Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 1/2
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Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur


97-1/2-078
Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur / hrsg. von Bettina Hurrelmann. - Orig.-Ausg. - Frankfurt am Main : Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1995. - 581 S. ; 19 cm. - ([Fischer-Taschenbücher] ; 12668). - ISBN 3-596-12668-1 : DM 24.90
[2912]

Der Begriff "Klassiker" wird in der vorliegenden Publikation nicht im literaturwissenschaftlichen Verständnis verwendet. In der Kinder- und Jugendliteratur gibt es - anders als in der allgemeinen Literaturgeschichte - keine klassische Epoche und die ästhetische Musterhaftigkeit, die den klassischen Werken der großen Literatur nachträglich zugesprochen worden ist, hat sich als notwendige Bedingung für den Kinder- und Jugendbuchklassiker nicht durchsetzen können.

Als "Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur" wurden "Lieblingsbücher, deren zähe Tradierung sich oft gegen Pädagogenurteile, ideologiekritische Einwände und literarische Verrisse durchgehalten hat", ausgewählt. Der "Klassikerstatus" wurde Büchern zugesprochen, "die durch Beliebtheit bei Kindern, Tradition über mehrere Generationen, Bearbeitung oder verschiedene mediale Verwertungen" ihren Gebrauchswert für Kindern unter Beweis gestellt haben. Unter den drei großen Gruppen von Klassikern für die Jugend, die man nach ihrer Herkunft unterscheiden kann - den Werken mit volksliterarischem Ursprung, den Jugendbearbeitungen von Texten der Weltliteratur und den eigens für Heranwachsende verfaßten Werken - haben die Herausgeber nur die letztere Gruppe berücksichtigt, die sogenannte spezifische Kinder- und Jugendliteratur. Die Herausgeber gingen davon aus, daß in der Gegenwart die modernen Medien den wesentlichen Anteil an der Tradition der Kinder- und Jugendbuchklassiker haben. Klassisch dürften heute weniger die Werke als die Stoffe und Figuren der Bücher sein. Die Beiträge zu den einzelnen "Klassikern" wollen nun die bekannten Figuren wieder in die Texte zurückholen, die Stoffe wieder mit den Erzählungen und ihren historischen Voraussetzungen verbinden, den Leseerinnerungen eine zweite, reflektierte Lesart an die Seite stellen. So werden 27 Klassiker vorgestellt. Die Beiträge stammen aus einer Ringvorlesung von neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Arbeitsstelle für Leseforschung und Kinder- und Jugendmedien an der Universität zu Köln. Die einzelnen Beiträge bieten sorgfältige literarische Analysen, untersuchen die Wirkungsgeschichte und begründen wie und wodurch das jeweilige Werk zu einem Klassiker wurde. Die Darstellung der Wirkungsgeschichte erfolgt in unterschiedlicher Intensität. Nicht immer wird der Erfolg eines Werkes durch Auflagenzahlen, Übersetzungen oder mediale Verwertung belegt. Die Auswahl der Werke ist natürlich subjektiv. Sie reicht von E.T.A. Hoffmanns Nußknacker und Mäusekönig bis Janosch's O wie schön ist Panama und bildet mit Max und Moritz, dem Struwwelpeter, Alice im Wunderland, Tom Sawyer, Pinocchio, Trotzkopf, Heidi, Nesthäkchen, Pippi Langstrumpf und anderen einen Kanon der bekanntesten Titel der Kinder- und Jugendliteratur. Bei Wind in den Weiden von Kenneth Graham muß man allerdings an seine Zugehörigkeit als Klassiker in Deutschland zweifeln. Gibt es doch von diesem erstmals 1908 in englischer Sprache erschienenen Werk lediglich vier deutschsprachige Ausgaben von denen nur eine eine Nachauflage erlebte. Alfred Weidemanns erstmals 1953 erschienenes Buch Gepäckschein 666 wird als "äußerst erfolgreicher Longseller" vorgestellt, für das Prädikat, "Klassiker" werden die anfangs genannten Kriterien nicht geliefert. Bilderbeispiele und eine ausführliche Bibliographie ergänzen die Beiträge, die insgesamt einen interessanten Einblick in die Geschichte der Kinderliteratur bieten.

Heinz Wegehaupt


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