Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 1/2

Katalog prvotisku zámeckych a hradních knihoven v Ceské


97-1/2-039
Katalog prvotisku zámeckych a hradních knihoven v Ceské Republice / za vedení Jitky Simákové zpracovali: Eduarda Machácková ... - Praha : Národní Muzeum, 1991 - 1992. - C. 1 - 4 ; 24 cm. - (Sborník Národního Muzea v Praze : Rada C, Literární historie ; ...). - Übers. des Sacht.: Inkunabelkatalog der Schloß- und Burgbibliotheken in der Tschechischen Republik. - Kcs. 80.00. - (Národní Muzeum, Knihovna, Václavské nám. 68, CS-11579 Praha 1)
[1851]
[C. 1]. - 1991. - S. 1 - 84. - (... ; 33, 1988,3/4)
C. 2. - 1991. - S. 85 - 206. - (... ; 34, 1989,1/4)
C. 3. - 1991. - S. 207 - 268. - (... ; 35, 1990,1/2)
C. 4. - 1992. - S. 269 - 407 : Ill. - (... ; 35, 1990,3/4)

Böhmen und Mähren sind wie andere Regionen Mitteleuropas immer noch sehr reich an Burgen und Schlössern. Obwohl gerade diese Region wie kaum eine andere seit den Hussitenkriegen des frühen 15. Jahrhunderts bis in unsere Tage immer wieder von Kriegen mit ihren unseligen Begleiterscheinungen wie Zerstörung und Plünderung heimgesucht wurde, ist es erstaunlich und erfreulich, daß sich trotzdem bis heute über 320 größere und kleinere Burg- und Schloßbibliotheken erhalten haben mit einem Gesamtbestand von mehr als 1.600.000 Bänden, die einen Zeitraum vom 9. bis 20. Jahrhundert umspannen. Seit 1954 werden diese Bibliotheken vom tschechischen Nationalmuseum in Prag betreut, das auch für die Katalogisierung der Bestände zuständig ist. Bis zum Beginn der neunziger Jahre wurden bereits mehr als 400.000 Titel für den Gesamtkatalog der tschechischen Schloßbibliotheken im Prager Nationalmuseum aufgenommen. Als gedruckter Sonderkatalog erschien in den Jahren 1991 - 1992 der vorliegende Gesamtkatalog der heute noch in den genannten Bibliotheken vorhandenen Inkunabeln. Er umfaßt in alphabetischer Folge der Verfasser und Sachtitel genau 1031 Exemplare (= 1007 Nummern + 24 Zusatznummern). Nur in 36 der mehr als 320 Bibliotheken konnten Inkunabeln ermittelt werden. Das Gros mit jeweils 100 bis 200 Exemplaren stammt jedoch aus fünf Bibliotheken, die zum Teil illustre Vorbesitzer haben.[1]

