Berücksichtigt werden sowohl Personennamen als auch Sachbegriffe, d.h.
Epochen, Gattungen, Termini aus der Metrik sowie literarische und
literaturtheoretische Strömungen; anonyme Werke finden sich hingegen
ebensowenig wie Titel von Zeitschriften, auf die der Benutzer des
Lexikons allenfalls mit Hilfe des Registers in einzelnen
Autorenartikeln stößt. Für eine mehr als punktuelle Information sorgen
zum einen Querverweisungen von einzelnen Namen oder Begriffen auf
angrenzende Bereiche und von anderen Namensformen auf die im
Italienischen gebräuchlichen,[3] zum anderen der beinahe 100 Seiten
umfassende Anhang, der neben dem rein alphabetischen weitere Zugänge
ermöglicht: Appendix A enthält eine sehr ausführliche Zeittafel, die
den Leser vom 11. Jahrhundert bis ins Jahr 1995 führt und nach den
vier Rubriken Italienische Literatur, Weltliteratur, Politische
Theorie, Geschichte und Religion sowie Philosophie, Wissenschaft und
Künste untergliedert ist (sämtliche Titel von Büchern, Filmen, Werken
der Bildenden Kunst etc. werden ausschließlich in englischer Sprache
angegeben). Appendix B gruppiert die als Stichwörter fungierenden
Sachbegriffe nach Themen, die Personennamen nach Epochen bzw.
Jahrhunderten. Ihm folgen zunächst eine - allerdings sehr selektive
- Liste von teils allgemeinen, teils auf die Literatur bezogenen
Nachschlagewerken sowie von Zeitschriften, die regelmäßig
Bibliographien der italienischen Literatur veröffentlichen, und
schließlich das sehr detaillierte Register, das nicht nur die
Stichwörter aufnimmt, sondern zudem zahlreiche andere Begriffe und vor
allem Namen, nicht nur italienische und nicht nur aus dem Bereich der
Literatur.
Bei der Auswahl der Einträge wurde neben der - verhältnismäßig großen,
aber durch die Bedeutung dieser Epoche für die Geschichte der
italienischen wie der übrigen europäischen Literatur gewiß
gerechtfertigten - Anzahl von Autoren der Renaissance vor allem das
20. Jahrhundert stark berücksichtigt, obgleich natürlich gerade im
Bereich zeitgenössischer, noch nicht eindeutig durch das Urteil der
Nachwelt kanonisierter Autoren, deren Aufnahme stärker als bei den
früheren Jahrhunderten von einer subjektiven Entscheidung abhängt,
auch manches zu fehlen scheint. So kommt beispielsweise Luigi Malerba,
der laut Manfred Hardts Geschichte der italienischen Literatur[4] zu
"den derzeit erfolgreichsten Prosaautoren gehört" und dem in diesem
gleichfalls einbändigen Werk immerhin drei Seiten gewidmet sind, im
Dictionary of Italian literature kein eigener Artikel zu, und er wird
nur an einer einzigen Stelle erwähnt. Dennoch wurden gegenüber der
früheren Ausgabe nicht nur eindeutige Lücken beseitigt - der längst
fällige Artikel zu Primo Levi etwa ist jetzt im Dictionary enthalten
-, sondern auch zeitgenössische Autoren, die, wie der Lyriker Valerio
Magrelli, zum Erscheinungszeitpunkt der 1. Aufl. noch wenig oder gar
nicht publiziert hatten, aufgenommen. Neu ist beispielsweise auch der
Eintrag über den Regisseur Giorgio Strehler, der, ebenso wie die fast
Essay-Format erreichenden Artikel Literature and art oder Literature
and film oder der Artikel Feminism, deutlich macht, daß die
Herausgeber des Lexikons auch über die Grenzen der Literatur im
engeren Sinne hinausblicken.
