Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus: Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 1/2
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Manuale di letteratura italiana
- 97-1/2-161
-
Manuale di letteratura italiana : storia per generi e
problemi / a cura di Franco Brioschi e Costanzo Di
Girolamo. - Torino : Bollati Boringhieri. - 23 cm
- [4131]
- 1. Dalle origini alla fine del Quattrocento. - 1. ed.
- 1993. - XV, 1004 S. - ISBN 88-339-5519-2 : Lit. 60.000
- 2. Dal Cinquecento alla metà del Settecento. - 1. ed.
- 1994. - XIII, 890 S. - ISBN 88-339-5534-6 : Lit. 60.000
- 3. Dalla metà del Settecento all'Unità d'Italia. - 1. ed.
- 1995. - XII, 966 S. - ISBN 88-339-5552-4 : Lit. 65.000
- 4. Dall'Unità d'Italia alla fine del Novecento. - 1. ed.
- 1996. - XIV, 1141 S. - ISBN 88-339-5565-6 : Lit. 80.000
- 97-1/2-162
-
Storia della letteratura italiana / diretta da Enrico
Malato. - Roma : Salerno. - 25 cm
- [4130]
- Vol. 1. Dalle origini a Dante. - 1995. - XIX, 1062 S. :
Ill. - ISBN 88-8402-158-8 : Lit. 140.000
- Vol. 2. Il Trecento. - 1995. - XIII, 1042 S. : Ill. - ISBN
88-8402-179-0 : Lit. 140.000
- Vol. 3. Il Quattrocento. - 1996. - XIII, 1003 S. : Ill.
- ISBN 88-8402-190-1 : Lit. 140.000
- Vol. 4. Il primo Cinquecento. - 1996. - XII, 1179 S. :
Ill. - ISBN 88-8402-202-9 : Lit. 160.000
Selbst hier, bei den beiden italienischsprachigen, mehrbändigen
Literaturgeschichten, wird die Vergleichbarkeit zum Problem,
entspricht doch der erste, etwa tausend Seiten starke Band des Manuale
di letteratura italiana, Dalle origini alla fine del Quattrocento, vom
abgedeckten Zeitraum her den ersten drei Bänden der Storia della
letteratura italiana, Dalle origini a Dante, Il Trecento und Il
Quattrocento mit ihren jeweils gut 1000 Seiten, wo auf dem dreifachen
Raum natürlich auch detailliertere Informationen möglich sind. Doch
hierzu weiter unten im einzelnen, zunächst sollen die ersten beiden
Literaturgeschichten, deren Umfang den Vergleich eher zuläßt,
zueinander in Beziehung gesetzt werden.
1 Die einbändigen Werke: Geschichte der italienischen Literatur und
Der auffallendste Unterschied zwischen Hardts Geschichte der
italienischen Literatur und der Cambridge history of Italian
literature ist der zwischen dem von einem einzigen Autor verfaßten
Opus und dem von einer Vielzahl von Mitarbeitern verfaßten
Gemeinschaftswerk, ein freilich altbekannter Unterschied, der in
beiden Vorworten thematisiert wird. Vor allem Hardt muß im Zeitalter
immer ausgeprägteren Spezialistenwissens seinen Ansatz und Anspruch
eingehend begründen, als "einzelne[r] deutsche[r] Autor" eine
"systematische, alle Epochen detailliert berücksichtigende
Gesamtwürdigung der italienischen Literatur von ihren Anfängen bis zur
jüngsten Gegenwart" zu verfassen, die dennoch "den Ergebnissen und
Perspektiven von Forschung und Kritik soweit wie möglich Rechnung"
trägt (Vorwort, S. 13). Die Aporie, auf die er dabei stößt, ist die
von zwangsläufiger Heterogenität bzw. erwünschter Homogenität
einerseits und Spezialistenwissen andererseits, eine Aporie, der auch
die Herausgeber der Cambridge history of Italian literature
gegenüberstehen, wenn sie mit der Größe und Komplexität ihres
Unternehmens gerade die Entscheidung für einen "multi-author"
rechtfertigen, d.h. für 19 Mitarbeiter, "each of whom is a specialist
in the appropriate field and able to give an authoritative assessment
of the current state of research and criticism in that area". Weder
Stil noch Ansatz der einzelnen Beiträge wurden durch die Herausgeber
vereinheitlicht, allenfalls Überschneidungen oder Diskrepanzen
beseitigt, da dem Unternehmen die Überzeugung zugrundeliegt, "that
variations between the sections of this volume are themselves
reflective of a healthy diversity of research in the discipline as a
whole" (Preface, S. XIX). Hardt hingegen scheint für seine
"angestrebte Synthese der italienischen Literatur [...] die heutzutage
beliebte Form des Sammelbandes weniger geeignet, in dem verschiedene
Forscher mit unterschiedlichen Interessenrichtungen und Methoden ihre
Spezialgebiete unter speziellen Gesichtspunkten behandeln, woraus nur
allzu leicht, wie wiederholte Erfahrung zeigt, ein Konglomerat von
heterogenen und oft genug perspektivisch konträren Beiträgen
hervorgeht", während es sein "Bestreben [war], ein möglichst homogenes
und anschauliches, auf konkreten Forschungen und Textinterpretationen
aufbauendes und bei aller Detailfreude dennoch ausgewogenes und gut
lesbares Gesamtbild der Literatur Italiens zu entwerfen" (S. 13).