Aus deutscher und insbesondere süddeutscher Sicht ist die Schloßbibliothek von Königswart (heute Kynzvart) bei Marienbad, die den Fürsten von Metternich gehörte, von größtem Interesse. In ihr ist ein großer Teil (und sicher der wertvollste) der Bibliothek des ehemaligen Benediktinerklosters Ochsenhausen in Oberschwaben im heutigen Landkreis Biberach enthalten. Dies hängt mit den politischen Verhältnissen Oberschwabes am Anfang des 19. Jahrhunderts zusammen. Durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 wurde den Reichsgrafen von Metternich als Entschädigung für an Frankreich verlorengegangene linksrheinische Gebiete der größte Teil des Gebiets des nunmehr säkularisierten ehemals reichsunmittelbaren Klosters Ochsenhausen zugesprochen darunter das Kloster selbst. Außerdem erhielten sie den Fürstentitel. 1825 verkaufte der österreichische Staatskanzler Fürst Clemens Wenzel von Metternich das Kloster und die dazugehörenden Liegenschaften an den württembergischen Staat. Die Klosterbibliothek war jedoch ausdrücklich vom Verkauf ausgenommen. Den nach seiner Einschätzung wertvollsten Teil der Bibliothek ließ Metternich auf sein böhmisches Schloß Königswart bringen, wo er sich bis heute befindet. Insgesamt lassen sich heute in Königswart noch etwas mehr als 4000 Bände nachweisen, die mit Sicherheit aus Ochsenhausen stammen, darunter die 115 Inkunabeln, die im vorliegenden Katalog verzeichnet sind. Leider wurde ein beträchtlicher Teil der ehemaligen Klosterbibliothek nach der Sichtung durch Metternich auf Auktionen versteigert. Der Rest wurde als Makulatur nach Biberach verfrachtet, wo sich seine Spur verliert. Deshalb sind versprengte Teile der Ochsenhausener Bibliothek heute über die ganze Welt verstreut. Fünf Ochsenhausener Inkunabeln, die 1855 mit der Bibliothek der Freiherrn Joseph von Laßberg (1770 - 1855) in die Fürstenbergische Hofbibliothek nach Donaueschingen gelangt waren, wurden am 1. Juli 1994 in London versteigert.[2] Nur ganz wenige Bände aus der Ochsenhausener Bibliothek fanden im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts ihren Weg in die für Ochsenhausen eigentlich zuständige Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart.[3] Erst 1993 kehrte ein kleiner Teil der Ochsenhausener Bücherschätze für ein paar Monate nach Ochsenhausen zurück. Anlaß war eine Ausstellung zur Erinnerung an die Gründung des Klosters im Jahre 1093 (also vor 900 Jahren), die vom tschechischen Staat durch großzügige Leihgaben aus der Schloßbibliothek Königswart ermöglicht wurde.[4]

Auch aus der schon erwähnten Bibliothek des Hauses Fürstenberg, das in den letzten Jahren vor allem durch den Verkauf bedeutender Teile seiner Donaueschinger Bibliothek ins Gerede kam, sind schon im 18. und 19. Jahrhundert kleinere Bestände nach Böhmen verlagert worden, wo sie sich ebenfalls heute noch befinden. Karl Egon I. von Fürstenberg (1729 - 1787) richtete auf seiner böhmischen Burg Pürglitz (heute Krivoklát) eine größere Bibliothek ein, die im wesentlichen aus der zentralen Familienbibliothek gespeist wurde. Insgesamt 153 Inkunabeln dieser Provenienz sind im vorliegenden Katalog beschrieben darunter auch der dritte Band einer Pariser Ausgabe des Lancelot du Lac, deren beiden ersten Bände in Donaueschingen verblieben waren und mit deren Inkunabelsammlung 1994 versteigert wurden.[5]

Weitere südwestdeutsche Provenienzen befinden sich noch in der Schloßbibliothek von Böhmisch Krummau (heute Cesky Krumlov), die im 19. Jahrhundert durch die Vereinigung der Familienbibliotheken der Fürsten von Eggenberg und von Schwarzenberg entstand. In die Bibliothek der Schwarzenberg floß bereits im 17. Jahrhundert die durch die Heirat des Ferdinand von Schwarzenberg (1652 - 1703) mit der Landgräfin Maria Anna von Sulz erworbene Bibliothek der schwäbischen Grafen von Sulz ein. Auch in dieser Bibliothek stecken einige im hier besprochenen Katalog aufgeführte Inkunabeln.

