrandt Research Program: immerhin können 12 Gemälde (weiterhin) unter Rembrandt geführt werden, weitere 10 sind unter Rembrandt (Schule, Umkreis, Kopie) rubriziert.

Ein nicht geringes Verdienst des neuen Katalogs besteht darin, daß er versucht, den Bestand[4] möglichst lückenlos zu verzeichnen, was "in besonderem Maß für rund 150 Bilder aus dem historischen Bestand (gilt), die seit dem 19. Jahrhundert unbeachtet waren" (S. 11; alle Zitate aus dem Textband); diesem Streben nach Vollständigkeit dient auch ein Anhang, in dem "eine Restgruppe von äußerst qualitätlosen, niemals ausgestellten und schlecht erhaltenen Depotbildern" (ebd.) bloß aufgelistet und auch nicht abgebildet sind.

Dem Textteil geht eine chronologisch angelegte Geschichte der Sammlung voran, abgeschlossen von wichtigeren Veröffentlichungen zur Sammlungsgeschichte. Es folgt das Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur, darauf das Verzeichnis der Inventare und Bestandskataloge; letztere werden leider nur mit Verweisungen auf das vorhergehende Verzeichnis aufgeführt. Der Erschließung dienen die folgenden Register und Konkordanzen: 1. Verzeichnis nach Inventarnummern; 2. Geänderte Zuschreibungen gegenüber den letzten Galeriekatalogen von 1958 und 1980; 3. Ikonographisches Register (religiöse bzw. profane Themen, sachlich weiter untergliedert unter Aufführung von Titel, Künstler und Inventarnummer); 4. Künstlerregister, das wenig bringt, da es lediglich die Abfolge des Katalogs reproduziert. Beigabe: ein Glossar von Fachausdrücken, das erfreulicherweise auf Beispiele aus der Sammlung verweist. Eine Erschließung der Bilder nach Schulen ist nur über den Tafelband möglich, der die Abbildungen entsprechend ordnet und nicht im Künstleralphabet oder nach Inventarnummern: hier wird auch der besondere Schwerpunkt der Kasseler Galerie offensichtlich (die Zahlen beziehen sich auf die Tafeln, was trotz der unterschiedlichen Zahl der auf jeder Tafel abgebildeten Gemälde einen guten Hinweis auf die Proportionen erlaubt): Niederlande (236), Deutschland (50), Italien (67), Frankreich (10), Spanien (3), Sonstige (3). Dem Tafelband geht ein alphabetisches Verzeichnis der Gemälde voran (die typographische Auszeichnung des Künstlernames mit Kapitälchen tritt leider nicht genügend hervor): in spaltenweiser Anordnung sind genannt: Inventarnummer; Titel, Bildträger und Maße; Fundstelle für die Abbildungen.

Der neue Galeriekatalog kam für Außenstehende eher überraschend, wartete man doch immer auf eine Fortsetzung der bereits 1980 begonnenen Reihe der großen Kataloge der Gemäldegalerie Alte Meister,[5] auch wenn die im Vorwort zum 1. Bd. ausgesprochene Warnung - "bei der personellen Unterbesetzung des Museums wird ein Abschluß der gesamten Publikation erst nach Jahrzehnten zu erwarten sein" (S. 5) - eher skeptisch stimmte. Um so erfreuter entnimmt man dem Vorwort zum neuen Katalog, daß diese Reihe "demnächst durch einen Katalog der altdeutschen Maler fortgesetzt wird" (Bd. 1, S. 10). Hoffentlich gewährt die Firma Wintershall AG auch diesem Band ihre großzügige Unterstützung, der auch das Erscheinen des neuen Katalogs zu danken ist: sie sollte zu einer dringend erforderlichen qualitativen Verbesserung der Abbildungen im großen Katalog verwendet werden, die in Bd. 1 ausgesprochen dürftig ist.

sh


[1]
Gerade als diese Rezension abgefaßt wurde, konnte man die wenig erfreuliche Nachricht lesen: "Die Diskussion um Schloß Wilhelmshöhe dreht sich im Kreis" (FAZ. - 96-11-15, S. 42) und die Fortsetzung der schier unendlichen Geschichte war dann mit Ach, Kassel überschrieben (FAZ. - 97-01-23, S. 36). (zurück)
[2]
46 (1993), S. 528 - 534 und 48 (1995), S. 135 - 142. (zurück)
[3]
Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel / neu bearb. von H. Vogel. - Kassel, 1958 (zurück)
[4]
Er reicht bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts; die neueren Gemälde befinden sich in der Neuen Galerie - Staatliche und Städtische Kunstsammlungen, die an der Schönen Aussicht weiterhin zugänglich ist. (zurück)
[5]
Katalog / Staatliche Kunstsammlung Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Schloß Wilhelmshöhe. - Fridingen : Graf-Klenau-Verlags-GmbH. - 1. Italienische, französische und spanische Gemälde des 16. bis 18. Jahrhunderts / bearb. von Jürgen M. Lehmann. - 1980. - 302 S. : Ill. ; 30 cm. - ISBN 3-921566-08-8.
Dieser ausführlich beschreibende und die Literatur in ganzer Breite zitierende Katalog bedarf gleichwohl der Ergänzung durch den neuen Gesamtkatalog, der nicht nur die neuere Literatur - wenn auch in Auswahl - zitiert, sondern auch bereits eine ganze Liste (Bd. 1, S. 353) von Zuschreibungsänderungen enthält.
Die Staatlichen Kunstsammlungen scheinen bei der Publikation von Katalogen ein Faible für kleine, wenig bekannte Verlage zu haben, denen zudem, wie dem gerade genannten, potentiell keine lange Lebensdauer beschieden ist. Auch der Verlag des folgenden Bestandskatalogs, dessen Erscheinen in DNB97N22,469 für den 22. Juni 1997 angekündigt wurde, ist dem Rezensenten (und auch den gängigen Verlagsadreßbüchern) bisher unbekannt:
Altdeutsche Malerei : Bestandskatalog der Tafelbilder und Altäre des 14. - 16. Jahrunderts ; [anlässlich einer Ausstellung in der Gemäldegalerie Alte Meister und im Hessischen Landesmuseum Kassel] / [Hrsg.: Staatliche Museen Kassel]. Anja Schneckenburger-Broschek. - Eurasburg : Ed. Minerva, 1997. - 296 S. : Ill. ; 21 cm. - ISBN 3-932353-02-1 : DM 98.00, DM 58.00 (im Museum). - Eine Rezension in IFB ist vorgesehen. (zurück)

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