Daß das Werk in einem Verlag erscheint, der nach dem Namen eines großen Musiklexikons benannt ist, stellt eine immerhin erwähnenswerte Besonderheit dar und hängt damit zusammen, daß das Team, das für die Redaktion des Dictionary of art zuständig war, von den Erfahrungen bei der Bearbeitung des 1980 bei Macmillan erschienenen Musiklexikons The new Grove dictionary of music and musicians[1] profitieren konnte. In dieser Verwandtschaft mag auch einer der Gründe dafür zu suchen sein, das neue Werk gleichfalls dictionary zu benennen, statt es mit dem auch im Englischen prestigeträchtigeren Begriff encyclopedia auszuzeichnen; dabei ist die Bezeichnung als dictionary aber durchaus zutreffend, was sofort einleuchtet, wenn man das Dictionary of art mit der bis dato führenden Encyclopedia of world art[2] vergleicht, die in der Tat so gut wie ausschließlich "enzyklopädische" Artikel enthält. Solche sind im Dictionary of art vor allem den großen, vielfach untergliederten Überblicksartikeln vorbehalten: so ist Africa auf nicht weniger als 228 Seiten (S. 213 - 440) behandelt.
Über die Art der Artikel gibt das Vorwort Auskunft, über ihren Anteil an der Gesamtzahl dagegen leider nur unvollständig. Insgesamt enthält das Dictionary of art über 45.000 Artikel, die von 6700 Beiträgern aus 120 Ländern stammen. 1. der größte Anteil mit ca. 20.800 entfällt auf Personenartikel, darunter ca. 17.300 für Künstler und ca. 3500 für sonstige Personen (Auftraggeber, Sammler, Händler, Kunsttheoretiker und -schriftsteller, Kunsthistoriker und -kritiker). Berücksichtigt sind auch noch lebende Personen; 2. Artikel über Völker und Stämme in Ermangelung individueller Personen bei der Behandlung der nicht-abendländischen Kunst; 3. Geographica: Nationen (alle von der UN anerkannten Nationen haben einen Artikel), Städte, Ausgrabungsstätten, einzelne isolierte Denkmäler; 4. über 500 Artikel über Stile, Schulen, Gruppen; 5. ca. 800 Sachartikel; 6. Typen von Bauwerken und sonstige Begriffe aus der Architektur; 7. ca. 600 Artikel aus den Bereichen Material und Technik, Konservierung und Restaurierung; 8. Artikel über alle großen Weltreligionen und ihre Stellung zur Kunst sowie über Orden und ihren Einfluß auf die Kunst; 9. Artikel aus dem Bereich der Kunsttheorie. Die Auswahl der Artikel und ihre Gewichtung im Hinblick auf den Umfang oblag einer großen Zahl von sog. area advisers (Liste in Bd. 1, S. XXII - XXV).
Das Dictionary of art behandelt die Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart in allen ihren Erscheinungsformen. Daß es aus der eurozentrischen Beschränkung ausbricht, wird vom Verlag als besonderes Verdienst herausgestellt, doch galt das bereits genauso für die Encyclopedia of world art, ebenso im Prinzip die Berücksichtigung der angewandten Künste. Als Mitarbeiter wurden Experten gewonnen, was i.d.R. einen hohen wissenschaftlichen Standard garantieren wird, doch wurde auf Verständlichkeit der Darstellung auch für den Laien Wert gelegt. Die überwältigende Zahl der Artikel bzw. Teile von langen Artikeln sind namentlich gezeichnet, kurze und dann nicht gezeichnete Definitionsartikel stammen von der Redaktion; sie sind, ebenso wie die wenigen Artikel, die von Autoren stammen, die nicht genannt werden wollten, mit einem graphischen Symbol markiert. Die bloßen Namen der Mitarbeiter ohne jegliche weitere Angaben sind in Bd. 33 zusammengestellt (S. 970 - 987).
Von den Verweisungen mit eigenem Lemma (für unterschiedliche Namensformen etc.) abgesehen, finden sich unzählige Verweisungen sowohl im Text der Artikel (durch Kapitälchen markiert), an deren Ende oder auch am Schluß der Bibliographien.
