Besonders konzentriert sich die Arbeit auf den kinderÄ und jugendliterarischen Aspekt der Volksaufklärung und versteht sich als "Beitrag zu einer interdisziplinär erst noch zu intensivierenden Debatte" (S. 19). Am Beispiel solcher Praktiker und Autoren der Volksaufklärung wie Johann Georg Schlosser, Friedrich Eberhard von Rochow, Rudolph Zacharias Becker, Christian Gotthilf Salzmann und Johann Peter Hebel wird jener Prozeß der Literarisierung untersucht, der Ende der sechziger Jahre begann, nachdem die ersten Aufklärungsversuche seit der Mitte des 18. Jahrhunderts mit sachbezogenen ökonomischen und naturwissenschaftlichen Schriften sich als wenig rezipientengerecht erwiesen hatten. Die Arbeit stellt einen wesentlichen Beitrag zur Geschichte der Volksaufklärungsliteratur dar, deren Facettenreichtum am Beispiel besonders bekannter Autoren, aber durchaus repräsentativ gezeigt wird. Sachbücher, Katechismen, Landschullesebücher, unterhaltsame "Volksschriften", Zeitungen und Zeitschriften, Romane, Erzählungen und Kalender sind die literarischen und publizistischen Formen, die den Aufklärern zur Ansprache des "Volkes" Ä gemeint sind die weniger gebildeten Teile der Bevölkerung - und von Kindern zur Verfügung standen. Nachgezeichnet werden über einen Zeitraum von einem halben Jahrhundert auch die theoretischen Diskussionen, die zur Verfeinerung der erzählerischen Vorgehensweise und zur spezifischen Gewichtung von Belehrung und Unterhaltung führten. Zu Recht betont die Verfasserin dieser sorgfältigen und lesenswerten Arbeit, daß die Volksaufklärung ein eigenes literarisches Profil gewann, das die Lektüre der entsprechenden Schriften zu einer aufschlußreichen Erkundung auf noch weitgehend unbekanntem Terrain werden läßt.
Eine eigene Leistung stellt die Bibliographie zur Volksaufklärungsliteratur dar, die sich als Ergänzung und Zusammenfassung bereits veröffentlichter Literaturverzeichnisse zur deutschsprachigen Volksaufklärung versteht. Sie umfaßt ca. 800 Titel, wobei in zwei Alphabeten belehrende und unterhaltende Volksaufklärungsschriften sowie theoretische Schriften zur Volksaufklärungsdiskussion und zur zeitgenössischen Volksaufklärungstheorie geboten werden. Ein Teil der Schriften wurde nach Autopsie verzeichnet und ist mit Standortangaben versehen.
Der erste Teil der Bibliographie enthält an Landleute und deren Kinder
adressierte, belehrende und durch Einlagerung belletristischer Anteile
zugleich unterhaltende Volksaufklärungswerke, deren erzählerische
Einkleidung unterschiedlich stark ausgeprägt von der Einlagerung
einzelner Lieder und Beispielgeschichten oder Gestaltung in Form eines
Gesprächs bis zu romanhaften Werken mit RahmenÄ und Binnenhandlungen
reicht. Bewußt nicht mit aufgenommen wurden so die für die erste Phase
der Volksaufklärung mit literarischen Mitteln wichtigen Schriften der
ökonomischen und landwirtschaftlichen Belehrung, die sich auf die
sachliche Weitergabe neuer naturwissenschaftlicher Kenntnisse an die
bäuerliche Bevölkerung beschränken, zum Teil aber besonders in den
Vorreden sehr interessante Überlegungen zu den Strategien der
Volksaufklärung enthalten. Bei einigen Schriften Ä so z.B. bei einem
Titel wie Allerlei für Deutschlands Jünglinge in allen Ständen,
Stendal 1783 Ä läßt sich darüber streiten, ob hier nicht vor allem
bürgerliche Leser angesprochen wurden, auch einige ABCÄBüchlein,
RechenÄ oder Gesangbücher für BürgerÄ und Landschulen werden sich
schwerlich als unterhaltende Volksaufklärungsschriften ansprechen
lassen. Ulrich Bräkers Autobiographie war zunächst sicher nicht als
Lektüre für einfache Leser konzipiert, bietet aber immerhin wichtige
Aufschlüsse über die Mentalität der unteren Stände und somit
Informationen über die Umstände, die die Volksaufklärer bei der
Abfassung ihrer Schriften zu bedenken hatten. Die meisten Titel sind
lediglich mit der Auflage verzeichnet, die von der Autorin benutzt
wurde, auf die Ermittlung der für die Wirkung der Volksaufklärung
wichtigen, oft sehr zahlreichen Neuauflagen und Nachdrucke wurde in
der Regel verzichtet. Solche Einschränkungen sind bei der Benutzung
der ansonsten nützlichen Bibliographie zu bedenken, der es als
ungewöhnlich umfangreiches Quellenverzeichnis zu einer guten
Dissertation dann doch an der einer Bibliographie nötigen
konzeptionellen Durchdringung mangelt. Immerhin aber geht dieses
Literaturverzeichnis einiges über das hinaus, was bisher an Titeln
bekannt war, so daß es gemeinsam mit einigen genannten, aber
nicht eingearbeiteten Bibliographien für weitergehende Forschungen zur
Volksaufklärung zunächst den Ausgangspunkt bilden wird.[1]
Holger Böning
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