Daß das amerikanische Werk nur in größeren Abständen erscheint, mag auch damit zusammenhängen, daß daran inzwischen nicht weniger als 50 Mitarbeiter beteiligt sind, was einen erheblichen Koordinierungsaufwand mit sich bringt, der von Balay und seinen Mitarbeitern geleistet wird, deren Redaktionsbüro organisatorisch mit der Redaktion des Referateorgans Choice verbunden ist. Liest man sein langes und ausgesprochen instruktives Vorwort zur 11. Aufl., kann man erahnen, welchen Abstimmungsaufwand ein solches repräsentatives, von der ALA verlegtes Werk jenseits der Koordinierung der Mitarbeiter selbst hat, geht es doch dabei nicht zuletzt um die Wahrung der political correctness bei der Titelauswahl ebenso wie bei der Benennung von ethnischen Gruppen oder der Beherzigung einer non-sexist language in den Annotationen; auch "eurozentrische" Bezeichnungen wie Near East und Far East werden verbannt und durch Asia, West und Asia, East ersetzt (hier steht den RSWK noch einiges bevor). Es sind dies alles Dinge, um die sich die relativ wenigen Bearbeiter des Walford nicht zu kümmern brauchen. Andererseits bringt die Heranziehung zahlreicher Mitarbeiter bei dem amerikanischen Werk durchaus große Vorteile mit sich, sind doch darunter Spezialisten für relativ enge Gebiete, die zudem in großen Bibliotheken mit z.T. exzellenten Beständen arbeiten, was nicht nur der Aktualität zustatten kommt.
Balay verzeichnet lt. Vorwort 15.875 Titel, zu denen nach derselben
Quelle etwa noch einmal so viele kommen, die in den Annotationen
zitiert sind; letztere Schätzung kommt dem Rezensenten etwas hoch
gegriffen vor, doch wie dem auch sei, sind diese "versteckten" Titel
ebenfalls im Register berücksichtigt. Walford verzeichnet in den drei
Bänden der 6. Aufl.[1] zusammen 23.964 Haupteintragungen (7007[2] + 8183 +
8774) also doch beträchtlich mehr als die Haupteintragungen bei Balay,
und auch hier kommen zahlreiche "versteckte" Titel hinzu, über deren
genaue Zahl sich allerdings noch schwerer spekulieren läßt.
Walford ordnet die Titel nach der UDK, was für die Benutzung nicht
unbedingt praktisch ist, dafür aber vor überraschenden Änderungen
bewahrt. Balay ordnet weiterhin nach den bekannten Fächergruppen und
Teilgebieten, die sich an den praktischen Erfordernissen eines
derartigen Führers orientieren, weshalb sie der Rezensent auch
vorzieht und damals die sachliche Gliederung von IFB in Anlehnung an
Sheehy gewählt hatte. Nun hat Balay einige Änderungen vorgenommen, die
zwar nicht das Prinzip einer Großgruppen-Gliederung berühren, wohl
aber die Binnengliederung tangieren, so daß man sich jetzt nicht mehr
auf die mit der Zeit memorierten Kürzel wie AJ = Biography verlassen
kann. Insbesondere bei der Großgruppe A = General reference works
haben sich Verschiebungen dadurch ergeben, daß die alte Untergruppe AB
= Librarianship and library resources jetzt umbenannt als AK = Library
and information science nach hinten gerückt wurde (wodurch sich die
Kürzel für alle anderen, dazwischen liegenden Untergruppen, geändert
haben); dazu kommt jetzt als Abschluß von Gruppe A eine neue
Sammelstelle AL = Other general reference works, an der
sinnvollerweise die in früheren Auflagen in anderen Gruppen (nicht
immer glücklich) verstreuten kleineren Gattungen von allgemeinen
Informationsmitteln zusammengefaßt wurden. Verschiebungen ergaben sich
auch bei der Großgruppe B = Humanities durch die in Analogie zu den
anderen Großgruppen eingerichtete Untergruppe BA = General works.
