Der extrem kurzen einleitenden Notiz zu dieser aus der
Unterrichtspraxis[1] des Verfassers hervorgegangenen Publikation sind
weitere Einschränkungen zu entnehmen: behandelt sind weder die
Geschichte noch Theorie und Methode der Bibliographie;[2] von den
Verzeichnissen werden allein die Allgemeinbibliographien
berücksichtigt, für den großen Bereich der Fachbibliographien wird der
Leser auf den Abschnitt über die Bibliographien der Bibliographien
verwiesen. Aber auch bei den Allgemeinbibliographien schränkt der
Verfasser
kräftig ein, behandelt er doch nur die Nationalbibliographien der
folgenden Länder (in Klammern die Nummern der entsprechenden Kapitel):
Frankreich (4), Deutschland (5), Großbritannien (6), Italien (7) und
USA (8). Diesen gehen folgende Kapitel voraus: Bibliographien der
Bibliographien (1), Internationale Allgemeinbibliographien (2) und
Bibliothekskataloge (3). Es folgen nicht weniger als drei Kapitel mit
Bibliographien zum "alten Buch": Inkunabeln (9), Inkunabeln und Drucke
des 16. Jahrhunderts (10), Drucke des 16. Jahrhunderts (11). Die
beiden letzten Kapitel behandeln Bibliographien und Kataloge von
Zeitschriften (einschließlich Zeitschrifteninhaltsbibliographien) (12)
und Bibliographien für einzelne Schriftengattungen (Übersetzungen,
Festschriften, Kongresse, Reprints, Mikroformen, aber z.B. nicht
Amtsdruckschriften) (13). Wenn man, durch die breite Behandlung der
alten Drucke aufmerksam geworden, die anderen Kapitel genauer
überprüft, so ist auch dort das z.T. erdrückende Übergewicht dieses
Bereichs zu konstatieren: Kapitel 2 reicht sozusagen von C. Gesner
(1545) bis J. G. Th. Graesse (1859 - 1869); auch die Kapitel für die
Nationalbibliographien befassen sich zum großen Teil mit den
Verzeichnissen zur Kontrolle der alten Drucke; diese Verzeichnisse
werden, was durchaus begrüßenswert ist, als Teile des Instrumentariums
zur retrospektiven nationalbibliographischen Kontrolle hier behandelt
und nicht in den Kapiteln 9 - 11 (die den internationalen
Verzeichnissen vorbehalten sind). Für Deutschland braucht der
Verfasser 10 Seiten, bis er endlich zur Leipziger Deutschen
Nationalbibliographie kommt, der er dann bis hin zur wiedervereinigten
Bibliographie 5 Seiten widmet; noch krasser ist das Mißverhältnis
zwischen Vergangenheit und Gegenwart bei Frankreich: 12 S. für die
Zeit von den Inkunabeln bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts, 4,5 S.
für das 20. Jahrhundert, gefolgt von einem 4seitigen "historischen
Profil" der Bibliographie de la France. Bei diesem primär rückwärts
gewandten Interesse verwundert es denn auch nicht weiter, daß der
tiefgreifende Wandel der sich im Gefolge des Einzugs von Datenbanken
(auch für die alten Drucke) bei der Benutzung dieser Verzeichnisse
eingestellt hat, nicht thematisiert wird; allenfalls als letzter Satz
bei den Annotationen wird erwähnt, daß eine Nationalbibliographie oder
ein Verzeichnis lieferbarer Bücher inzwischen auch auf CD-ROM
vorliegt. Online-Datenbanken und Internet kommen noch nicht vor.
Die Titelaufnahmen für Monographien sind i.d.R. von guter Qualität,
z.T. fehlt die Angabe der Schriftenreihe (z.B. Nr. 62 - 63), für die
zahlreichen laufenden Bibliographien dagegen arg pauschal. Die
Annotationen fallen sehr unterschiedlich aus: häufig fehlen sie ganz,
z.T. beschränken sie sich auf rein Faktisches, viele sind angemessen,
jedoch sind manche im Verhältnis zur heutigen Bedeutung der Werke
extrem ausführlich (Ph. Labbé oder Brunet je 1 S.).