1.1 Einheitlichkeit und Pluraliät der Darstellung
Gewiß lassen sich für beide Ansätze, für die Einheitlichkeit wie für
die Pluralität, zahlreiche Argumente finden, und weder der eine noch
der andere ist per se gut oder schlecht. Wie das - seinerseits
diskutierbare - Urteil über die im Metzler-Verlag erschienene
Italienische Literaturgeschichte in der oben erwähnten, von Elisabeth
Arend verfaßten Rezension zeigt, garantiert auch ein Sammelband keine
gleichbleibend hohe Qualität in all seinen einzelnen, von Spezialisten
geschriebenen Beiträgen, und umgekehrt schützt der einheitliche Ansatz
nicht unbedingt vor Widersprüchen oder Irrtümern. Im Gegenteil, es
erscheint eher natürlich, wenn einem einzelnen Autor bei einem so
umfassenden Thema wie der vollständigen Geschichte der italienischen
Literatur gelegentlich Fehler unterlaufen, also beispielsweise, wie
dies bei Hardt vorkommt, Tassonis heroisch-komisches Epos La secchia
rapita als "Komödie" (S. 387) bezeichnet wird, wenn Leopardis Discorso
di un italiano intorno alla poesia romantica auf einmal Dialogo di un
italiano (S. 571) heißt, wenn Sappho in Leopardis Gedicht plötzlich
nicht mehr sterben wird, sondern nur noch sterben würde (Morremmo
statt Morremo, S. 576) oder wenn das berühmte Rimbaud-Zitat statt in
seiner ungewöhnlichen Form Je est un autre in der alltagssprachlichen
Version moi c'est un autre (S. 749) wiedergegeben wird, die gerade die
Fremdheit und Andersheit des Ich unterschlägt. Doch lassen sich derlei
Errata, wie sie wohl jedem unterlaufen können, ja in einer eventuellen
zweiten Auflage beseitigen.
1.2 Adressatenkreis
Entscheidender als solche Einzelheiten scheint das Konzept, das hinter
den beiden Projekten steht. Beide Werke wenden sich nicht oder
zumindest nicht ausschließlich an ein akademisches Publikum, sondern
auch an den sogenannten "general reader", von dem zwar angenommen,
aber nicht vorausgesetzt wird, daß er Grundkenntnisse der
italienischen Sprache besitzt. Aus diesem Grund werden in beiden
Literaturgeschichten nahezu alle Titel nicht nur in italienisch,
sondern zudem in englisch bzw. deutsch angegeben, viele Zitate
entweder übersetzt oder gleich in der jeweils anderen Sprache
eingefügt. Dabei wird allerdings insbesondere bei Hardt nicht immer
deutlich, warum etwa die Gedichte von Guido Guinizzelli (S. 44 f.) und
Guido Cavalcanti (S. 47 ff.) in italienischem Original und deutscher
Übersetzung, die Verse von Giacomo da Lentini (S. 29 f.) und Guittone
D'Arezzo (S. 38 f.) hingegen nur in italienisch, die des Bernart de
Ventadorn sogar nur in altprovenzalisch zitiert werden. Leopardis
nicht immer einfache Gedichte finden sich ausschließlich in
italienischer Sprache, Ungarettis Texte ausschließlich auf deutsch (S.
753 f.), die von Umberto Saba teils in italienischer, teils in
deutscher Sprache (S. 766). Ähnlich tauchen manche Begriffe, wie Der
Süße Neue Stil, oder auch Werktitel, etwa Die Göttliche Komödie oder
Die Verlobten, schon in den Überschriften in übersetzter Fassung auf,
andere, beispielsweise Orlando furioso, dessen deutscher Titel ebenso
bekannt ist wie die beiden zuvor genannten, bleiben in ihrer
italienischen Form stehen, was sicher auch in allen anderen Fällen
angebracht gewesen wäre: Es hätte auch für "ein breites interessiertes
Publikum, das Italien kennt und liebt, seine Sprache mehr oder weniger
oder auch gar nicht beherrscht" (S. 15), genügt, sämtliche
Übersetzungen im fortlaufenden Text in Klammern einzufügen, wie dies
in der Regel, wenngleich auch nicht durchgängig - vgl. etwa die teils
italienischen, teils englischen, teils zweisprachig angegebenen Titel
im Kapitel über Foscolo (S. 412 ff.) - in der Cambridge
history of Italian literature geschieht.
1.3 Historischer Kontext und Biographie in den Autoren-Kapiteln
Ein beide Bände als Ganzes durchziehender Unterschied liegt in der
Frage, wie weit jeweils der historische Kontext und die Biographie der
behandelten Autoren zu berücksichtigen sind. Generell läßt sich
feststellen, daß die Cambridge history of Italian literature in
stärkerem Maße auf innerliterarische Entwicklungen und auf die Texte
selbst konzentriert ist, so daß beispielsweise die Darstellung des 14.
Jahrhunderts sich auf die Kapitel Dante, Boccaccio, Petrarch und Minor
writers beschränkt, wobei nur das letzte einen kurzen Überblick über
The literary culture of the Trecento enthält. Einen Überblick über die
allgemeine Geschichte liefert statt dessen die ausführliche Zeittafel
zu Beginn des Werks, die in einer dreispaltigen, synoptischen
Darstellung Daten aus Politik, Literatur und anderen Künsten aufführt.
