Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 1/2
[ Bestand in K10plus ]

Feministische Philosophie


97-1/2-115
Feministische Philosophie : Bibliographie 1970 - 1995 / hrsg. von Marion Heinz und Sabine Doyé. - Bielefeld : Kleine, 1996. - 425 S. ; 21 cm. - ISBN 3-89370-218-0 : DM 46.00
[3717]

Was ist "Feministische Philosophie"? Welches Forschungsfeld wird in dieser Veröffentlichung bibliographisch dokumentiert? Gibt es eine Form des Philosophierens, die gerade für Frauen von Belang ist? - Konfrontiert mit dem Titel der hier vorzustellenden Bibliographie, drängen sich derartige Fragen auf. Denn es hat weder das Anliegen des Feminismus genuin etwas mit Philosophie zu tun, noch kennt Philosophie ein ureigenes Interesse an der feministischen Perspektive. In ihrem Vorwort nehmen die beiden Herausgeberinnen eine aufschlußreiche, wenngleich für den unbefangenen Nutzer allzu komprimierte Auslegung des Terminus "Feministische Philosophie" vor. Sie gipfelt in der zentralen These, daß diese "traditionelle philosophische Theorien in Hinsicht auf ihre herrschaftsstabilisierende Funktion untersucht". Welche Nutzungshinweise sind dieser Feststellung zu entnehmen? In dem hier verfolgten Verständnis zeichnet sich Feministische Philosophie durch die folgenden wesentlichen Begriffselemente aus: Feministischer Philosophie geht es nicht darum, den Anteil der Frauen am philosophischen Geschäft - und das heißt auch: an der Geschichte der Philosophie - herauszuarbeiten.[1] Und ihr liegt auch nicht daran, "frauenspezifische Themenfelder als neue Disziplin zu etablieren und dadurch die kanonisierten Gebiete philosophischen Denkens zu ergänzen". Ihr Interesse - die vielfältigen Diskriminierungen von Frauen in allen Lebensbereichen vor Augen - liegt vielmehr darin, "die Ursachen und Mechanismen der hierarchischen Geschlechterordnung zu erkennen und Konzepte für eine emanzipatorische Praxis zu erarbeiten". Damit sucht sie Philosophie in der Tradition von Aufklärung, Liberalismus und Marxismus, d.h. im Blick auf eine Befreiung 'beider' Geschlechter des Menschen voranzutreiben.[2]

Die Bibliographie strebt keine Vollständigkeit an, weder im Blick auf den thematisch überhaupt relevanten Zeitraum noch hinsichtlich der an der weitverzweigten feministischen Diskussion beteiligten Disziplinen. So ergibt sich die Berichtszeit (1970 - 1995) aus dem Entstehungskontext der modernen Frauenbewegung gegen Ende der sechziger Jahre. Und so beschränkt sich die - neben der philosophischen Zentrierung intendierte - Interdisziplinarität des Unternehmens auf wenige ausgewählte Bereiche einer weiblichen Kultur in der Wissenschaft. Hierzu entwickelt das Inhaltsverzeichnis das folgende Spektrum: I. Schwerpunktthemen feministischer Theorie (S. 9 - 34). II. Philosophie - gegliedert nach traditionellen systematischen Teilgebieten sowie Kritik der philosophischen Klassiker; Rezeption und Kritik philosophischer Theorien der Gegenwart; Französischer Feminismus (S. 34 - 294). III. Angrenzende Gebiete: dazu zählen Psychologie, Soziologie sowie Kunst-, Literatur-, Sprachtheorie (S. 295 - 384). Unter IV. sind Bibliographien/Lexika (S. 384 - 388), unter V. Feministische Zeitschriften (S. 389 - 390) nachgewiesen.

Insgesamt sind - in durchnumerierter Folge - 3219 Monographien und Aufsätze vorwiegend in deutscher und englischer Sprache verzeichnet. Die hohe Titelzahl, die für diese Fülle (wie oben ausgeführt) entworfene Gliederung und das Nicht-Zurückschrecken der Herausgeberinnen vor dem Dilemma der Unvollständigkeit machen den Wert der Bibliographie aus. Hingegen lassen die Form der Titelbeschreibung und das Niveau der bibliographischen Erschließung sehr viel an Konzeptualisierung und Präzision zu wünschen übrig. Hinzu kommt, daß man vergeblich eine Darlegung und Kommentierung der Verzeichnungsgrundsätze sucht, so daß erst die reale Nutzung Logik und Intention der bibliographischen Anlage zu erkennen gibt.

Es handelt sich um eine reine Titelbibliographie ohne Annotationen. Wie die Literatur recherchiert, im Aspekt der Lückentoleranz gewichtet und zusammengetragen wurde und ob die Verzeichnung auf Autopsie beruht, erfährt man nicht. Keine Begründung gibt es auch für die Dürftigkeit der Titelinformation, d.h. dafür, daß wichtige, eigentlich unverzichtbare Elemente der Titelbeschreibung (Verlag, Umfang, Auflage, Serienzugehörigkeit; Zusammenführung von Einzelbänden unter dem Titel des Gesamtwerks) durchgängig fehlen. Es gibt ein Register der Autoren, der Personen und auch der "Stichworte" (!). Jedoch sind letztere größtenteils ins Deutsche übersetzt und so in ihrer Referenzfunktion sehr unzuverlässig, mithin als Zugriffsmöglichkeiten formaler Art nur eingeschränkt aussagekräftig und nutzbar. Es fehlt - neben einem stringent angelegten Sachregister - ein veritables Sachtitel-Register (in der originalsprachlichen Fassung), mit dessen Hilfe man z.B. einen Titel auch dann finden könnte, wenn der Verfassername nicht bekannt ist.

Diese titelreiche Bibliographie wird dem an Neuigkeitscharakter und Forschungslage Feministischer Philosophie Interessierten nützlich sein; unter formalem Aspekt handelt es sich um eine mit großen Schwächen behaftete, letztlich nicht zufriedenstellende Titelkompilation.

Gabriele Dreis


[1]
Den Beitrag von Frauen zur Geschichte der Philosophie untersucht die "Philosophische Frauenforschung". Dazu: Women philosophers : a bio-critical source book / Ethel M. Kersey. - New York [u.a.] : Greenwood Press, 1989. - XI, 230 S. - ISBN 0-313-25720-5. - Women philosophers : a bibliography of books through 1990 / Else M. Barth. - Bowling Green, Ohio : Philosophy Documentation Center, 1992. - 213, [22] S. - ISBN 0-912632-91-7. (zurück)
[2]
Hier zwei weitere Bibliographien, die aktuelle Ansätze feministischen Philosophierens als Kritik der abendländisch-patriarchalen Denkwelt dokumentieren: Women's studies and philosophy : an international bibliography on feminist sources with an accent on sexual differences and theories of the subject / comp. by Rosi Braidotti ... - Utrecht : Interfaculty Department of Women's studies, University of Utrecht, 1990. - V, 89 S. - (Bibliografische reeks vrouwenstudies Utrecht ; 4) - ISBN 90-72650-04-2. - Kommentierte Bibliographie zur Feministischen Ethik / Susanne Degen. - Frankfurt am Main : Oswald von Nell-Breuning-Inst. für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik, 1994. - 61 S. - (Frankfurter Arbeitspapiere zur gesellschaftsethischen und sozialwissenschaftlichen Forschung ; 7) (zurück)

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