Fazit: eine kenntnisreiche und solide Einführung in die
konventionellen allgemeinbibliographischen Verzeichnisse, die ihren
Wert vor allem bei der Registrierung der Bibliographien für den
Bereich der alten Drucke und der (Vor-)Geschichte ausgewählter
Nationalbibliographien hat. Für die tägliche Praxis in italienischen
Bibliotheken dürften dagegen die Absolventen des Kurses von A.
Martinucci schlecht vorbereitet sein. Im Rahmen der
italienischsprachigen Informationsmittel stellt dieser Band keinen
Fortschritt dar: er ersetzt wegen seines viel engeren Spektrums nicht
die italienische Übersetzung des Totok/Weitzel,[3] die allerdings heute
völlig überholt ist und die es im Grunde schon bei Erscheinen war, da
sie kurz vor der Veröffentlichung der 6. Aufl. noch auf der 5. Aufl.
basierte. Der hoffnungsvolle Ansatz, nach französischem Vorbild ein
praktisches Repertorium für die öffentlichen Bibliotheken zu schaffen,
kam leider über eine einzige Auflage 1983 gleichfalls nicht hinaus.[4]
Die kleine Guida alle ricerche bibliografiche gibt schon im Zusatz zum
Sachtitel zu erkennen, daß sie auf modernerem Stand ist. Sie wendet
sich auch nicht in erster Linie an Bibliothekare in der Ausbildung,
sondern an Studenten, die dem Informationsangebot der Bibliotheken
ratlos gegenüberstehen. Ihnen wird eine kurze und insgesamt praktische
Einführung in Bibliotheksbenutzung und die bibliographischen
Nachschlagewerke (im Sinne Totok/Weitzels) geboten (Kapitel 2), die
auch Archivmaterial und Handschriften (3) nicht ausnimmt. Kapitel 4
behandelt die digitalen Angebote: Datenbanken, Internet, CD-ROM.
Kapitel 5 gibt schließlich Hinweise darauf, wie man das ermittelte
Material für seine eigene Arbeit aufbereitet. Dem Zweck dieser
Einführung entsprechend, stehen nicht einzelne Titel von
Informationsmitteln im Vordergrund; diese werden nur als Exempla
genannt, weshalb auch ein Register dieser Werke fehlt. Dafür findet
der Leser ein nützliches Glossar von Fachbegriffen (S. 227 - 250).
Für den von Martinucci ausgeklammerten Bereich der Theorie und Methode
der Bibliographie legt die Editrice Bibliografica in derselben Reihe,
aber als gezählten Band, den Corso di bibliografia von Rino Pensato[5]
vor. Das Werk erfreut sich offensichtlich einiger Beliebtheit in
Italien, handelt es sich doch bereits (nach 1987 und 1989) um die 3.
Aufl. Es wendet sich, wie das von Martinucci, primär an Studenten
bibliothekarischer Ausbildungsstätten und ist gleichfalls aus
entsprechenden Kursen des Verfassers erwachsen. In drei Kapiteln
behandelt er: 1. Was ist Bibliographie? (hier auch die Abgrenzung zu
den verschiedenen, unter diesem Begriff laufenden Disziplinen); 2.
Zusammenstellung einer Bibliographie (u.a. Gegenstand,
Titel-Ermittlung, -Aufnahme, -Annotierung sowie Anordnung und
typographische Gestaltung); 3. Bibliographie-Benutzung (hier auch eine
knappe Typologie der Verzeichnisse). Die Darstellung fußt
offensichtlich weitgehend auf einem ausgedehnten Studium einschlägiger
Veröffentlichungen, die im Text zitiert und in einem langen Anhang (S.
149 - 169) im Verfasseralphabet zusammengestellt sind: es sind die
bekannten amerikanischen Autoren, dazu die wenigen einschlägigen
deutschen und französischen und natürlich auch die italienischen. Eine
weitere Liste enthält ausgewählte Fachwörterbücher (S. 172 - 175),
wobei das Ende der Berichtszeit beim Erscheinungsjahr 1990 im Hinblick
auf das Erscheinungsjahr des Werkes inakzeptabel ist. Ein Anhang (S.
179 - 224) enthält tabellarische Übersichten und Musterseiten aus
Bibliographien.