Nun zum Katalog selbst, der die drei ersten Hefte einnimmt. Die Drucke sind so knapp wie möglich beschrieben. Auf ausführliche Beschreibungen wird wie üblich durch die bibliographischen Zitate hingewiesen.[6] Lediglich Unikate (wie z.B. Nr. 30, 270, 418, 420, 673) werden nach Art des Gesamtkatalogs der Wiegendrucke (GW) ausführlich beschrieben. Bei Sammelbänden wird übrigens der ganze Inhalt des Bandes in der gegebenen Reihenfolge kurz mitgeteilt (einschließlich der Drucke späterer Jahrhunderte, wenn der Band solche enthält). In den kleingedruckten Anmerkungen zu den Drucken werden die individuellen Merkmale (Rubrizierung, handschriftliche Anmerkungen, Einbände, Provenienzen, etc.) aufgeführt. Sie sind in tschechischer Sprache. Dankenswerterweise steht unmittelbar vor dem Beginn des Katalogs (auf S. 17/18) eine dreisprachige (tschechisch-deutsch-englische) Auflösung der im Katalog verwendeten tschechischen Abkürzungen, so daß man sich auch ohne Tschechischkenntnisse in den Erläuterungen zurechtfinden kann.

Alle vier Hefte sind durchpaginiert, so daß sie leicht zu einem Band gebunden werden können. Das abschließende vierte Heft (= S. 269 - 407) enthält die für die Erschließung des Katalogs unentbehrlichen Register, die mit großer Sorgfalt erstellt wurden. Bedauerlich ist lediglich, daß den Einbänden kein Register gewidmet wurde. Am Schluß (S. 406) findet sich auch noch ein deutsches Inhaltsverzeichnis. Die tschechische Einleitung des Katalogs (S. 2 - 13) ist außerdem auf einer Seite (S. 14) deutsch zusammengefaßt. Im einzelnen enthält Heft 4 folgende Register und Konkordanzen: 1. Register der Herausgeber, Übersetzer usw.; 2. Register der Drucker und Verleger; 3. Register der Druckorte (S. 298 - 325) mit chronologischer Zusammenstellung aller Drucke nach dem Alphabet der Drucker innerhalb jedes einzelnen Druckorts; 4. Chronologische Zusammenstellung aller Drucke (von 1466 bis 1500); 5. Konkordanz der GW-, Hain-, Copinger-, Reichling-Nummern und ausgewählter BMC- und Goff-Zitate sowie einiger tschechischer Inkunabelkataloge; 6. Zusammenstellung der erfaßten Schloßbibliotheken mit ihren Signaturen und den Nummern dieses Katalogs; 7. Provenienzregister.

Am Schluß von Heft 4 folgen noch 26 Abbildungen auf Tafeln, von denen die ersten vier sogar in Farbe sind. Bis auf die beiden Abbildungen von Einbänden (Abb. 25 und 26) sind die Abbildungen von recht guter Qualität. Anzuerkennen ist, daß auch zwei Exlibrisstempel der Ochsenhausener Klosterbibliothek (Abb. 23) und zwei Exlibris von 1536 und 1609 (Abb. 21 und 22) abgebildet sind, wobei das Exlibris des böhmischen Humanisten Jan Hodejovsky von Hodejov von 1536 sicher eines der ältesten Exlibris in Böhmen ist.

Zu den Registern ist nur wenig anzumerken. Aus dem Register der Druckorte geht hervor, daß insgesamt 54 Druckorte in den Schloßbibliotheken vertreten sind. Ein Druckort ist im Register allerdings nachzutragen. Der anonyme "Drucker der Erwählung Maximilians" ist sowohl im Register als auch im betreffenden Katalogeintrag (Nr. 329) in Straßburg angesiedelt, obwohl der zitierte GW (GW 7887) und Goff (Goff C-1014) korrekt "Stuttgart" als Druckort angeben. Das in tschechischer Sprache erstellte Provenienzregister enthält sehr viele Querverweisungen und ist daher leicht benutzbar. Ein paar kleine Unsicherheiten in der alphabetischen Abfolge fallen auf (z.B. Ochsenhausen nach Oettingen etc.). Das Stichwort Carlhusiae Czemnicensis wurde von den Bearbeitern selbst mit einem Fragezeichen versehen. Dahinter steckt vielleicht eine Kartause (aber welche?) oder ein Ort "Karlshausen" (welches?). Haugen, Johannse Udalricus ist ein Johann Ulrich Haug (Haugen ist eine Obliquusform). P. W. (Nr 794) ist wahrscheinlich der in Tübingen tätige Rubrikator P. W. Die von ihm rubrizierten Bände wurden in der Regel von dem Tübinger Buchbinder Johannes Zoll gebunden. Leider wurde dieser Band wie viele aus der Ochsenhausener Klosterbibliothek im 19. Jahrhundert neu gebunden. Steglitzius (Stiglitius), Johannes = Stiglitz, ein deutscher Geistlicher, der seit 1481 in Bologna studierte und während seines Aufenthalts in Italien zahlreiche italienische Drucke erwarb, von denen sieben hier verzeichnet sind. Zahlreiche Bände aus seinem Besitz gelangten über die Bibliothek des Chorherrenstifts Comburg in die heutige Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart.