Hardt führt demgegenüber vom 13. bis zum 19. Jahrhundert alle Kapitel
durch einen Blick auf die Zeit ein, der in knapper Form die politische
Geschichte ebenso wie die Sozial- und Kulturgeschichte des jeweiligen
Jahrhunderts skizziert, und entsprechend leitet er auch seine
Autorenkapitel oder -abschnitte durchweg mit einer zum Teil recht
ausführlichen Biographie ein, getreu der Auffassung, daß "literarische
Werke von einzelnen Individuen hervorgebracht werden" und deshalb "die
Biographie der einzelnen Schriftsteller [...] angemessen
berücksichtigt" werden mußte (S. 14). Darüber, was angemessen, was zu
knapp und was zu ausführlich ist, ließe sich natürlich diskutieren. Im
Falle Dantes beispielsweise nimmt der biographische Teil mehr als ein
Viertel des gesamten Raumes ein, und dies, obwohl über Dantes Leben
nur sehr wenig bekannt ist und zudem, was Hardt leider verschweigt,
das meiste von diesem Wenigen aus seinen eigenen Werken stammt,
beispielsweise die Information darüber, daß Dante "im Tierkreiszeichen
der Gemelli" geboren wurde (S. 78) oder daß Cavalcanti sein "erste[r]
Freund" war (S. 79). Entsprechend ist Dantes Biographie hier wie
überall durchsetzt von Konditionalformen, von Adverbien wie
"wahrscheinlich", "wohl" oder anderen Formulierungen, die die
Ungesichertheit des Gesagten unterstreichen. Dennoch wird etwa die
Begegnung mit "Bice", der in der Vita nuova und der Commedia
"Beatrice" genannten Figur, geschildert, als könne sie sich nicht
anders als in den literarischen Werken geschildert zugetragen haben:
"1283, als gerade neun Jahre seit der ersten Begegnung verflossen
waren, empfing er, in der neunten Stunde des Tages, den ersten Gruß
der jungen Frau [...]. Das Erlebnis dieses Grußes löste in Dante eine
große seelische Unruhe aus und setzte zugleich Energien frei" (S. 97).
Auch an dieser Stelle wäre es wohl angebrachter, nicht nur die
Verankerung des Erlebnisses in der Biographie des Dichters zu
beschreiben, sondern zugleich dessen literarische Stilisierung, denn
Dante ist, wie es im ersten Band des Manuale di letteratura italiana
heißt, "ben cosciente di creare un'opera letteraria intorno ai suoi
ricordi personali" (S. 811), und die Schilderung der "eventi di
fondamentale importanza nella vita di Dante" in der Vita nuova ist
"non esente di sospetti di idealizzazione letteraria" (Storia della
letteratura italiana, vol. 1, S. 784).
Demgegenüber ist die Analyse der Commedia, beispielsweise und
insbesondere im abschließenden Unterkapitel "Der Ordo-Gedanke des
Mittelalters und die Zahlenstruktur des Gedichts" (S. 121 ff.)
ausgesprochen detailliert und informativ und verbindet in
anschaulicher Weise die Tradition der mittelalterlichen
Zahlenspekulation und -ästhetik mit dem Danteschen Text, so daß die
Schlußfolgerung, "die das ganze Gedicht untermauernde Dimension der
Zahl [trage] entscheidend zur Bedeutungsdichte und Sinntiefe des
Werkes bei", weil nicht zuletzt durch "die Zahlen und Proportionen
[...] der Dichter sein Kunstwerk als Teil der großen Schöpfung des
'summum artifex' ausweisen und einordnen wollte" (S. 128), unmittelbar
überzeugt. Die vergleichbare Analyse im englischen Pendant ist weniger
ausführlich, geht weniger auf einzelne Textstellen ein, schneidet aber
dennoch ebenfalls zahlreiche für das Verständnis des schwierigen Werks
relevante Themen wie "Formal organisation and language", "Allegory and
realism" oder "Myth and history" an, so daß auch diese Seiten einen
ersten, wenngleich weniger konkreten Überblick über das so komplexe
Werk zu verschaffen vermögen.
Diese am Beispiel Dantes vorgeführten Beobachtungen bestätigen sich
grosso modo für beide Literaturgeschichten quer durch alle Epochen:
Das deutsche Werk legt mehr Wert auf historische und biographische
Informationen, während sich das englische mehr auf den - freilich weit
gefaßten - Bereich der Literatur stützt; andererseits bleibt The
Cambridge history of Italian literature bei der Besprechung der Texte
meist allgemeiner als die Geschichte der italienischen Literatur, die
oft einen konkreten Einstieg in einzelne Texte ermöglicht.
1.4 Gewichtung der Epochen
Als wesentlich detaillierter erweist sich die deutschsprachige
Literaturgeschichte insbesondere im Bereich des 20. Jahrhunderts.
Während beide Werke das 13. bis 19. Jahrhundert ungefähr gleich
gewichten, beide beispielsweise Schwerpunkte im 14., 16. und 19.
Jahrhundert setzen, das 13., 15. und 17. hingegen knapper abhandeln,
divergieren sie sehr stark, was die zeitgenössische Literatur
anbelangt. The Cambridge history of Italian literature widmet dem 20.
Jahrhundert kaum mehr Raum als etwa dem 16. oder dem 19., so daß, auf
das Ganze gesehen, eine relativ ausgewogene Darstellung erzielt wird
- mit dem Vorbehalt, daß sich manche Einschätzungen von noch lebenden
Autoren gewiß aus größerer Distanz noch grundlegend ändern werden, ehe
die Zeit ihr Urteil über sie gefällt hat. Dieser Möglichkeit, sich zu
irren, setzt sich Hardt noch bedeutend mehr aus, da er dem 20.
Jahrhundert bewußt ein Übergewicht einräumt: Ungefähr ein Drittel
seiner Literaturgeschichte befaßt sich mit dem gegenwärtigen
Jahrhundert, so daß zwar die Gewichtung, verglichen mit den früheren
Jahrhunderten, eher unausgewogen anmutet, Hardt dafür aber sehr viele,
oft noch weniger bekannte Autoren und Texte aufnehmen und besprechen
kann, über die sich in anderen Geschichten oder Lexika bislang wenig
oder gar keine Informationen finden lassen, so daß Hardts Geschichte
der italienischen Literatur ganz besonders für diesen Bereich sehr zu
empfehlen ist.
