Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 1/2
[ Bestand in K10plus ]

Dictionary of Italian literature


97-1/2-163
Dictionary of Italian literature / Peter Bondanella and Julia Conaway Bondanella, editors-in-chief. Jody Robin Shiffman, assoc. ed. - Rev., expanded ed. - Westport, Conn. : Greenwood Press, 1996. - XIV, 716 S. ; 24 cm. - ISBN 0-313-27745-1 : $ 99.50
[3641]

Lexika zur italienischen Literatur scheinen - im Unterschied zu solchen zur französischsprachigen Literatur[1] - eher Mangelware zu sein. Zwar sind seit den siebziger Jahren einige, meist mehrbändige Werke in italienischer Sprache entstanden,[2] doch insbesondere der deutsche Markt hat bislang leider nichts Entsprechendes zu bieten. Hingegen existiert bereits seit 1979 das in den USA erschienene, von Peter Bondanella und Julia Conaway Bondanella herausgegebene Dictionary of Italian literature, das nun, nach 17 Jahren, in einer überarbeiteten und erweiterten Fassung neu erscheint. Wie die Herausgeber in ihrem Vorwort zur 2. Aufl. angeben, wuchs die Zahl der Artikel von 362 auf nahezu 400; die schon in der 1. Aufl. enthaltenen Einträge wurden überarbeitet und vor allem die bibliographischen Angaben, speziell die Übersetzungen von Primärwerken ins Englische, aktualisiert.

Berücksichtigt werden sowohl Personennamen als auch Sachbegriffe, d.h. Epochen, Gattungen, Termini aus der Metrik sowie literarische und literaturtheoretische Strömungen; anonyme Werke finden sich hingegen ebensowenig wie Titel von Zeitschriften, auf die der Benutzer des Lexikons allenfalls mit Hilfe des Registers in einzelnen Autorenartikeln stößt. Für eine mehr als punktuelle Information sorgen zum einen Querverweisungen von einzelnen Namen oder Begriffen auf angrenzende Bereiche und von anderen Namensformen auf die im Italienischen gebräuchlichen,[3] zum anderen der beinahe 100 Seiten umfassende Anhang, der neben dem rein alphabetischen weitere Zugänge ermöglicht: Appendix A enthält eine sehr ausführliche Zeittafel, die den Leser vom 11. Jahrhundert bis ins Jahr 1995 führt und nach den vier Rubriken Italienische Literatur, Weltliteratur, Politische Theorie, Geschichte und Religion sowie Philosophie, Wissenschaft und Künste untergliedert ist (sämtliche Titel von Büchern, Filmen, Werken der Bildenden Kunst etc. werden ausschließlich in englischer Sprache angegeben). Appendix B gruppiert die als Stichwörter fungierenden Sachbegriffe nach Themen, die Personennamen nach Epochen bzw. Jahrhunderten. Ihm folgen zunächst eine - allerdings sehr selektive - Liste von teils allgemeinen, teils auf die Literatur bezogenen Nachschlagewerken sowie von Zeitschriften, die regelmäßig Bibliographien der italienischen Literatur veröffentlichen, und schließlich das sehr detaillierte Register, das nicht nur die Stichwörter aufnimmt, sondern zudem zahlreiche andere Begriffe und vor allem Namen, nicht nur italienische und nicht nur aus dem Bereich der Literatur.