Den im ersten wie im dritten der hier angezeigten Werke völlig
ausgesparten Bereich des Informationsdienstes amerikanischer
Ausprägung behandeln zwei sich ergänzende Werke, die in derselben
Verlags-Reihe erschienen sind. So beginnt Informare in biblioteca von
Aurelio Aghemo denn auch mit einem Kapitel über Ursprung, Entwicklung
und Besonderheiten des reference service, dem die Defizite in Italien
(man könnte viele andere europäische Länder gleichfalls anführen)
gegenübergestellt werden. Auch weitere Kapitel über die Wesensmerkmale
des reference service basieren auf den amerikanischen Erfahrungen. Die
Kapitel 4 - 6 bieten eine Typologie der Informationsmittel, die auf
der Unterscheidung von bibliographischen und textlichen beruht,
letztere weiter unterschieden nach solchen mit "diskontinuierlichem"
(Lexika, Wörterbücher, Biographien) und "kontinuierlichem" Text
(Handbücher etc.), hier einschließlich solcher mit bildlichen und
tabellarischen Informationen. Diese Typologie, die dem Rezensenten in
dieser Form bisher nicht begegnet ist, scheint ihm allerdings für die
praktische Arbeit mit den Informationsmitteln wenig hilfreich. Die
letzten drei Kapitel behandeln einzelne Komplexe wie Frage / Antwort
(7), Kommunikation zwischen Auskunftsgebendem und -empfangendem (8)
sowie Arten der Auskunftserteilung (9). Der längste Abschnitt der
abschließenden Literaturliste (S. 135 - 147) enthält eine Auswahl
ausschließlich englischsprachiger Aufsätze zum Thema.
Il reference in biblioteca von Carla Leonardi weist bereits durch die
Verwendung des Fremdwortes im Titel auf den amerikanischen reference
service hin. Es handelt sich bei diesem Band um einen systematisch
aufbereiteten Literaturbericht auf Grund einer analytischen
Bibliographie von ca. 600 Titeln, die die Verfasserin 1994 als
Dissertation eingereicht hat. Im ersten Teil behandelt sie in 4
Abschnitten die theoretischen und methodischen Prämissen, im zweiten,
längeren Teil mit 6 Abschnitten deren Umsetzung in die Praxis. Der
bibliographische Anhang (S. 175 - 178) nennt in sachlicher Gliederung
nur ausgewählte, ausschließlich englischsprachige Monographien und
Aufsätze, während die folgende raisonnierende Bibliographie (S. 179
- 199) italienischer Publikationen zum Thema chronologisch geordnet
ist.
Auch der letzte hier vorgestellte Titel, Pubblicazioni ufficiali
italiane, gehörte eigentlich nach der Systematik von IFB nicht
hierher, sondern in den Abschnitt AE Amtsdruckschriften, wird aber
praktischerweise in den allgemeinen Überblick mit einbezogen. Während
die mangelhafte bibliographische Kontrolle der italienischen
Amtsdruckschriften kaum schlechter ist als in anderen
kontinentaleuropäischen Ländern, gibt es in Italien eine Reihe von
exzellenten Publikationen über das Amtsdruckschriftenwesen, die
überwiegend mit dem Namen von Vilma Alberani verbunden sind, die auch
mit Schriften über die graue Literatur (die gleichfalls vornehmlich
aus Amtsdruckschriften besteht) hervorgetreten ist. Ihre neueste
Publikation innerhalb der von der Associazione Italiana Biblioteche
herausgegebenen Taschenenzyklopädie, die es hier kurz vorzustellen
gilt, behandelt knapp und übersichtlich folgende Aspekte: 1. Was sind
Amtsdruckschriften?; Amtsdruckschriften der zentralen staatlichen
Institutionen, nämlich 2. des Parlaments, 3. der Gesetzgebungsorgane,
4. der Jurisdiktion, 5. der Exekutive; 6. Amtsdruckschriften der
Regionen; 7. Bibliographische Kontrolle. Der letzte Teil enthält ein
Verzeichnis der Bibliographien von Amtsdruckschriften, der
Sekundärliteratur und der einschlägigen Gesetze. Wer sich über das
italienische Amtsdruckschriftenwesen informieren möchte, findet hier
die elementaren Fakten, während er für vertiefende Informationen zu
der ausführlichen Darstellung u.d.T. Le fonti per lo studio
dell'amministrazione pubblica italiana[6] greifen wird.
sh
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