1.5 Bibliographische Hinweise
Ungleich sparsamer ist das Opus hingegen, was bibliographische
Hinweise anbelangt: Hier begnügt sich Hardt mit einer drei Seiten
langen Auflistung von ausgewählten, erfreulicherweise nicht, wie in
der bei Metzler erschienenen Italienischen Literaturgeschichte, auf
deutsche Titel beschränkten Nachschlagewerken und
Literaturgeschichten, die auch manche Arbeiten zu einzelnen Epochen
oder Gattungen enthält, Literatur zu spezielleren Fragen oder zu
einzelnen Autoren jedoch nicht aufnimmt - was natürlich dem im Vorwort
angesprochenen Adressatenkreis der Literaturgeschichte adäquat ist.
Als bedeutend ausführlicher und sehr viel mehr ins Detail gehend
erweist sich in diesem Punkt die englischsprachige
Literaturgeschichte, deren ca. 65 Seiten umfassende Bibliographie im
Anschluß an die allgemeinen Nachschlagewerke und Hilfsmittel ebenso
gegliedert ist wie die Literaturgeschichte selbst und zu allen
einzelnen Kapiteln Forschungsliteratur nennt, sehr oft sogar zu den
einzelnen Autoren Primär- wie Sekundärliteratur angibt, so daß hier
nicht nur für den "general reader", sondern ebenso beispielsweise für
Studierende der erste Einstieg in ein Thema oder eine Epoche bedeutend
erleichtert wird.
1.6 Register
Beide Literaturgeschichten sind durch sehr gute Register erschlossen;
die Cambridge history ordnet Personennamen und Sachbegriffe in ein Al-
phabet, verweist von anderen Namensformen auf die jeweils verwendeten
und nimmt außer Zeitschriften und Institutionen auch Gattungen, Strö-
mungen und andere Fachtermini ebenso wie einzelne Themenkomplexe -
z.B. art and literature oder feminism and poetry - auf. Hardt unter-
gliedert noch einmal in ein Verzeichnis der Namen und Institutionen
und ein Verzeichnis der Sachbegriffe und Zeitschriften, so daß dank
des Registers auch in diesem Fall die "Geschichte" zu einem allgemei-
neren Nachschlagewerk wird und unterschiedlichen Bedürfnissen
entspriccht bzw. unterschiedliche Zu-
gänge ermöglicht. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß so-
wohl der englische als auch der deutsche Blick auf die italienische
Literatur eine recht brauchbare Einführung bieten und als eine solche
empfohlen werden kann. Eine detailliertere Beschäftigung mit einzelnen
Gebieten des umfassenden Gegenstands wäre zwar an vielen Stellen wün-
schenswert, läßt sich jedoch auf so beschränktem Raum wohl schwerlich
realisieren. Für ein studentisches Publikum allerdings dürfte oft der
Preis der beiden Bände abschreckend sein, so daß sie wohl oft entweder
in Bibliotheken konsultiert werden müssen oder aber preiswerteren Al-
ternativen unterliegen werden.
2 Die mehrbändigen Werke: Manuale di letteratura italiana und Storia
Diesem Kriterium entsprechen die beiden mehrbändigen neuen
Literaturgeschichten natürlich ohnehin nicht: Mag der vierbändige
Manuale di letteratura italiana in seiner Überschaubarkeit noch
häufiger private Käufer gewinnen können, wird die Storia della
letteratura italiana sicher nahezu ausschließlich Eingang nicht in
private Bücherschränke, sondern in Bibliotheken finden und dort als
Nachschlagewerk zur Verfügung stehen. Wie bereits erwähnt, gestaltet
sich hier ein Vergleich der Informativität in Anbetracht des sehr
unterschiedlichen Umfangs der beiden Werke schwieriger. Was hingegen
verglichen werden kann, ist der auf den ersten Blick sehr
unterschiedliche Ansatz der beiden Literaturgeschichten - der
allerdings auf den zweiten Blick so unterschiedlich wohl auch wieder
nicht ist, sonst hätte ein Autor wie Cesare Segre nicht Beiträge für
beide verfassen können.
2.1 Manuale di letteratura italiana
2.1.1 Chronologische und thematische Strukturierung
Das seit 1993 erscheinende Manuale di letteratura italiana
bezeichnet sich, wie erwähnt, im Zusatz zum Sachtitel selbst als eine
"storia", und entsprechend schließen die vier bisher vorliegenden
Bände chronologisch aneinander an und reichen von den Anfängen bis
zum Ausgang des 20. Jahrhunderts. Dieser Einteilung zufolge scheint
der Handbuch-Charakter, auf den der Titel schließen läßt, zunächst
hinter dem eines Geschichtswerks zurückzustehen. Die Betrachtung der
einzelnen Bände erweist jedoch, daß dieser ersten, sehr groben
Gliederungsebene nach Zeiträumen eine zweite folgt, die nach "generi e
problemi" geordnet ist, wie wiederum der Zusatz zum Sachtitel
präzisiert, und erst auf einer dritten, manchmal auch vierten Ebene
die Chronologie wieder ins Spiel kommt. Dabei wiederholen sich die
"Gattungen und Probleme", etwa "La cultura", "La comunicazione
letteraria", "La lingua e le forme", "La lirica" bzw. "La poesia",
"L'io e la memoria", "Il teatro" etc., weitgehend von einem Band zum
andern, ohne freilich auf epochenspezifische Besonderheiten zu
verzichten. Statt diese einer starren und gleichmachenden Systematik
zu opfern, finden sich in jedem Band Kapitel oder Unterkapitel, die
nur für diesen einen Zeitabschnitt relevant sind, im ersten etwa ein
Kapitel über allegorische und didaktische Literatur, im zweiten eines
über die Pastorale, im dritten sind die "studi filologico-letterari"
oder der historische Roman neu, im vierten stellt sich erstmals die
Frage der "letteratura fuori della letteratura". Damit gestattet das
Manuale sowohl einen eher diachronisch als auch einen eher
synchronisch orientierten Zugang: Es ist ebenso möglich, die
Geschichte beispielsweise der Autobiographie im Kapitel "L'io e la
memoria" quer durch alle Bände, d.h. quer durch alle Jahrhunderte der
italienischen Literatur zu verfolgen, wie es möglich ist, zu
untersuchen, in welchem Zusammenhang die Autobiographie in einem
einzelnen Band und damit in einem bestimmten Zeitabschnitt steht, in
welches Gattungssystem sie sich jeweils einfügt, wo sie einen
Schwerpunkt bildet etc.