Bei der Auswahl der Einträge wurde neben der - verhältnismäßig großen, aber durch die Bedeutung dieser Epoche für die Geschichte der italienischen wie der übrigen europäischen Literatur gewiß gerechtfertigten - Anzahl von Autoren der Renaissance vor allem das 20. Jahrhundert stark berücksichtigt, obgleich natürlich gerade im Bereich zeitgenössischer, noch nicht eindeutig durch das Urteil der Nachwelt kanonisierter Autoren, deren Aufnahme stärker als bei den früheren Jahrhunderten von einer subjektiven Entscheidung abhängt, auch manches zu fehlen scheint. So kommt beispielsweise Luigi Malerba, der laut Manfred Hardts Geschichte der italienischen Literatur[4] zu "den derzeit erfolgreichsten Prosaautoren gehört" und dem in diesem gleichfalls einbändigen Werk immerhin drei Seiten gewidmet sind, im Dictionary of Italian literature kein eigener Artikel zu, und er wird nur an einer einzigen Stelle erwähnt. Dennoch wurden gegenüber der früheren Ausgabe nicht nur eindeutige Lücken beseitigt - der längst fällige Artikel zu Primo Levi etwa ist jetzt im Dictionary enthalten -, sondern auch zeitgenössische Autoren, die, wie der Lyriker Valerio Magrelli, zum Erscheinungszeitpunkt der 1. Aufl. noch wenig oder gar nicht publiziert hatten, aufgenommen. Neu ist beispielsweise auch der Eintrag über den Regisseur Giorgio Strehler, der, ebenso wie die fast Essay-Format erreichenden Artikel Literature and art oder Literature and film oder der Artikel Feminism, deutlich macht, daß die Herausgeber des Lexikons auch über die Grenzen der Literatur im engeren Sinne hinausblicken.

Gewiß wurden zahlreiche Artikel praktisch unverändert, nur mit in den meisten Fällen überarbeiteter Bibliographie,[5] in die Neuausgabe übernommen, doch finden sich daneben ebenfalls sehr viele Beispiele einer detaillierten Überarbeitung oder gar einer völlig neuen Version des Eintrags. So wurden etwa im Falle Marinos Artikel und Bibliographie entsprechend der heutigen Einschätzung dieses Autors modifiziert; der Artikel zu Calvino liefert bis zum Jahr 1979 eine bloße Wiederholung der bereits in der 1. Aufl. gegebenen Informationen, fügt diesen aber noch mehr als eine Seite an neuer Information und vor allem eine wesentlich aktualisierte - nicht nur, wie sonst häufig, eine um ein, zwei Titel bereicherte - Bibliographie hinzu; ein Eintrag zu Mario Luzi fand sich bereits in der 1. Aufl., doch wurde hier der Artikel nahezu vollständig neu verfaßt. Analog hierzu enthält auch der Bereich der Sachartikel in der neuen Version wesentliche Neuerungen und Hinzufügungen; so ist etwa der Eintrag über Semiotics bedeutend länger, etwas weniger allgemein und dafür etwas detaillierter geworden - soweit dies im Rahmen eines einbändigen und die ganze italienische Literatur umfassenden Lexikons möglich erscheint -, was nicht nur seinen Informationswert, sondern gleichzeitig seine Verständlichkeit beträchtlich erhöht, und auch die Literaturangaben reichen immerhin bis 1990, während beim Structuralism noch immer kein Werk angegeben wird, das nach 1976 erschienen ist. Generell läßt sich festhalten, daß die Informationen, wiederum im Rahmen dessen, was von einem solchen einbändigen Nachschlagewerk erwartet werden kann, zugleich erfreulich konkret und erfreulich umfassend sind. So beschränken sich etwa die Sachartikel nicht auf bloße Definitionen, sondern stellen den jeweiligen Begriff in seinen Kontext, und die Autoreneinträge begnügen sich nicht mit Kurzbiographien und allgemeinen, mehr oder minder nichtssagenden Wertungen, sondern besprechen auch zumindest die wichtigeren einzelnen Werke, so daß gleich die erste und rasche Information, wie sie ein Lexikon zu bieten vermag, einen sehr hilfreichen Einstieg in ein Thema oder ein Werk bedeutet.

