Den gerade in dieser für Besucher wie Museumsleute unerträglichen
Situation vorgelegten neuen Gesamtkatalog der Gemäldegalerie Alte
Meister kann man also je nachdem als papierenen Ersatz für die nicht
im Original zugänglichen Gemälde begrüßen, oder ihn zum Anlaß nehmen,
sich darüber zu empören, was einem seit Jahren vorenthalten wird. Er
ersetzt den letzten Gesamtkatalog aus dem Jahre 1958[3] und ist im guten
Sinne konventionell, fern von den heute vielfach üblichen Katalogen
auf Glanzpapier, die ihre häufig genug dürftigen Texte mit den
Abbildungen im Format großer Briefmarken auf derselben Seite
präsentierten. Hier sind Text- und Tafelband aus Gründen der
Handlichkeit getrennt: der Text ist auf Werkdruckpapier typographisch
übersichtlich präsentiert und enthält zusätzlich 64 ganzseitige
Farbtafeln, der Tafelband dagegen nur Schwarzweiß-Photos, meist zwei
je Seite, glgtl. drei bis vier oder auch nur eines. Grundsätzlich sind
alle beschriebenen Gemälde auch abgebildet, die mit Farbabbildungen
ausgezeichneten zusätzlich im Tafelband in einem Schwarzweiß-Photo.
Anlage des Textteils im Künstleralphabet, Gemälde ohne Künstlernamen
sind unter der Provenienz ins Alphabet eingeordnet (z.B. Römisch),
innerhalb, soweit möglich, in chronologischer Folge. Dem Künstlernamen
sind knappe biographische Angaben mit Hinweisen zur kunsthistorischen
Einordnung beigegeben. Die Artikel für die einzelnen Gemälde haben
folgenden Aufbau: 1. Inventarnummer; Fundstelle der Abbildung im
Tafelteil und ggf. zusätzlich auf einer Farbtafel; Titel; Bildträger
und Maße; Erwerbungsjahr und Herkunft; frühester Eintrag in einem
Inventar (ggf. mit einer von der heutigen abweichenden Zuschreibung);
2. Literaturangaben: stets Nennung des Galerie-Katalogs, in dem ein
Gemälde zuerst erwähnt wird; Literatur zur Provenienz und
Sammlungsgeschichte; moderne Sekundärliteratur in Auswahl; 3.
Bildbeschreibung: Inhalt, literarische Vorlagen, Angaben zu den
Porträtierten etc. 4. Kommentar: u.a. stilistische Einordnung,
Zuschreibungs- und Datierungsfragen; in diesem Abschnitt erfolgt denn
auch bei den Bildern Rembrandts die Auseinandersetzung mit den
Ergebnissen des Rembrandt Research Program: immerhin können 12 Gemälde
(weiterhin) unter Rembrandt geführt werden, weitere 10 sind unter
Rembrandt (Schule, Umkreis, Kopie) rubriziert.
Ein nicht geringes Verdienst des neuen Katalogs besteht darin, daß er
versucht, den Bestand[4] möglichst lückenlos zu verzeichnen, was "in
besonderem Maß für rund 150 Bilder aus dem historischen Bestand
(gilt), die seit dem 19. Jahrhundert unbeachtet waren" (S. 11; alle
Zitate aus dem Textband); diesem Streben nach Vollständigkeit dient
auch ein Anhang, in dem "eine Restgruppe von äußerst qualitätlosen,
niemals ausgestellten und schlecht erhaltenen Depotbildern" (ebd.)
bloß aufgelistet und auch nicht abgebildet sind.
Dem Textteil geht eine chronologisch angelegte Geschichte der Sammlung
voran, abgeschlossen von wichtigeren Veröffentlichungen zur
Sammlungsgeschichte. Es folgt das Verzeichnis der abgekürzt zitierten
Literatur, darauf das Verzeichnis der Inventare und Bestandskataloge;
letztere werden leider nur mit Verweisungen auf das vorhergehende
Verzeichnis aufgeführt. Der Erschließung dienen die folgenden Register
und Konkordanzen: 1. Verzeichnis nach Inventarnummern; 2. Geänderte
Zuschreibungen gegenüber den letzten Galeriekatalogen von 1958 und
1980; 3. Ikonographisches Register (religiöse bzw. profane Themen,
sachlich weiter untergliedert unter Aufführung von Titel, Künstler und
Inventarnummer); 4. Künstlerregister, das wenig bringt, da es
lediglich die Abfolge des Katalogs reproduziert. Beigabe: ein Glossar
von Fachausdrücken, das erfreulicherweise auf Beispiele aus der
Sammlung verweist. Eine Erschließung der Bilder nach Schulen ist nur
über den Tafelband möglich, der die Abbildungen entsprechend ordnet
und nicht im Künstleralphabet oder nach Inventarnummern: hier wird
auch der besondere Schwerpunkt der Kasseler Galerie offensichtlich
(die Zahlen beziehen sich auf die Tafeln, was trotz der
unterschiedlichen Zahl der auf jeder Tafel abgebildeten Gemälde einen
guten Hinweis auf die Proportionen erlaubt): Niederlande (236),
Deutschland (50), Italien (67), Frankreich (10), Spanien (3), Sonstige
(3). Dem Tafelband geht ein alphabetisches Verzeichnis der Gemälde
voran (die typographische Auszeichnung des Künstlernames mit
Kapitälchen tritt leider nicht genügend hervor): in spaltenweiser
Anordnung sind genannt: Inventarnummer; Titel, Bildträger und Maße;
Fundstelle für die Abbildungen.
Der neue Galeriekatalog kam für Außenstehende eher überraschend,
wartete man doch immer auf eine Fortsetzung der bereits 1980
begonnenen Reihe der großen Kataloge der Gemäldegalerie Alte Meister,[5]
auch wenn die im Vorwort zum 1. Bd. ausgesprochene Warnung - "bei der
personellen Unterbesetzung des Museums wird ein Abschluß der gesamten
Publikation erst nach Jahrzehnten zu erwarten sein" (S. 5) - eher
skeptisch stimmte. Um so erfreuter entnimmt man dem Vorwort zum neuen
Katalog, daß diese Reihe "demnächst durch einen Katalog der
altdeutschen Maler fortgesetzt wird" (Bd. 1, S. 10). Hoffentlich
gewährt die Firma Wintershall AG auch diesem Band ihre großzügige
Unterstützung, der auch das Erscheinen des neuen Katalogs zu danken
ist: sie sollte zu einer dringend erforderlichen qualitativen
Verbesserung der Abbildungen im großen Katalog verwendet werden, die
in Bd. 1 ausgesprochen dürftig ist.
sh
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