Hoffen wir, daß das dadurch erforderliche Umlernen nicht durch weitere
Änderungen in den nächsten Auflagen in einen ständigen Lernprozeß
ausartet. Auf eine weitere, nicht auf den ersten Blick ersichtliche
Änderung ist gleichfalls hinzuweisen: bevorzugte Sheehy innerhalb der
Untergruppen Abschnitte nach dem Alphabet der betroffenen Länder, was
der Rezensent immer als ausgesprochen praktisch empfand, auch wenn
dann räumlich benachbarte Länder weit auseinander gerissen waren und
sie zudem nicht in der Nähe der Eintragungen für Regionen und
Subkontinente standen, so präferiert Balay jetzt eine Ordnung nach
Kontinenten und Subkontinenten mit anschließendem Alphabet der
zugehörigen Länder.[3] Damit kann man jedoch immer noch besser leben,
als mit der strikt an der UDK orientierten Ordnung bei Walford.
An der Überlegenheit des Balay was die Zuverlässigkeit der
Titelaufnahmen betrifft, hat sich nichts geändert; auch fremdsprachige
Titel sind in der Regel korrekt wiedergegeben, im Gegensatz zu den bei
Walford gerade hier zahlreich auftretenden Fehlern.
Das Register bei Balay ist weiterhin einheitlich für alle -
typographisch differenzierten - Eintragungsarten: Verfasser und
Urheber (Normalschrift), alle Sachtitel (kursiv) und Schlagwörter
(fett); Computerdateien sind mit einem fetten Punkt markiert. Eine
wichtige und für europäische Gewohnheiten erfreuliche Neuerung besteht
darin, daß Akronyme nicht mehr am Beginn des jeweiligen Alphabetteils
stehen, sondern als normale Wörter ordnen. Das dreispaltige Register
nimmt allein gut 400 Seiten ein und ist zur Platzersparnis in so
kleiner Type gesetzt, daß die Benutzung mühsam ist. Unter diesem
Aspekt sind die Bandregister bei Walford leichter zu benutzen, und
auch die Separierung der Schlagwörter in einem eigenen Register ist
nicht unbedingt von Nachteil.
Vorteilhaft ist weiterhin, daß Balay mit einem einzigen Band auskommt,
wozu das gegenüber Walford größere Format bei gleichfalls
zweispaltigem Satz und das sehr dünne Papier beiträgt; trotzdem ist
die Dicke des Bandes und sein Gewicht inzwischen so groß, daß man ihn
kaum noch mit einer Hand aus dem Regal nehmen kann. Die sicher mit der
nächsten Auflage wieder eintretende Vermehrung der Titelzahl wird also
wohl leider zwangsläufig zu einer Aufteilung in zwei Bände führen.
Auch das Angebot einer CD-ROM-Version wurde erwogen und die Schaffung
der Voraussetzungen dazu gehörte zu den Auflagen an den Herausgeber.
Der Prospekt der ALA kündigte sogar bereits eine CD-ROM-Ausgabe[4]
gleichfalls für 1996 an, die dann aber mangels Nachfrage nicht
zustande kam, was aber nicht an dem unangemessen hohen Preis lag,
sondern daran, daß die Auskunftsbibliothekare - obwohl sie täglich mit
CD-ROMs hantieren - für ihre "Bibel" das gedruckte Produkt vorzogen.
Der Rezensent hat wie bei der letzten vergleichenden Besprechung
wieder eine ganze Anzahl von nicht-englischsprachigen
Informationsmitteln ersten Ranges, die in ABUN in ZfBB und im Jg. 1
(1993) von IFB besprochen wurden, an beiden Führern abgeglichen, und
zwar unter Beschränkung auf solche, die in Bd. 3 des Walford
einschlagen. Erfreulicherweise fiel das Resultat diesmal wesentlich
besser aus, als damals und auch diesmal führte Walford wieder vor
Balay.[5] Letzteres dürfte allerdings weniger mit dem etwas aktuelleren
Berichtsstand (nämlich 1994) von Bd. 3. der 6. Aufl. zusammenhängen
- gegenüber Balay mit Berichtsstand 1993 - als damit, daß die Bände
des
Walford jetzt im Jahresrhythmus erscheinen und somit somit stets Anlaß
zur Sichtung neuer Titel bietet. Dagegen ist Balay i.d.R. aktueller,
was die Fortschreibung noch nicht abgeschlossener mehrbändiger Werke
betrifft. Das führt der Rezensent darauf zurück, daß die Mitarbeiter
am Balay nur mit einem relativ kleinen Fächerausschnitt befaßt sind
und dazu direkten Zugriff auf die Bestände ihrer eigenen Bibliothek
haben.
