Zu Einheitlichkeit und Übersicht trägt die Tatsache bei, daß die Kapitel zu den einzelnen Epochen jeweils der gleichen Gliederung in die drei Schritte folgen: 1. Grundzüge der Epoche, 2. Gattungen, 3. Autoren. Die Schematik schließt leichte Variationen nicht aus; so ist z.B. bei der frühneuzeitlichen Literatur den Gattungen je ein Abschnitt zur neulateinischen und zur volkssprachigen Literatur vorangestellt. Hervorgehoben sei, daß diese an ein breites Publikum gerichtete Einführung der Zeit von den Anfängen bis zu Hans Sachs immerhin etwa ein Drittel des ersten Bandes einräumt. Da dieses Werk künftig für viele junge Leser vielleicht die erste Begegnung mit einer Literaturgeschichte bieten wird, sei die Berücksichtigung der historischen Tiefendimension als ein besonders erfreuliches Moment hervorgehoben.
Der Auswahl der Autoren, denen eigene Abschnitte gewidmet sind, wird man im allgemeinen zustimmen. Auch die Wirkungsgeschichte dieser Autoren wird zumindest knapp berührt. Manche eher unerwartete Erwähnung en passant trägt dazu bei, einen Eindruck von der Vielfalt der literarischen Erscheinungen zu vermitteln: So gehört der hier gleich zweimal vorkommende Rudolf Pannwitz zu den sonst durchweg übersehenen Autoren. Nicht recht einleuchten will indes, daß Johann Peter Hebel überhaupt nicht vorkommt und Gotthelf keinen eigenen Abschnitt erhält. Aus den Fugen geraten sind die Proportionen auch, wenn Gottfried August Bürger in einem eigenen Abschnitt behandelt wird, Matthias Claudius jedoch nur zweimal im Vorübergehen erwähnt wird. Da schleppen sich Klischees vom Frömmler und Idylliker fort, die von Georg Gottfried Gervinus (1842) über Hermann Hettner (1855), Wilhelm Scherer (1883) und Ferdinand Josef Schneider (1924 bzw. 1952) bis in die jüngste Gegenwart reichen. In die Welt gesetzt worden sind sie von Anhängern der Französischen Revolution, denen jeder Autor suspekt erschien, der, wie Claudius, sich nichts von einer Veränderung der Verhältnisse, sondern allenfalls etwas von einer Umkehr des Menschen erwartete. Die von der jüngeren Forschung aufgezeigte Wirkung des Wandsbeckers - etwa bei Arthur Schopenhauer, der in seinem Frankfurter Arbeitszimmer ein Porträt von Claudius zusammen mit einem solchen von Kant in einem Rahmen an der Wand hängen hatte, oder im Alterswerk des inzwischen ja auch nicht mehr als Idylliker verkannten Wilhelm Raabe bis hin zu Arthur Schnitzler - sollte allmählich Einzug in die Literaturgeschichten halten.
Das Werk enthält außer Registern der Namen in beiden Bänden keinen
Apparat, auch keine bibliographischen Hinweise. (Darin unterscheidet
es sich, abgesehen von dem früheren zeitlichen Einsatz, z.B. von der
Literaturgeschichte Peter J. Brenners.[1]) Die sehr lesbar geschriebenen
Bände eignen sich zur schnellen Information über grundlegende Fakten
und Zusammenhänge ebenso wie zur fortlaufenden Lektüre. Man kann sie
Oberstufenschülern und Studienanfängern besten Gewissens empfehlen.
Hans-Albrecht Koch
[2]Neue deutsche Literaturgeschichte / Peter J. Brenner. - 1996.
- Vgl. IFB 96-4-448.
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