2.1.2 Biographische Zusammenhänge
Was diesen höchst komplexen Zusammenhängen, diesen unterschiedlichen
Zugängen allerdings zwangsläufig geopfert wird, ist die Biographie der
einzelnen Schriftsteller. Ein Autor wie Leopardi beispielsweise,
dessen Werke sich nicht einer einzigen Gattung subsumieren lassen,
wird in Band 3 an zahlreichen Stellen behandelt: Schon im Kapitel "La
lingua e le forme" taucht er unter "La versificazione" auf, in "La
poesia" gibt es einen Abschnitt "Verso Leopardi" und einen über
Leopardis Canti, im Rahmen der Narrativik werden die Operette morali
behandelt, der Zibaldone ist im Kapitel "L'io e la memoria" zu finden,
und zusätzlich sind Leopardi in "La filosofia, la scienza, la
riflessione morale" und in "La storiografia e gli studi
filologico-letterari" eigene Abschnitte gewidmet. Allein die
Aufzählung dieser unterschiedlichen Ansätze macht überdeutlich, wie
facettenreich und heterogen das Werk Leopardis ist und in wie vielen
unterschiedlichen Zusammenhängen es gesehen werden muß. Vermutlich
setzt es sich ebenso aus Fragmenten, aus Splittern zusammen wie sein
bzw. jedes Leben, das wohl nie dem "schönen", abgerundeten Bild einer
Biographie entspricht, sondern erst im Rückblick zu dieser Einheit
stilisiert wird. Gerade das Beispiel Leopardis zeigt, daß sich in
seinem Werk nicht die eine klare, bei Hardt angedeutete, Linie
verfolgen läßt, die von "Jugend, Studium und erste[r] Liebe" über
"Leopardi in seiner Zeit. Die Operette morali" bis hin zu den "Canti
und [dem] Ende des Wegs" führt, sondern alles in größeren
Zusammenhängen steht als dem einen, mehr oder weniger zufälligen und
(re-?)konstruierten Zusammenhang einer Biographie.
Dies bedeutet keineswegs, daß der Manuale di letteratura italiana
völlig auf biographische Elemente verzichtete: Je nach Verfasser des
jeweiligen Beitrags und je nach behandeltem Autor gehen diese sehr
wohl in die Darstellung ein, wie etwa das Beispiel des ebenfalls in
vielen verschiedenen Kapiteln behandelten Manzoni zeigt, wo bei der
Analyse der Promessi sposi mehrfach auf im Roman enthaltene "precisi
riferimenti autobiografici" eingegangen wird, auf "frammenti di vita
psicologica manzoniana", auf Manzonis "travaglio personale" und auf
"momenti di esperienza privata" (Bd. 3, S. 445) - doch ist dies ein
Aspekt der Darstellung und nicht ihr alles umspannender Rahmen wie
immer wieder selbst in der Cambridge History, in der etwa das
Boccaccio-Kapitel von "Early years" bis zu "Later life and works", das
Dante-Kapitel vom "Early life" bis zu "The last years" und einer
abschließenden Betrachtung über die heutige Dante-Rezeption führt.
Gegenüber der an der Einheit der Biographie orientierten Darstellung
birgt freilich eine Geschichte nach "Gattungen und Problemen"
umgekehrt die Gefahr, mögliche Beziehungen zwischen Werken, die aus
der Feder eines Autors stammen, aber unterschiedlichen Gattungen
angehören, zu übersehen oder zu unterschlagen und sich in der
detaillierten Betrachtung einzelner Werke zu verlieren, etwa wenn
Luigi Blasucci bei der Betrachtung der Leopardischen Canti nahezu alle
Gedichte einzeln bespricht. Die Lektüre erweist jedoch, daß dieser
Gefahr geschickt begegnet wird, indem nicht nur von einzelnen Canti
Bezüge zu den Operette morali und zum Zibaldone hergestellt werden,
sondern zudem ein Rahmen um die einzelnen Gedichte gelegt wird, der am
Anfang Leopardis poetologische Reflexionen und Positionen darlegt und
am Ende die Lyrik Leopardis noch einmal als eine Ganzheit
zusammenfassend beschreibt. Wichtiger aber als der biographische
bleibt überall der gattungsgeschichtliche Zusammenhang, so daß
generell biographische Daten oder auch Anekdoten nur dann angeführt
werden, wenn sie einen Bezug zum Werk besitzen - selbst bei einem
Autor wie Petrarca, dessen Werk zu großen Teilen von einer "forte
tensione autobiografica" (Bd. 1, S. 382) bestimmt ist und dessen
Canzoniere in mancherlei Hinsicht als ein zwischen Roman und
Autobiographie stehender Gedichtband gelesen werden kann (vgl. Bd. 1,
S. 379 ff.). Dennoch bildet wiederum die Entwicklung der italienischen
Lyrik von ihren Anfängen bis zum 15. Jahrhundert den größeren Rahmen
und den Zusammenhang, in dem ein Text wie Petrarcas Canzoniere gelesen
werden muß.
