Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 1/2
[ Bestand in K10plus ]

Die Bestände der Stiftung Archiv der Parteien und


97-1/2-104
Die Bestände der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv : Kurzübersicht / hrsg. von der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv. Red.: Elrun Dolatowski ... - Berlin : Edition Colloquium, 1996. - 178 S. ; 21 cm. - ISBN 3-89166-127-4 : DM 19.80
[3978]

Die Kurzübersicht über die Bestände der großen Sammlung der Archive und Bibliotheken der SED, der meisten Blockparteien (außer der Ost-CDU und der LDPD - hier haben die Archive der Westparteien zugegriffen), der Gewerkschaften, vieler "Massenorganisationen" und einiger (quasi staatlicher) Institutionen, die 1992 durch Gründung einer unabhängigen Stiftung des öffentlichen Rechts im Bundesarchiv in Berlin zusammengezogen wurden, kann auf 178 sehr groß bedruckten Seiten wirklich nur einen kleinen Einblick geben, was hier für die Erforschung der Ehemaligen dauerhaft gesichert wurde und benutzbar gemacht wird. Doch die Bestände umfassen weit mehr: die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, der kommunistischen Bewegung (auch international), Archive von Verlagen, Zeitungen und Zeitschriften, private Nachlässe - jeweils mit Gedrucktem und Archivalien. Zudem bringt das Bundesarchiv die Bibliotheksbestände zur deutschen Geschichte in die Stiftung ein (u.a. die Druckschriften der NSDAP). Die Bibliothek wird mit einem beachtlichen Erwerbungsetat gepflegt. Der Fachwissenschaftler erkennt also recht schnell, daß ein Forschungsaufenthalt lohnt (Benutzungsordung wie Dokumente zur Verfassung der Stiftung finden sich im Anhang).

Obwohl das Bändchen weder ein Katalog, ein Inventar- oder Nachlaßverzeichnis sein kann und will, ist es trotzdem in vielerlei Hinsicht enttäuschend dünn und teilweise sogar irritierend.

Die Kurzübersicht gliedert sich in Schriftgut von Parteien und Organisationen, Bibliotheksgut und weitere Sammlungen (u.a. Flugblätter, Plakate, Photos, Filme usw.) mit knapper Beschreibung und Umfangsangabe der Teilbestände. Nennung von einzelnen Titeln (z.B. von Zeitungen oder Zeitschriften) ohne Bestandsangaben helfen dem Bibliothekar in der Auskunft wenig und der Wissenschaftler erwartet von einer Verzeichnung von persönlichen Nachlässen neben dem Geburts- und Sterbejahr mit Recht eine knappe Angabe über Beruf und Funktion des Nachlassers. Hier wie auch bei der Verwendung von Abkürzungen setzen die Autoren beim Benutzer viel an Spezialwissen voraus (ein Abkürzungsverzeichnis findet sich aber im Anhang). Hier ist die vermutlich große Vertrautheit der Autoren mit der Materie eher hinderlich, wie auch die DDR-Terminologie teilweise befremdet: so ist von Organen des Staates selbst in Bezug auf das 19. Jahrhundert die Rede, die Bezeichnung Institute der SED dagegen ist zu neutral für SED-unmittelbare Parteieinrichtungen (wie z.B. das Zentralinstitut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED). Bei Archivgut wird unter Gesellschaftliche Organisationen der Bund der Architekten genauso gefaßt wie die FDJ, der Frauenbund oder der Verlag Junge Welt, ebenso: die SED wird wie eine Partei unter vielen behandelt. - Hier müßte man einen systematisierenden Zugriff erwarten, der sich dann abhebt von der rein zitierenden Auflistung z.B. verschiedener Abteilungen von Organisationen, die sozusagen im "O-Ton" der DDR widergegeben werden.

Mangelnde Distanz zum archivierten Gegenstand wird auch im beschreibenden Text deutlich, denn der "Umzug nach Lichterfelde" (S. 57) sagt nur dem Wissenschaftler etwas, der den Ort der Stiftung auf dem Berliner Stadtplan sucht. Hier angekommen ist das Bändchen dem Forscher nicht mehr sehr hilfreich, denn es suggeriert z.B. die Existenz eines Sachkataloges, der sich am Ort als Systematischer Katalog des Instituts für ML beim ZK der SED herausstellt.

Das Register ("Sachindex") ist leider zu knapp gehalten und nicht zuverlässig (fehlende Einträge, z.B. Der Morgen oder Verweisungen: der Deutsche Turn- und Sportbund ist nicht unter Sportbund zu finden usw.). Kleinere Fehler sind störend,[1] mindern aber nicht den Wert des Bändchens als kurze Übersicht über eine noch viel zu wenig bekannte Sammlung.

Klaus Ulrich Werner


[1]
Die KPD-Organisation im Pariser Exil CALPO heißt nicht Komitee Befreites Deutschland, sondern Freies Deutschland, Comité Allemagne Libre Pour l'Ouest (S. 23). (zurück)

Zurück an den Bildanfang