Gewiß wurden zahlreiche Artikel praktisch unverändert, nur mit in den
meisten Fällen überarbeiteter Bibliographie,[5] in die Neuausgabe
übernommen, doch finden sich daneben ebenfalls sehr viele Beispiele
einer detaillierten Überarbeitung oder gar einer völlig neuen Version
des Eintrags. So wurden etwa im Falle Marinos Artikel und
Bibliographie entsprechend der heutigen Einschätzung dieses Autors
modifiziert; der Artikel zu Calvino liefert bis zum Jahr 1979 eine
bloße Wiederholung der bereits in der 1. Aufl. gegebenen
Informationen, fügt diesen aber noch mehr als eine Seite an neuer
Information und vor allem eine wesentlich aktualisierte - nicht nur,
wie sonst häufig, eine um ein, zwei Titel bereicherte - Bibliographie
hinzu; ein Eintrag zu Mario Luzi fand sich bereits in der 1. Aufl.,
doch wurde hier der Artikel nahezu vollständig neu verfaßt. Analog
hierzu enthält auch der Bereich der Sachartikel in der neuen Version
wesentliche Neuerungen und Hinzufügungen; so ist etwa der Eintrag über
Semiotics bedeutend länger, etwas weniger allgemein und dafür etwas
detaillierter geworden - soweit dies im Rahmen eines einbändigen und
die ganze italienische Literatur umfassenden Lexikons möglich
erscheint -, was nicht nur seinen Informationswert, sondern
gleichzeitig seine Verständlichkeit beträchtlich erhöht, und auch die
Literaturangaben reichen immerhin bis 1990, während beim Structuralism
noch immer kein Werk angegeben wird, das nach 1976 erschienen ist.
Generell läßt sich festhalten, daß die Informationen, wiederum im
Rahmen dessen, was von einem solchen einbändigen Nachschlagewerk
erwartet werden kann, zugleich erfreulich konkret und erfreulich
umfassend sind. So beschränken sich etwa die Sachartikel nicht auf
bloße Definitionen, sondern stellen den jeweiligen Begriff in seinen
Kontext, und die Autoreneinträge begnügen sich nicht mit
Kurzbiographien und allgemeinen, mehr oder minder nichtssagenden
Wertungen, sondern besprechen auch zumindest die wichtigeren einzelnen
Werke, so daß gleich die erste und rasche Information, wie sie ein
Lexikon zu bieten vermag, einen sehr hilfreichen Einstieg in ein Thema
oder ein Werk bedeutet.
Natürlich stellt sich die Frage, ob es angebracht erscheint, in
Deutschland ein englischsprachiges Lexikon über italienische Literatur
anzuschaffen, das zudem, insbesondere, was die Übersetzungen
literarischer Werke anbelangt, eindeutig für den englischsprachigen
Markt konzipiert wurde. Auch innerhalb der Artikel wird diese
Ausrichtung gelegentlich deutlich, etwa wenn bei Manzoni sein großer
Einfluß auf die Literatur der englischsprachigen Länder hervorgehoben
oder umgekehrt Palazzeschi als der Autor präsentiert wird, der unter
den wichtigeren italienischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts der
englischsprachigen Welt am wenigsten bekannt sei. Nichtsdestotrotz
bleibt das Dictionary of Italian literature auch für den deutschen
Markt von großem Interesse, zumindest solange dieser nichts
Äquivalentes zu bieten hat und die meisten italienischsprachigen
Lexika ebenfalls nicht vergleichbar sind, da sie entweder, wie das von
Vittore Branca herausgegebene Dizionario critico della letteratura
italiana, sehr viel umfangreicher und damit ausführlicher sind oder,
wie das von Alberto Asor Rosa herausgegebene Dizionario della
letteratura italiana del Novecento, sich auf ein Jahrhundert
beschränken und von daher natürlich sehr viel mehr Begriffe und
Personennamen aus dem jeweiligen Spezialgebiet aufnehmen können.
Barbara Kuhn
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