Der Rezensent hat darüber hinaus erstmals die Ergebnisse ausgewählter
Recherchen in beiden Führern protokolliert, die er in Zusammenhang mit
eigenen Rezensionen vorgenommen hat, was er stets zusätzlich zur
Befragung der Bestände seiner eigenen Bibliothek tut, wenn es darum
geht für eine Rezension die Vorgänger und die Konkurrenz eines neuen
Nachschlagewerks zu prüfen. Bei diesen Stichproben bot überwiegend
Balay die besten Informationen, vor allem auch was die historische
Dimension betrifft. Hier einige Beispiele in knappster Form; die in
Klammern angegebenen Nummern sind die bei Balay (alphanumerisch) bzw.
Walford (numerisch).
Nationalbiographien : Belgien
Bei Balay fehlt: Dictionnaire des Belges (5888); dafür fehlt dessen
Neuauflage u.d.T. Nouveau dictionnaire des Belges 1992 auch bei
Walford; bei letzterem fehlen ferner: Nouvelle biographie nationale
(AH175); Bibliographie coloniale ... (AH173); Dictionnaire ... / Seyn
(AH176). Bei den Who's who sind beide nicht wirklich aktuell: Wie is
wie in Vlaanderen und Qui est qui en Belgique francophone haben ihr
Erscheinen eingestellt.
Nationalbibliographien : Ungarn
Balay kennt insgesamt 8 Titel (AA709 - AA716), die wesentlich
ausführlicher und besser annotiert sind als die lediglich 3 Titel (349
- 351) bei Walford.
Zeitschriftenbibliographien : Ungarn
Balay nennt 4 Titel (AD120 - 123), Walford kennt nur die laufende
Bibliographie (1723). Bei beiden fehlt die wichtige Magyar
sajtóbibliográfia, 1705 - 1849 : ... / ... V. Busa Margit. - Budapest,
1986 [1987]. - 1 - 2. - LXXVIII, 1137 S. : ISBN 963-200-242-3.
Enzyklopädien : Rußland/UdSSR
Beide verzeichnen die BSE in allen drei Auflagen (AB82 - AB84 bzw.
1507 - 1508), doch bietet Balay wesentlich bessere Annotationen, die
zudem die Derivate der BSE in anderen Sprachen nennen; ferner
verzeichnet er den Ezegodnik zur BSE (AB91) sowie die Malaja SE
(AB88). Beide nennen ferner die Great Soviet encyclopedia (AB87 bzw.
1511); auch hier verdient die Annotation bei Balay den Vorzug. Dafür
kennt nur Walford das neue Bol'soj enciklopediceskij slovar' von 1991
(1510). Bei den älteren, jedoch keineswegs überholten russischen
Enzyklopädien ist bei Walford Fehlanzeige zu vermelden, während die
Konkurrenz drei Titel mit guten Annotationen verzeichnet:
Brokgauz/Efron (AB85, AB89) und Granat (AB86). Gleichfalls nur bei
Balay der wichtige Führer zu den russischen und sowjetischen
Enzyklopädien von Kaufman (AB90).
Enzyklopädien : Schweiz
Bei Balay das Schweizer Lexikon 1992 - 1993 (AB100), bei Walford
völlige Fehlanzeige.
Koreanische Literatur
Hier immerhin hat Walford die Oberhand mit gleich vier Titeln (8736
- 8739); bei Balay dagegen Fehlanzeige.
Fazit: Beide Führer haben ihre besonderen Qualitäten und auch ihre
Schwächen. Sie sind beide nebeneinander zu benutzen, da sie sich bei
aller Überschneidung ergänzen. Der Rezensent bekennt gerne, daß er
weiterhin zuerst zu Balay greifen wird, auch wenn dieser zu langsam
bei der Berücksichtigung neuer Titel ist. Beide könnten von der
regelmäßigen Durchsicht von IFB profitieren,[6] und es ist zu hoffen,
daß sie künftig wenigstens dessen Digest in Gestalt des Reference
reviews Europe annual oder von Reference reviews Europe online[7]
nutzen. Für alle Benutzer außerhalb der anglo-amerikanischen Länder
sind beide ein absolutes Muß, selbst dann, wenn zusätzlich fachliche
Führer (die man stets ergänzend heranziehen wird) und nationale
Führer zu Informationsmitteln bereitstehen, von denen im folgenden
einige signifikante neuere Beispiele vorgestellt werden.
sh
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