Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 1/2
[ Bestand in K10plus ]

Amerikanische Literaturgeschichte


97-1/2-147
Amerikanische Literaturgeschichte / unter Mitarb. von Helmbrecht Breinig ... hrsg. von Hubert Zapf. - Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1996. - XII, 595 S. ; 25 cm. - ISBN 3-476-01203-4 : DM 49.80
[3653]

Die von Hubert Zapf herausgegebene einbändige Literaturgeschichte der USA und Kanadas ist ein Gemeinschaftswerk deutscher Amerikanisten und Kanadisten. Sie ähnelt in der Aufmachung, Konzeption, Struktur und den Zielen der Darstellung der im gleichen Verlag erschienenen Englischen Literaturgeschichte.[1] Sie will "in sechs größeren Epochenblöcken die historische Entfaltung der amerikanischen Literatur unter problem-, stil- und gattungsgeschichtlichen Gesichtspunkten" nachzeichnen und "an ausgewählten Autoren und Werken" (S. X) demonstrieren. In einem zweiten Teil soll der "multikulturelle Aspekt der amerikanischen Literatur ... in jeweils eigenen Beiträgen über indianische, afroamerikanische, jüdisch-amerikanische, Chicanoliteratur und asiatisch-amerikanische Literatur" (S. X - XI) dargestellt werden. Ein Überblick zur Literaturkritik und Literaturtheorie schließt sich an. Als letztes Kapitel folgt dann die Literatur Kanadas - die andere nordamerikanische Literatur. Eine Bibliographie von 16 Seiten, ein Register und das Verzeichnis der Bildquellen schließen den Band ab. Wie in der Englischen Literaturgeschichte tragen Illustrationen, wichtige Inhaltsstichpunkte als Randglossen und typographisch hervorgehobene Zwischenüberschriften zur leichteren Aufnahme des Stoffes und zur Auflockerung des Textes bei.

Diese Literaturgeschichte kann als weitgehend gelungen gelten - und dies insbesondere im Bereich der ethnischen Literaturen im Kapitel Multikulturalität. Zweifel bleiben jedoch einerseits an der Konzeption des Bandes, vornehmlich an der Einbeziehung der englischsprachigen Literatur Kanadas und an der Gewichtung der Einzelkapitel, andererseits an der Funktion als Nachschlagewerk, die ja auch von einer Literaturgeschichte zu erwarten ist. In einer einbändigen Literaturgeschichte, der ersten eigenständigen, nachdem die Werke von Walter Pache und Konrad Groß nicht als Literaturgeschichten im vollen Sinn des Wortes konzipiert oder nutzbar waren,[2] bleibt nicht genügend Raum, um der kanadischen Literatur gerecht zu werden, in der natürlich Lyrik[3] und Prosa Vorrang erhalten, und das moderne Drama auf knappstem Raum angesprochen wird, so daß für George Ryga oder John Coulter der Platz nicht mehr reicht. Ein eigenständiger Band für Kanada, vielleicht zusammen mit einer Darstellung der franko-kanadischen Literatur, erscheint in mehrfacher Hinsicht sinnvoller.[4]

Zweifel an der Gewichtung und Raumzuweisung ergeben sich auch an anderen Stellen. Eine einbändige Literaturgeschichte erzwingt naturgemäß massive Beschränkungen und eine scharfe Auswahl, und die beabsichtigte "bewußt Schwerpunkte setzende, exemplarisch auswählende Vorgehensweise, die typische Tendenzen, Autoren und Texte ... herausgreift und an charakteristischen Beispielen vorstellt" (S. XI), kommt auch dem Leser entgegen. Dennoch bleibt das Ergebnis problematisch, wenn, dieses Beispiel mag genügen, in der modernen amerikanischen Lyrik Autoren wie Elizabeth Bishop, John Hollander oder Randall Jarrell außer Acht gelassen werden. Andererseits bedingt das selbständige Kapitel zur Literaturkritik und Literaturtheorie zwangsläufig Doppelungen insbesondere in den Abschnitten Die amerikanische Moderne und Postmoderne bis zur Gegenwart, so daß etwa der New historicism doppelt behandelt wird.

Der zweite Hauptpunkt der Kritik gilt, wie schon bei der Englischen Literaturgeschichte, den deutlichen Defiziten im Nachschlagewert - insbesondere in der Bibliographie und im Register. So erschließt, um mit dem letzteren zu beginnen, das insgesamt knapp gehaltene, aber ansonsten sorgfältig erarbeitete Register nur Personen und Werke, so daß, um nur zwei Beispiele herauszugreifen, Informationen zum Objectivism oder zur Yale School nicht darin gefunden werden können. In der leider nicht annotierten, nur nach den Kapiteln grob gegliederten Bibliographie ist die schnelle Grundinformation etwa zu Standardausgaben der Autoren oder zu Sekundärtiteln nicht möglich, so daß der Band hier hinter den Leistungen älterer, inzwischen freilich zum Teil überholter deutschsprachiger Darstellungen zurückbleibt. Dies gilt umso mehr, als die Bibliographie in einigen Abschnitten bei einer ansonsten recht guten Auswahl grundlegende Titel außer Acht läßt[5] oder überholte Auflagen[6] nennt. Eine Reihe von Druckfehlern oder Versehen[7] wäre ebenfalls in einer eventuellen Neuauflage zu berichtigen.