Natürlich stellt sich die Frage, ob es angebracht erscheint, in Deutschland ein englischsprachiges Lexikon über italienische Literatur anzuschaffen, das zudem, insbesondere, was die Übersetzungen literarischer Werke anbelangt, eindeutig für den englischsprachigen Markt konzipiert wurde. Auch innerhalb der Artikel wird diese Ausrichtung gelegentlich deutlich, etwa wenn bei Manzoni sein großer Einfluß auf die Literatur der englischsprachigen Länder hervorgehoben oder umgekehrt Palazzeschi als der Autor präsentiert wird, der unter den wichtigeren italienischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts der englischsprachigen Welt am wenigsten bekannt sei. Nichtsdestotrotz bleibt das Dictionary of Italian literature auch für den deutschen Markt von großem Interesse, zumindest solange dieser nichts Äquivalentes zu bieten hat und die meisten italienischsprachigen Lexika ebenfalls nicht vergleichbar sind, da sie entweder, wie das von Vittore Branca herausgegebene Dizionario critico della letteratura italiana, sehr viel umfangreicher und damit ausführlicher sind oder, wie das von Alberto Asor Rosa herausgegebene Dizionario della letteratura italiana del Novecento, sich auf ein Jahrhundert beschränken und von daher natürlich sehr viel mehr Begriffe und Personennamen aus dem jeweiligen Spezialgebiet aufnehmen können.

Barbara Kuhn


[1]
Vgl. den Überblick über einige Neuerscheinungen in IFB 96-2/3-242 - 252. (zurück)
[2]
Dizionario critico della letteratura italiana / dir. da V. Branca. - 2. ed. - Torino : UTET, 1986. - 1 - 4. - Die 1. Aufl. von 1973 umfaßte drei Bände. - Vgl. ABUN in ZfBB 34 (1987),3, S. 237 - 239.
Ergänzend zur der vielbändigen, von A. Asor Rosa hrsg. Geschichte der italienischen Literatur bei Einaudi (1982 - 1991) erschien Letteratura italiana. Gli autori : dizionario bio-bibliografico e indici. - Torino : Einaudi. - 1 (1990) - 2 (1991). - Vgl. IFB 93-3/4-169.
Dizionario della letteratura italiana / E. Bonora. - Milano : Rizzoli, 1977. - 1 - 2.
Dizionario enciclopedico della letteratura italiana / a cura di G. Petronio. - Palermo : Laterza-Unedi, 1966 - 1970. - 1 - 6. - Dann: Roma ; Bari, 1979.
An spezielleren Lexika sind zu nennen:
Das Werklexikon Dizionario della letteratura italiana : le opere / a cura di S. Jacomuzzi. - Milano : Editori Associati-TEA, 1989.
Zur Literatur des 20. Jahrhunderts: Dizionario della letteratura italiana contemporanea / a cura di E. Ronconi. - Firenze : Valecchi, 1973.
Ebenfalls zum 20. Jahrhundert: Dizionario della letteratura italiana del Novecento / dir.: A. Asor Rosa. - Torino : Einaudi, 1992. (zurück)
[3]
Die Ausgabe von 1979 ordnete einige Namen noch anders als heute üblich ein und verwies - auch im Register - nicht auf die andere mögliche Form, so daß beispielsweise Giacomo da Lentino oder Panuccio del Bagno nur unter D, Cecco Angiolieri nur unter A oder Rinaldo d'Aquino nur unter R zu finden waren und nicht, wie heute, unter beiden Ansetzungsformen. (zurück)
[4]
Geschichte der italienischen Literatur : von den Anfängen bis zur Gegenwart / Manfred Hardt. - Düsseldorf ; Zürich : Artemis & Winkler, 1996, S. 877. - S.o. IFB 97-1/2-159. (zurück)
[5]
Nicht immer allerdings, wie etwa die Literaturangaben zu Autoren wie Bacchelli oder Corrado, Alfieri oder Bruno beweisen, obwohl doch beispielsweise gerade zu letzterem in den vergangenen Jahren sehr viel geforscht und entsprechend publiziert wurde. (zurück)

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