Alle Artikel und Teilartikel (Definitionsartikel ausgenommen) schließen mit z.T. zahlreichen bibliographischen Angaben (insgesamt angeblich 300.000), die chronologisch geordnet sind; längere Listen sind sachlich weiter untergliedert; die Literaturauswahl ist international, berücksichtigt Monographien, Aufsätze, ferner ungedruckte Quellen und beschränkt in allen abendländischen Sprachen. Die Verfasser waren gehalten, die Bibliographien auch für bereits vor Jahren abgelieferte Artikel mit Neuerscheinungen fortzuschreiben; z.T. mußte diese Arbeit von der Redaktion übernommen werden, so daß es vorkommen kann, daß der Text selbst einen älteren Forschungsstand spiegelt, als er auf Grund der neuesten zitierten Untersuchung sein könnte. Dazu werden Standardwerke (z.B. Thieme-Becker) mit Siglen zitiert, allerdings nicht durchgängig.
Die ca. 15.000 viertel- bis halbseitigen Schwarzweißabbildungen unterschiedlicher Qualität stehen beim Text, den sie illustrieren, ebenso die zahlreichen Karten- und Lageskizzen, Grund- und Aufrisse etc.; auf die relativ wenigen Farbtafeln, wird im Text verwiesen; sie finden sich nur in einigen Bänden, ohne daß man erkennen kann, nach welchen Kriterien Artikel mit Farbabbildungen ausgezeichnet werden.
Bd. 33 enthält außer der bereits genannten Übersicht über die Mitarbeiter folgende Listen: 1. der Abkürzungen für die Standorte von Kunstwerken; 2. der abgekürzt zitierten Zeitschriftentitel; 3. der Sigel für Standardwerke. Bd. 34 wird ganz vom Schlagwortregister mit angeblich 750.000 Eintragungen eingenommen, das auch alle Erwähnungen von Personen und Sachen im Text der Artikel belegt. Im Gegensatz zu der unprofessionellen Dürftigkeit von Registern vieler Werke kontinentaleuropäischen Ursprungs (die heute wohl oft allein mit Hilfe der Markierung von Stichwörtern bei der Datenerfassung entstehen) ist das vorliegende Register detailliert: es wird also nicht nur mit Band und Seite die Erwähnung z.B. eines Künstlers angegeben (was zu den bekannten unbrauchbaren Zahlenkolonnen führt), sondern auch mitgeteilt, in welchem Kontext die Erwähnung erfolgt.
Auch wenn das neue Dictionary of art seinen - wenn man so will - Vorläufer, die Encyclopedia of world art, nicht "ersetzt" - sie bleibt wie alle großen Nachschlagewerke als Zeugnis von Wert, auch wenn man sie wohl allein schon wegen des Platzbedarfs aus den Informationsapparaten entfernen wird - so ist es dieser doch in vieler Hinsicht überlegen: Nicht etwa wegen der größeren Aktualität, die sich allein aus dem späteren Erscheinungstermin ergibt und somit selbstverständlich ist und auch nicht wegen der wesentlich höheren Artikelzahl, vor allem für Künstler (was diese betrifft, so sind der Thieme-Becker bzw. das AKL natürlich weiterhin unverzichtbar), sondern vielmehr wegen seines Typs, der dem Lexikon näher steht, als der Enzyklopädie. Es ist eben - um nur ein Beispiel zu wählen - wesentlich bequemer, sich mit Hilfe eines eigenen Artikels altar (untergliedert nach Kontinenten, innerhalb nach Epochen und Kulturkreisen, mit Abschnitten über Sonderformen (z.B. portable altar) zu informieren, als mit Hilfe des Registers durch die Encyclopedia of world art zu stöbern, ohne daß sich dabei die Gesamtheit der Information, die ein Artikel bietet, erreichen ließe. - Der Rezensent gesteht, daß er in großer Versuchung war, das Dictionary of art trotz seines hohen Preises für sich anzuschaffen und daß ihn vor allem der Gedanke an den Platzbedarf davon abgehalten hat; dieses Argument wäre hinfällig, wenn das Werk auch auf CD-ROM angeboten würde und von diesem Angebot ließe er sich verführen, obwohl er sonst Gedrucktes immer noch den silbrigen Scheiben vorzieht.
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