Selbstverständlich bleibt es dem Leser anheimgestellt, sich nach
Belieben auch auf einzelne Autoren zu konzentrieren. Zu diesem Zweck
wird jeder einzelne der vier Bände durch ein Register ergänzt, das in
den ersten beiden Bänden jeweils Namen und anonyme Werke, in Band 3
und 4 jeweils Namen und Periodika verzeichnet, so daß sich zwar nicht
unbedingt eine Biographie des betreffenden Autors zusammensetzen läßt,
aber doch der Zugang zu einem bestimmten Autor auch ohne größere
Vorkenntnisse jedem des Italienischen kundigen Leser leicht möglich
ist.
2.1.3 Bibliographische Hinweise
Eine Bibliographie hingegen enthält keiner der vier Bände - sie würde,
wollte sie der Ausführlichkeit und Präzision der Darstellung
entsprechen, wohl auch den Rahmen des Manuale sprengen oder zumindest
einen eigenen Band erfordern. Statt dessen sind sämtliche Beiträge mit
zahlreichen Fußnoten versehen, die fast durchweg nicht nur auf
klassisch gewordene Arbeiten verweisen, sondern in aller Regel neuere
und neueste Forschungsliteratur mit berücksichtigen und sie - anders
als dies in einbändigen Werken möglich ist, die oft nur im
fortlaufenden Text den Namen eines bestimmten Kritikers oder
Wissenschaftlers erwähnen - stets sehr präzise zitieren, gelegentlich
auch kurz annotieren, so daß die Lektüre eines Kapitels meist nicht
nur eine sehr gute Einführung in ein bestimmtes Werk, eine Gattung
oder ein Thema bietet, sondern zugleich den Grundstock einer
Bibliographie liefert, mit der sich zunächst einmal arbeiten läßt, ehe
speziellere Gesichtspunkte verfolgt und vertieft werden.
2.2 Storia della letteratura italiana
Ähnlich wie der ca. 4000 Seiten umfassende Manuale di letteratura
italiana ungleich mehr Informationen bieten kann als die Cambridge
history of Italian literature mit ihren 700 oder die Geschichte der
italienischen Literatur mit ihren über 900 Seiten, enthält natürlich
auch die Storia della letteratura italiana mit ihren geplanten 14
Bänden, deren vier bisher erschienene jeweils über 1000 Seiten stark
sind, bedeutend mehr Material als alle bisher hier besprochenen
Literaturgeschichten. Doch resultiert der große Umfang des Werks nicht
allein aus der stärker ins Detail gehenden Analyse der einzelnen
literarischen Texte, sondern vor allem aus dem dahinterstehenden
Konzept von Literaturgeschichte allgemein.
2.2.1 Aufbau und allgemeine Charakteristik
Wie oben erwähnt, soll die Storia della letteratura italiana neun im
engeren Sinne historische Bände umfassen, im wesentlichen
Jahrhundertbände, nur ragt das 16. Jahrhundert gleichsam noch in den
folgenden Band, La fine del Cinquecento e il Seicento, hinein und
werden für das 18. und 19. Jahrhundert insgesamt drei Bände
veranschlagt. Diesem historischen Teil sollen als Appendice vier
Themenbände folgen, für die die Herausgeber bereits feststehen, sowie
mit Band 14 eine Bibliographie der italienischen Literatur und die
Register zu allen Bänden. Band 10 - 13 werden sich mit La tradizione
dei testi, La critica letteraria dal Due al Novecento, La letteratura
italiana fuori d'Italia und La ricerca bibliografica. Le istituzioni
culturali befassen. Insbesondere dieser letztgenannte Band verspricht,
ein wertvolles Instrument für Forschungsarbeiten im Bereich der
italienischen Literatur zu werden, da hier die bedeutendsten Schätze
italienischer Bibliotheken und Archive (auch ausländischer, sofern sie
italienische Literatur besitzen) aufgeführt, die kulturellen
Institutionen Italiens skizziert und die wichtigsten Nachschlagewerke
und andere Hilfsmittel für die Forschung vorgestellt werden sollen.
Nachdem die vier ersten Bände in rascher Folge 1995 und 1996
erschienen sind, wäre es überaus wünschenswert, wenn auch die noch
fehlenden Teile dieser Storia im weitesten Sinne ebenso rasch folgen
würden, damit die vielfältigen Möglichkeiten, die dieses
Monumentalwerk zu bieten beansprucht, tatsächlich genutzt werden
können.
Der fünfbändige Anhang zur eigentlichen "storia" deutet bereits auf
eine Auffassung von Literaturgeschichte hin, die den üblichen Rahmen
weit überschreitet, und entsprechend wird die Storia della letteratura
italiana auch im Vorwort präsentiert: Sie sei eine Geschichte der
literarischen Kultur, genauer noch, der italienischen Kultur
allgemein, weil die Geschichte der Literatur nicht anders verstanden
werden könne denn im Zusammenhang mit der der Sprache, der Bildenden
Kunst, der Musik, des Denkens und der allgemeinen Kultur. Um diesem
hohen Anspruch einer "vera e autentica Storia della letteratura
italiana" (Bd. 1, S. XIII) gerecht zu werden, sollen die acht
Jahrhunderte italienischer Literatur erforscht werden "nelle sue
connessioni con ogni aspetto della storia politica e della storia
della cultura del paese che l'ha prodotta e nei reciproci rapporti di
scambio con le altre culture europee e occidentali". Es ist dies, wie
der Herausgeber selbst anmerkt, ein "progetto culturale di grande
ambizione e di eccezionale impegno" (S. XIV) - ob das hohe Ziel und
vor allem der Vollständigkeitsanspruch verwirklicht werden können,
bleibt abzuwarten.