Abschließend kann man sagen, daß der vorliegende Katalog der Inkunabeln der tschechischen Schloßbibliotheken durch seine hohe Zahl entsprechender Provenienzen vor allem einen wichtigen Beitrag zur Erhellung der älteren Bibliotheksgeschichte Südwestdeutschlands darstellt und daher in keiner größeren deutschen Bibliothek fehlen sollte.

Peter Amelung


[1]
Es sind dies folgende fünf Schloßbibliotheken: 1. Königswart (jetzt Kynzvart), Bibliothek der Fürsten von Metternich; 2. Kremsier (jetzt Kromeríz), ursprünglich Bibliothek der Fürsterzbischöfe von Olmütz; 3. Pürglitz (jetzt Krivoklát), Bibliothek der Fürsten von Fürstenberg; 4. Böhmisch Krummau (jetzt Cesky Krumlov), Bibliothek der Fürsten von Eggenberg und Schwarzenberg; 5. Prag, Bibliothek der Malteserritter. (zurück)
[2]
Siehe Incunabula from the Court Library at Donaueschingen (Sotheby's, London, Auction 1st July 1994), Nr. 31, 111, 207 (Sammelband mit 2 Drucken), 318. (zurück)
[3]
Nach Abschluß der Renovierungs- und Restaurierungsmaßnahmen im Kloster Ochsenhausen fand dort 1984 eine Ausstellung statt. In ihr wurde die ehemalige Klosterbibliothek nur durch 10 Bände (davon 6 Handschriften) aus dem Besitz der Württembergischen Landesbibliothek sowie eine Handschrift als Leihgabe der Yale University Library, New Haven (USA), repräsentiert; vgl. Reichsabtei Ochsenhausen : Geschichte und Kunst. - Ochsenhausen, 1984. - S. 117 - 124. (zurück)
[4]
Dazu erschien ein umfangreicher Katalog: Libri sapientiae, libri vitae : von nützlichen und erbaulichen Schriften ; Schätze der ehemaligen Bibliothek der Benediktiner-Reichsabtei Ochsenhausen ; Handschriften, Inkunabeln, Frühdrucke, Bücher vom 9. bis 18. Jahrhundert ; eine Ausstellung der Stadt Ochsenhausen ... in Verbindung mit dem Nationalmuseum in Prag, Abt. für Schloßbibliotheken, und dem Denkmalamt für Westböhmen in Pilsen. - Ochsenhausen, 1993. - 234 S. : zahlr. Ill., Kt. (zurück)
[5]
Siehe den Katalog der Londoner Auktion (oben Anm. 2) Nr. 192. Der dritte Band ist Nr. 591 des vorliegenden Katalogs. (zurück)
[6]
Auffällig ist, daß einige neuere einschlägige Kataloge nicht zitiert werden darunter vor allem der italienische Indice generale degli incunaboli delle biblioteche d'Italia. - Roma. - Vol. 1 (1943) - 6 (1981). (zurück)

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