Unabhängig von der speziellen Fachdiskussion, auf die hier nicht eingegangen werden kann, liegt mit diesem Werk eine in der Darstellung verläßliche, leserfreundliche, preisgünstige, allerdings in manchen Aspekten verbesserungswürdige Literaturgeschichte vor, die im zentralen Lesesaal wie auch in Fachbibliotheken anzubieten sein wird.

Sebastian Köppl


[1]
Englische Literaturgeschichte / unter Mitarb. von Stephan Kohl ... hrsg. von Hans Ulrich Seeber. - 2. Aufl. - Stuttgart [u.a.] : Metzler, 1993. - X, 461 S. : Ill. ; 25 cm. - ISBN 3-476-00911-4 : DM 39.80 [1683]. - Vgl. IFB 95-1-085. (zurück)
[2]
Einführung in die Kanadistik / Walter Pache. - Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1981 (mit einem mustergültigen, wenn auch inzwischen teilweise veralteten Kapitel 9 Bibliographische Hinweise, S. 119 - 143). - Kanada / Konrad Groß ; Walter Pache. - München : Fink, 1987 (in der wichtigen Reihe Grundlagen zur Literatur in englischer Sprache, die leider noch nicht komplettiert wurde). (zurück)
[3]
Daß dabei Autoren wie Margaret Avison, Clark Blaise, Ralph Gustafson, Norman Levine oder Jay Macpherson wohl aus Platzgründen nicht aufgenommen werden konnten, oder der Kritiker E. K. Brown entfallen mußte, beeinträchtigt den Wert dieser Literaturgeschichte. (zurück)
[4]
Die vielschichtige und offene Frage einer eigenständigen kanadischen Nationalliteratur kann hier aus Platzgründen nicht angesprochen werden. (zurück)
[5]
Obwohl es sich hier zugegebenermaßen um Ermessensfälle handelt, erschienen dem Rezensenten folgende Nachträge zu den einzelnen Kapiteln nötig (aus Platzgründen werden nur Titel und Verfasser bzw. Herausgeber genannt):
God's altar : the world and the flesh in puritan poetry / Robert Daly. - Errand into the wilderness / Perry Miller. - The life of the mind in America : from the revolution to the civil war / Perry Miller.
The rise of the American novel / Alexander Cowie. - Chicago Renaissance : the literary life in the Midwest, 1900 - 1930 / Dale Kramer. - The modern American novel, 1914 - 45 : a critical history / Linda Wagner-Martin.
Enlarging the temple : new directions in American poetry during the 1960s / Charles F. Altieri. - From modern to contemporary American poetry, 1946 - 1965 / James E. B. Breslin. - The dance of the intellect : studies in the poetry of the Pound tradition / Marjorie Perloff.
Black poets of the United States : from Paul Laurence Dunbar to Langston Hughes / Jean Wagner. Transl. K. Douglas.
On deconstruction : theory and criticism after structuralism / Jonathan Culler. - Feminist studies / Critical studies / ed. Teresa DeLauretis. - Changing our own words : Essays on criticism, theory, and writing by black women / ed. Cheryl A. Wall.
Beim Kanada-Teil wäre nachzutragen:
The Oxford companion to Canadian theatre / ed. Eugene Benson. - Canadian fiction / Joseph Jones ; Johanna Jones. - The lovely treachery of words : essays, selected and new / Robert Kroetsch. - Introduction to Canadian poetry und Introduction to Canadian fiction / George Woodcock (es handelt sich um die überarbeiteten Einführungen zu den ECW-Bänden). (zurück)
[6]
Da das Manuskript im Juni 1996 abgeschlossen wurde, hätten beispielsweise folgende Auflagenangaben aktualisiert werden müssen:
Die amerikanische Kurzgeschichte / Günter Ahrends. - 3., verb. und erw. Aufl., 1966 (S. 561). - The Oxford companion to American literature / James D. Hart. - 6. ed. with rev. and add. / by Phillip W. Leininger. - 1995 (S. 562). - S.u. IFB 97-1/2-149. (zurück)
[7]
Die Berichtigung der Beispiele lautet wie folgt:
Alfred Hornung, Lexikon amerikanische Literatur (S. 561). - Garff B. Wilson, Three hundred years... : from Ye bare ... (S. 562). - Terrence Erdt, Jonathan Edwards (S. 563). - Jeanetta Boswell, The American Renaissance and the critics, (S. 565). - Bernard Sherman, The invention of the Jew, (S. 573). (zurück)

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