Die Bände 1 - 3, die dieser Rezension zugrunde lagen, sind in
fortlaufend numerierte Sektionen unterteilt, deren erste drei
- Problemi delle origini, La nascita della letteratura italiana und
Dante Alighieri - in Band 1 enthalten sind, während Sektion IV, Verso
un nuovo sistema di valori, den gesamten zweiten Band, Sektion V,
L'età dell'Umanesimo, den dritten einnimmt. In diesen Sektionen wird
in der Regel zunächst der allgemeine historische Rahmen skizziert,
innerhalb dessen die Literatur jeweils entsteht, ehe die auf die
Literatur im engeren Sinne bezogenen Kapitel folgen: So geht etwa in
Sektion III dem Kapitel Dante das Kapitel L'autunno del Medioevo
voraus, Sektion IV wird eröffnet mit Kapiteln über La crisi del mondo
comunale, I nuovi orizzonti della cultura, I modi della comunicazione
letteraria und L'urgenza della memoria storica, ehe einzelne Kapitel
beispielsweise der religiösen Literatur, den Übersetzungen aus dem
Lateinischen, Petrarca, Boccaccio, der volkstümlichen Literatur etc.
gewidmet sind.
2.2.2 Aufbau der Kapitel und bibliographische Hinweise
All diese Kapitel wurden von einzelnen Autoren verfaßt und spiegeln
von daher in gewissem Rahmen unterschiedliche Forschungsansätze. Ziel
von Herausgeber und Verlag war es jedoch, gerade nicht eine bloße
Aufsatzsammlung zur Geschichte der italienischen Literatur zu
veröffentlichen, sondern trotz unterschiedlicher Ansätze ein homogenes
Werk zu schaffen. Vor allem die Kapitel zu einzelnen Autoren besitzen
deshalb einen einheitlichen und immer wiederkehrenden Aufbau, ohne daß
dieser zum starren Raster wird, das sich an keiner Stelle durchbrechen
ließe. So beginnen die Autorenkapitel jeweils, analog zur Anlage der
Sektionen, mit einem Kapitel zur Kulturgeschichte allgemein, das aber
bereits einen Bezug zum jeweiligen Autor aufweist, z.B. Firenze e
l'ambiente intellettuale fiorentino nella seconda metà del secolo XIII
bei Dante, La tradizione popolaresca fiorentina bei Luigi Pulci, La
provincia cólta dell'Italia Padana bei Boiardo, L'eredità cortese
nella nuova società borghese bei Boccaccio etc. Diesem ersten
einführenden Abschnitt folgt ein zweiter über die Vita des Autors,
bevor, meist in zahlreichen Unterkapiteln, detailliert die einzelnen
Werke analysiert und in unterschiedlichen Aspekten beschrieben werden.
Den Abschluß bilden Gesamtbetrachtungen, z.B. zur Sprache eines Autors
bzw. seines Werks, und immer, nicht nur in den Autorenkapiteln, eine
Bibliografia essenziale, die die wichtigsten, vor allem die kritischen
Ausgaben, ferner Bibliographien, Biographien sowie grundlegende
Sekundärliteratur verzeichnet, wobei, ebenso wie in den oft
speziellere Literatur angebenden Fußnoten, sowohl historische Studien
als auch aktuelle Forschungen nicht nur italienischer Provenienz
berücksichtigt werden. Als ebenso gründlich und detailliert wie die
Bibliographien erweisen sich auch die einzelnen Beiträge selbst, die
manchmal, etwa im Falle des nahezu 300 Seiten umfassenden "Aufsatzes"
zu Dante, die Ausführlichkeit einer Spezialmonographie erreichen. So
schildert Furio Brugnolo beispielsweise für einen Bereich der
mittelalterlichen Lyrik, die Sizilianische Dichterschule, genau die
problematische Quellenlage, und statt sich mit pauschalen Urteilen und
reduktionistischen Thesen zu begnügen, von denen sich oft kaum noch
ein Bezug zum konkreten lyrischen Text herstellen läßt, zitiert er
mehrfach einzelne Gedichte ausführlich und analysiert sie präzise.
Zudem stellt er Vergleiche zur ungefähr gleichzeitigen Lyrik anderer
Sprachen, zu den Trobadors, Trouvères und Minnesängern, her und
untersucht, wiederum anhand zahlreicher Textbeispiele, die
sizilianischen Gedichte auf okzitanische Einflüsse, so daß der Leser
sowohl einzelne Texte als auch deren Kontext kennenlernt und sich mit
dem Hintergrund des hier Gesagten auch an weitere Texte wagen kann.
Dieselbe fruchtbare Mischung aus Überblick und Detailanalyse findet
sich auch bei der Darstellung größerer Werke wie etwa der Commedia
Dantes: Enrico Malato, der Herausgeber der ganzen Storia und Verfasser
des Dante-Kapitels, situiert zunächst den Text chronologisch,
beschreibt seine Struktur und die Tradition, in der er steht,
analysiert aber ebenso einzelne - teils berühmt gewordene, teils
"verkannte" - Passagen im Detail, wobei er vor allem die Neuheit und
Besonderheit Dantes, z.B. in bezug auf die Amorlehre und auf die
Position Cavalcantis, hervorhebt.
2.2.3 Primär chronologische Darstellung
Auffallendster Unterschied zum Manuale di letteratura italiana ist
demnach die in viel stärkerem Maße chronologisch orientierte
Darstellungsweise, in der nicht einzelne Fragen oder
Gattungsentwicklungen über große Zeiträume verfolgt werden, sondern
der Blick auf die Literaturgeschichte eher punktueller Natur ist.
Gewiß tauchen auch hier ähnliche Problemstellungen oder
Gattungsbegriffe wie im Manuale als Kapitelüberschriften auf,
insbesondere in Bereichen oder Jahrhunderten, wo nicht einzelne
Autoren gleichsam kanon- und gattungsbildend für eine ganze Epoche
stehen - vgl. z.B. La comunicazione letteraria oder Il teatro in jedem
Band des Manuale, I modi della comunicazione letteraria in Band 2, Il
Teatro in Band 3 der Storia -, doch reicht erstens die Darstellung
jeweils nicht über maximal ein Jahrhundert hinaus und werden zweitens
die anerkannt "großen" Autoren aus dieser Betrachtungsweise
herausgenommen, so daß ihr Werk als scheinbare Ganzheit, losgelöst von
den manchmal sehr unterschiedlichen Gattungszusammenhängen, an anderer
Stelle beschrieben werden kann.
2.3 Ergänzungsfunktion beider Werke
Da die Analyse einzelner Texte, wie oben am Beispiel Dantes
geschildert, auch in der Storia weit über das ausschließlich von der
Chronologie bestimmte Interesse hinausgeht, werden die beiden
mehrbändigen Literaturgeschichten auf der Ebene der Textinterpretation
trotz ihrer divergierenden Ansätze doch in gewissem Maße vergleichbar.
Die Lektüre erweist, daß die einzelnen Beiträge sich durchaus
fruchtbar ergänzen können, da in beiden Werken von den konkreten
Texten und nicht von vorgefertigten Schablonen ausgegangen wird.
Entsprechend stehen, je nach Interesse und Ausrichtung der einzelnen
Mitarbeiter, jeweils andere Aspekte im Zentrum der Analyse, doch
bilden diese nicht unbedingt einen Widerspruch. Im Falle Petrarcas
beispielsweise stellen im Manuale die im Canzoniere verwirklichten
narrativen Strukturen, durch die der Gedichtband Affinitäten zu
"Storia, racconto, autobiografia" (Bd. 1, S. 379 ff.) aufweist, ein
wichtiges Moment des Textes dar, während die Storia mit dem Abschnitt
"poetica e poesia" den Akzent eher auf die im Canzoniere enthaltene
implizite Poetik legt (Bd. 2, S. 692 ff.). Umgekehrt wird im Falle
Boccaccios diese metatextuelle Seite des Decameron im Manuale stärker
in den Mittelpunkt gerückt, während sich die Storia hier mehr auf
Fragen wie die der Gattungsproblematik, der Struktur etc.
konzentriert.
In Anbetracht sowohl des sehr unterschiedlichen - und von daher
unterschiedliche Lesergruppen ansprechenden - Umfangs dieser beiden
Literaturgeschichten als auch der in beiden Fällen nahezu durchweg
höchst aktuellen, interessanten und außerdem, aufgrund
unterschiedlicher Schwerpunktsetzung und Kontextualisierung, oft
komplementären Informationen können der Manuale di letteratura
italiana wie die Storia della letteratura italiana gleichermaßen zur
Anschaffung empfohlen werden.
literature diese frühe, aber wichtige Arbeit Leopardis nicht einmal,
die doch, wie Franca Janowski in der Einführung zu ihrer
zweisprachigen Ausgabe des Textes schreibt, "in nuce Themen und Motive
[enthält], traditionsbedingte sowie neuartige Gedanken und
Problemstellungen, die das Werk dieses großen Dichters und Denkers im
Horizontwandel zwischen Aufklärung und Romantik nachhaltig bestimmen
sollten" (Rede eines Italieners über die romantische Poesie = Discorso
di un italiano intorno alla poesia romantica / Giacomo Leopardi.
- Tübingen : Narr, 1991, S. 5). Ein Beispiel dafür, daß auch der
Beitrag eines Spezialisten nicht vor Lücken gefeit ist.
offensichtlich größere Geschichtskenntnisse bei den Lesern
vorausgesetzt werden. Hier steht zu Beginn eine Beschreibung der
italienischen Gesellschaft um 1900, während, wie Hardt im Vorwort
schreibt, "die bekannten späteren zeitgeschichtlichen Ereignisse [...]
in den nachfolgenden Kapiteln so weit wie erforderlich mit einbezogen"
wurden (S. 14).
u.a. Retorica e generi, la tradizione letteraria; Storia della lingua;
La stampa e l'editoria; L'insegnamento della letteratura - und ein
Dizionario degli autori e delle opere citate enthalten.
auftaucht, ist "La lingua e le forme", das im ersten Band in
"Nascita della lingua e nascita della letteratura" und "Le istituzioni
formali" unterteilt ist. Das erste der beiden Unterkapitel ist
chronologisch, nach den vom Bandtitel angekündigten Jahrhunderten,
weiter gegliedert, für das zweite schien offensichtlich eine sich
ebenfalls in allen Bänden wiederholende thematische Gliederung - "La
versificazione", "La prosa", "I generi" (und zusätzlich in Bd. 4: "La
riscoperta della voce") - sinnvoller.
Analogie zu den beiden einbändigen Literaturgeschichten bleibt in der
Storia della letteratura italiana die Biographie nicht nahezu völlig
außer Betracht; ein wesentlicher Unterschied jedoch insbesondere zu
Hardt besteht in der Gewichtung der Vita: Im Falle Dantes etwa widmet
Hardt, wie erwähnt, der weitgehend auf Vermutungen gegründeten
Biographie mehr als ein Viertel der Dante insgesamt zukommenden
Seiten, während die - gleichermaßen von "probabilmente", "forse",
"sembra che" und ähnlichen Formulierungen durchsetzte - Vita in der
Storia seitenmäßig nur ungefähr ein Zwölftel der Darstellung einnimmt
und zudem mehrfach auf die Herkunft der Angaben aus den literarischen
Werken Dantes hingewiesen wird.
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